Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2139]

Johannes Gast an
[Bullinger]
Basel,
18. April 1545

Autograph: Zürich StA, E II 366, 234 (ohne Siegel) Ungedruckt

Gast ist von [Bullingers]Hilfsbereitschaft sehr berührt. Gewisse Leute würden ihn gern zugrunde richten, doch hält er sich tapfer. Der [Briefüberbringer] wird über Gasts Lage berichten. Schickt Osianders gegen die Zwinglianer gerichtete [,,Apologia"]. Hätte doch Theodor [Bibliander] diesen Mann in seiner [,,Relatio fidelis"] nicht so sanft behandelt, sondern offenherziger [gerügt]! Für eine lateinische Edition der Werke Oekolampads ist wohl niemand geeigneter als [Rudolf] Gwalther, der Zwinglis Werke so gut herausgegeben hat. Er wäre ein guter Übersetzer der Abendmahlsschriften, da er die dafür geeignete Terminologie noch gegenwärtig haben dürfte. Keinesfalls ist man dabei auf Bucers Ratschläge angewiesen! Entweder wird Gast Gwalther die [einzurichtende]Ordnung der Bücher mitteilen, oder Bullinger soll dies tun; ohne dessen Rat wird nichts unternommen. Oporin will [die Werke Oekolampads] drucken; wann, ist noch ungewiss. Auch Luthers Werke werden gedruckt. Gilbert [Cousin]fragte brieflich an, ob Bullinger sich über das Geschenk gefreut habe. Cousins Bruder wird einige Tage [in Basel bei Gast] zu Besuch sein. Wenn Bullinger Gilbert Cousin schreiben will, könnte er dies über den Briefüberbringer, den Bader [Jakob Schmid], tun. Gast hat Letzterem ein Taufzeugnis für dessen Sohn [Heinrich]ausgestellt. Einige wollen [Schmid] das [ihm zustehende] Geld nur auszahlen, wenn sie sicher sind, dass das Söhnchen lebt. Beiliegend das Taufzeugnis. Gruß an Bibliander, Pellikan und Gwalther. [P.S.:]Da Gast

g unnsern korrigiert aus unnserm.
h brudern über der Zeile nachgetragen.
i zwei über gestrichenem eins.
k ire über gestrichenem sein.
l zu über der Zeile nachgetragen.
m di korrigiert aus das.
18 Moritz und Johann Friedrich I. von Sachsen waren beide Cousins Philipps von Hessen. Zudem war Moritz der Schwiegersohn
Philipps von Hessen, dessen Tochter Agnes er 1541 geheiratet hatte.
19 Noch an demselben Tag (16. April 1545) erfolgte aus Kassel die Sendung des Buches an Kurfürst Johann Friedrich (s. Lenz II 339) und an Herzog Moritz (s. Moritz von Sachsen PK LIII 209, Nr. 676).
20 erwähntes.
21 verbergen.


Briefe_Vol_15_266arpa

der Meinung ist, dass Bullinger bereits Cochläus' "Epilog" gegen die "Antibole" besitzt, hat er diesen nicht geschickt. [Taufzeugnis:] Gast bezeugt, den am [13. März]geborenen Heinrich Schmid, Sohn des Basler Bürgers und Baders auf der "Kuttelbruck" Jakob Schmid, getauft zu haben. Das Kind ist gesund und munter. Im Taufbuch ist es auch eingetragen.

S. in domino. Quod me tam christiane meis in tentationibus 1 consolatus es, quod aedes tuas ac omnia, que possides, offers 2 ago tibi gratias immensas. Neque credas, quantam alacritatem literae tuae mihi dederunt et adhuc dant, quoties lego. Si quidam possent, ac id libenter facerent, me omnino perderent. Congerunt minutissima queque in mei odium, sed adhuc rupes immota sto 3 Fratres, quid in mea causa agunt, ipsi norunt. Verum brevi habebis vivam epistolam 4 imposita catastrophe 5

Mitto tibi spurcissimum libellum Cacosiandri 6 contra Zvinglianos scriptum 7 . Tu perpende, qua ignominia nostras ecclesias insomnis homo adficiat, quantis mendatiis commaculet. Annon tandem bestia illa digna, Ut a coloribus variis b depingatur? Theodorus noster 8 parum ac leviter eum attingit in suo libello 9 ; utinam apertius, ut sciret et nostris calamum esse!

