Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3074]

Ambrosius Blarer
an [Bullinger]
[Konstanz],
12. November [1547]

Autograph: Zürich StA, E II 338, 1460 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 672, Nr. 1492

[1]Blarers Cousin Konrad Zwick und einige Freunde warnen vor Bischof Johann von Weeze, der heimlich Kriegsknechte in den Festungen von Gottlieben und Arbon stationieren könnte. Käme es dazu, wäre es nicht einfach, diesen Umstand wieder zu ändern. In nur wenigen Tagen kann Gottlieben zu einer nicht mehr leicht zu erobernden Stelle werden. -[2]Bullinger soll diesen ungeschickt formulierten Brief entschuldigen! Man kann in dieser listigen Welt nicht vorsichtig genug sein! Blarer wartet noch auf Bullingers Antwort durch den ihm [mit Nr. 3073]gesandten Boten [...]. -[3] Er hat die ["Mandatorum epitome"]König Eduards VI. erhalten. Gott gewähre seinen Schutz! in Eile. -[4][P.S.:] Der Konstanzer Rat hat immer noch keine Antwort [auf sein Aussöhnungsgesuch] erhalten. Wenn nur keine List dahinter stände! Gestern sagte jemand [...] aus Ravensburg, dass man dort mit der Ankunft von weiteren spanischen Kavalleristen rechne. Die Stadt sei voller Spanier, denen auch die Stadtschlüssel überreicht wurden. - [5] Soeben schickt Zwick das beiliegende, gerade aus Ulm eingetroffene Brieflein. Bullinger darf es abschreiben, soll aber den Namen des Junkers [Georg] Besserer nicht erwähnen.

Fruntlicher herr, lieber brüder, ich hab nichts sonders. Allain maint min l[ieber]v[etter]3 und ettlich güt frund und gunner, es were güt, acht ze haben uff Gottlieben 4 und Arba, das der bischoff 5 nienen etwan untrüw brüchte 6 und volck 7 unversechner sach 8 in dise vestinen brechte. Dann es gar bald beschechen 9 , und darnach aber nitt wol widerum zu erboren 10 und ain trefflicher", 11 , grosser nachtail were in vyl weg, wie ir lichtlich zu gedencken. Gottlieben möcht man a in wenig tagen (sollt es veruntrüwt 12 werden) dermassen erbauwen 13 das darnach nieman lichtlich mehr gewynnen möcht.

a Fehlt in der Vorlage.
1 Der Empfänger ergibt sich aus unten Z. 14 und Anm. 27.
2 Das Jahr ergibt sich aus dem Briefinhalt.
3 Konrad Zwick.
4 Das Schloss Gottlieben war, wie der danach genannte Ort Arbon, Sitz eines bischöflich-konstanzischen Obervogtes.
5 Johann von Weeze.
6 nienen etwan untrüw brüchte: nicht etwa einen Verrat beginge.
7 bewaffnetes Volk.
8 unversechner sach: während man unbesorgt ist.
9 bald beschechen: rasch passieren (kann).
10 wol widerum zu erboren: mühelos rückgängig zu machen (ist); vgl. SI IV 1510 s.v. erbören.
11 erheblicher; s. Fischer II 351.
12 missbraucht.
13 befestigen.


Briefe_Vol_20-656arpa

Verzicht mir min untuchtig 14 schreiben. Wir thaind alls die sorgfeltigen: 15 Es ist die weht voll untrüw, 16 und waist sich nieman gnügsam zu verwaren 17 ! Ich wart yetz widerum 18 bottschafft by dem botten 19 , den ich euch geschickt hab.

Angli libellum 20 ist mir worden. Gott seye unser ewiger schutz und schirm. In il, 12. novembris.

A. Bl.

Es kompt minen herren noch kam schreiben noch antwurt von nieman. 21 Gott well, das kam butz 22 darhinder steck! Man wartet noch vyl mehr raisiger 23 zu Ravenspurg: 24 Hat gestert ain burger 25 von dannen hie anzögt; und das sy 26 die schlüssel zu den thoren by iren handen habind; und seye die gantz statt voller Spanier.

||1460v.b Jetz schickt mir der vetter diß zedelin. Ist erst von Ulm komen. Das schickt mir wider. Mögts abschriben, aber des j[unker] Besserers 27 namen nienen melden, sonder verkêren 28 .

[Ohne Adresse.]

b Dieser Nachtrag wurde auf der äußeren Seite des bereits versiegelten Briefes vermerkt, und Blarer vergaß dabei, die Adresse anzubringen.
14 ungeschicktes (auf den Stil bezogen, da Blarers Handschrift nicht schlechter als sonst ist).
15 Zu verstehen: Wir wollen nur auf die Gefahr hinweisen.
16 Vgl. TPMA XIII 45f.
17 schützen; s. Fischer 111402.
18 andererseits; s. Grimm XXIX 1352.
19 Der schon in Nr. 3073,36, erwähnte unbekannte Bote.
20 Siehe dazu zuletzt Nr. 3068,[1]. - Mit Anglus ist König Eduard VI. gemeint.
21 Vgl. dazu Nr. 3073,4-6. 42-44; Nr. 3088, Anm. 10.
22 List.
23 Soldaten der Kavallerie (des Kaisers).
24 Siehe schon Nr. 3073,7-9. 37-39.
25 Unbekannt.
26 Die Kaiserlichen.
27 Vermutlich Georg Besserer, der in Kontakt mit Konstanz stand; vgl. Nr. 2980, Anm. 11. - Der von Blarer beigelegte Brief datierte vom 8. November. Bullingers Abschrift davon (ohne Grüße und Unterschrift) wird in Zürich ZB, Ms A 43, aufbewahrt. Auf einem etwa A3 großen Blatt, das Bullinger quer faltete (dar-
aus entstanden die vier Seiten 23 bis 26 der Handschrift Ms A 43) wurde der hier erwähnte Brief auf den S. 23f abgeschrieben und am Schluss mit folgender Warnung Bullingers versehen: "Vermälde man nitt, das sölich schryben von Ulmm und Augspurg har lange." Danach folgt unter dem Titel "Uß Constantz 12. novembris, sampstags nach Martini" eine inhaltsgetreue Umschreibung vom vorliegenden Schreiben Blarers. Die vier Blätter wurden wie ein Brief zusammengefaltet. Anstelle der Adresse vermerkte Bullinger auf S. 26 (S. 25 ist leer): "Der keyser und bapst von deß consili und bapsthumbs wägen uneins. Nüw kriegsvolck. Güt sorg haben zu Gottlieben und Arben". Diese Abschrift und jene, die in Nr. 3076, Anm. 1, beschrieben ist, wurden einem Korrespondenten Bullingers leihweise gesandt, vermutlich an Oswald Myconius; s. Nr. 3082,40. - Der Brief vom 8. November war nicht von, sondern an Besserer gerichtet (in Bullingers Abschrift steht nur "juncker", ohne Namensangabe). Er wurde von einem Ratsherrn eines benachbarten Städtchens verfasst,