Quis autem c Latinitati donaturus sit libellos Oecolampadii, 10 novi neminem nisi Gvaltherum vestrum, cui non difficilis labor sacramentaria scripta vertere, quum Zvinglii felicissime reddiderit 11 et tropos loquendi adhuc in promptu habeat. Buceri scholia aut consilium nullum volumus. Ordinem illi 12 nuntiabo, aut tu ordina libros; sine tuo enim consilio nihil agemus 13 Oporinus noster excudere vult, sed nescio quo anno; ingentia erunt volumina, ac requirunt magnas expensas. Utinam essent excusa! Lutheri opera iam etiam evulgabuntur. 14

a ut über der Zeile nachgetragen.
b variis über der Zeile nachgetragen.
c autem über der Zeile nachgetragen.
1 Gast war seines Amtes enthoben worden; s. zuletzt oben Nr. 2129 und Anm. 15.
2 Bullingers Antwort auf Gasts Klage vom 19. März (oben Nr. 2116) ist nicht erhalten.
3 rupes immota sto: Vgl. Vergil, Aeneis, 7, 586.
4 Jakob Schmid; s. unten Z. 24. 41.
5 Ablativ nach griechischer Deklination. — Imposita catastrophe: nach der aufgezwungenen Schicksalswende.
6 Zur Verballhornung des Namens "Osiander"s. HBBW XIV 376, Anm. 1; S. 411,4 und Anm. 5; S. 441, 14bund Anm. 10.
7 Osianders "Apologia"; s. oben Nr. 2065, Anm. 24.
8 Theodor Bibliander.
9 Zu Biblianders "Relatio fidelis", die am
15. März 1545 erschienen war, s. oben Nr. 2109, 14f und Anm. 10.
10 Zu dem von Gast gehegten (aber nicht ausgeführten) Wunsch einer lateinischen Gesamtausgabe der Werke seines Lehrers Oekolampad s. HBBW XIV 140f, 11f. 201. 203, 22f. 308, 24. —Zu Gasts Herausgabe einzelner Werke und Schriften Oekolampads s. ebd., Nr. 1848. 1859. 1942. 2038.
11 Die von Rudolf Gwalther herausgegebene erste lateinische Gesamtausgabe der Werke Zwinglis; s. oben Nr. 2069, Anm. 30.
12 Gwalther.
13 Vgl. Cicero, Epistuale ad Atticum, 6, 3, 3: sine tuo quidem consilio certe nihil.
14 Die zwölfbändige Ausgabe der deutschen Schriften Luthers erschien zwischen 1539 und 1559 (Bd. 1 erschien 1539; Bd. 2 1548; Bd. 3 1550; Bd. 4 1551; Bd. 5 1552; Bd. 6 1553; Bd. 7 1554; Bd. 8 1556; Bd. 9 1557; Bde. 10 und 111558; Bd. 12 1559).


Briefe_Vol_15_267arpa

D. Gilbertus 15 mihi scripsit 16 se vehementer cupere scire, num illius munusculum 17 tibi gratum fuerit et an hilari fronte acceperis. Frater illius 18 apud nos haerebit ad dies aliquot. 19 Si aliquid scribere illi constituisses, poteris per illum bonum virum, 20 qui has perfert quique me rogavit, ut illi testimonium dem, quod puerum illius 21 qui adhuc in vivis est, baptizarim. 22 Quidam 23 enim retinent apud sed pecunias nescio quas neque dare volunt, nisi certi sunt illius puerum adhuc vivere. Puero nomen est Heinricho; pater illius balneator.

Vale. Germanice scribam in alteram paginam, ut praelegas alus, qui illi incommodare conantur.

Basilea, 18. aprilis 1545.

D. Theodorum 24 et Pellicanum cum Rhodolpho 25 nomine meo salutabis, ac precor, ut pro me oretis dominum, quo possim ex iis malis emergere 26

Tuus Gastius ex animo.

||234v Choclaei scriptum, imo epilogum contra Antibolen, 27 fortassis habes. Alias misissem, quo in tempore solummodo illi per epistolam publicam responderes. Nam bestia cum omnibus doctis, qui nostro tempore vivunt, audet certare.

Vale iterum atque iterum.

d se über der Zeile nachgetragen.
Die siebenbändige Ausgabe der lateinischen Schriften Luthers erschien zwischen 1545 und 1557 (Bd. 11545; Bd. 2 1546; Bd. 3 1549; Bd. 4 1552; Bd. 5 1554; Bd. 6 1555; Bd. 7 1557). Luther verfasste eine auf 5. März 1545 datierte Vorrede zum ersten Band der lateinischen Schriften (WA LIV 176-187; Benzing/Claus 3490). Das Werk dürfte zur Frankfurter Frühjahrsmesse vorgelegen haben; s. Eike Wolgast, Die Wittenberger Luther-Ausgabe. Zur Überlieferungsgeschichte der Werke Luthers im 16. Jahrhundert, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 11, 1971, 1-336.
15 Gilbert Cousin.
16 Nicht erhalten.
17 Cousin hatte Gast ein Hemd aus einem Mischgewebe mit Seide für Bullinger übersandt; s. oben Nr. 2104, 17, und Nr. 2109, 1-3.
18 Es kommen in Frage: Hugo d.J., Antoine und Jean (Hugo d.A. war damals in türkischer Gefangenschaft); s. Pierre-André Pidoux de Maduère, Un Humaniste comtois. Gilbert Cousin, chanoine de Nozeroy,
secretaire d'Erasme (1506-1572). Etude sur sa vie, ses oeuvres et ses doctrines religieuses, Lons-le-Saunier 1910 (Nachdruck: Genf 1970), S. 43f; Dictionnaire de biographie française, Bd. 9, Paris 1961, Sp. 1062. Hier ist vielleicht Antoine gemeint, der sich anscheinend öfter in Basel aufhielt; s. HBBW XIV 324f, Anm. 3.
19 Schon im September 1544 war ein Bruder von Gilbert Cousin zu Johannes Gast auf Besuch gekommen; s. HBBW XIV 354,4 und Anm. 5, sowie ebd., Anm. 1.
20 Der Basler Bader Jakob Schmid; s. unten 41f.
21 Heinrich Schmid.
22 Siehe unten Z. 40-47.
23 Zürcher Familienangehörige von Jakob Schmid; s. unten Anm. 28.
24 Theodor Bibliander.
25 Gwalther.
26 ex ... malis emergere; vgl. Terenz, Andria, 560; Cornelius Nepos, De viris illustribus: Atticus, 11, 1.
27 Zu Johannes Cochläus' gegen Bullingers "Brevis greek" gerichtetem "Epilog" s. oben Nr. 2078, Anm. 4, sowie Nr. 2090, 13f und Anm. 8.


Briefe_Vol_15_268arpa

||235 Ich, Joannes Gastius, heisser zu S. Martin zu Basel, bekenn mit diser myner handtgeschrifft uß ansüchung meyster Jacobs Schmid 28 , bader uff der Kuttelbrucken, 29 burger zu Basel, zeiger dises brieffs, das dem genanten meyster uff fritag vor Letare 30 °ist ein kindt worden. Heist mit namen Heinrich, das ich getüfft habe, und ist noch uff hütt datum gsundt und frisch.

Geben uff den 18. tag aprilis 1545.

Diss hab ich wellen anzeigen uß anrüffung meyster Iacob 31 . Diß alles ist ouch geschriben imm touffbuechlin 32 .

Basilea.

28 Jakob Schmid war ursprünglich ein Zürcher Bürger. Um 1536 heiratete er Elisabeth Baghart (Baaghart); s. Carl Keller-Esche r, Promptuarium genealogicum, Bd. 6 (Zürich ZB, Ms Z II 6), S. 987. Spätestens 1538 sind er und seine Frau (die in den Basler Akten stets nur unter ihrem Vornamen erwähnt wird) in Basel nachgewiesen, wo sie am 17. Juni die Tochter Gertrud zu St. Martin taufen ließen. Am 14. Juli 1543 wurde "Jacoben Schmid dem bader von Zurich"das Bürgerrecht Basels zuteil; s. Basel StA, Zivilstandskartei; Weiss, Bürgerregister (Typoskript), 338. In dem in Anm. erwähnten-Eintrag des Taufregisters von St. Martin wird er bloß als "bader" bezeichnet, doch bei der am 31. August 1550 vollzogenen und im gleichen Register verzeichneten Taufe seines Sohnes Oswald (dessen Pate Oswald Myconius war) wird er als "Iacob Schmid, der bader uff der Kuttlenbrucken"erwähnt (s. Basel StA, Kirchenarchiv, W 12/1, f. 79v.). 1550 geriet er erneut in finanzielle Schwierigkeiten, wie dies aus der damaligen Frönung (=Beschlagnahmung) seines Hauses und seiner Badestube hervorgeht (s. Basel StA, Hist. Grundbuch, 1501-1550, unter "Schmid, Jac., Rüdengässlein"). Herrn Beat Rudolf Jenny sei für die Basel betreffenden Ermittlungen herzlich gedankt. —Jakob Schmid ist wohl mit den aus Turbenthal (Kt. Zürich) nach Zürich zugewanderten Jakob (Schuhmacher), Heinrich (Bader) und Gabriel (Schuhmacher) Schmid verwandt, welche sich 1519/20 in Zürich einbürgern ließen; s. Erhard Dürsteler, Zürcher Geschlechterbuch, Bd. 7 (Zürich ZB, Ms E 22), f. 85v; Keller-Escher, aao.
29 Kuttel/Chuttle, Eingeweide, Gedärme. — Als "Kuttelbruck" bezeichnete man die auf der Rüdengasse (früher Rüdengässlein oder Kuttelgeßlin) über den Birsig gespannte Brücke. Sie wurde so genannt, weil sich darauf eine Zeitlang das Kuttelhaus befand, in dem die Kuttler (Innereien-Metzger) ihren Markt abhielten; s. Gustav Adolf Wanner, Zunftkraft und Zunftstolz. 750 Jahre Basler Zünfte und Gesellschaften, Basel 1976, S. 146. Aus dem "Hist. Grundbuch, 1501-1550"(Basel StA) erfährt man, dass bereits 1535 das Gebäude als Badehaus benutzt wurde, was --ebenfalls-dessen Verwendung-als "Wasch[= Bade-; s. SI 1737f] und Holzhaus" zur Zeit von Felix Platters Stadtbeschreibung Basels (1610) bestätigt; s. Felix Platter, Beschreibung der Stadt Basel 1610 und Pestbericht 1610/11, hg. v. Valentin Lötscher, Basel/Stuttgart 1987 — Basler Chroniken 11, S. 408, Nr. 2036, und die damit veröffentlichte Beilage: Valentin Lutscher, Planheft der Stadt Basel, Basel/Stuttgart 1987, Nr. 15. Aus dem Planheft und dem Grundbuch geht hervor, dass Schmids Wohnhaus, die "Hinder Waldtshüt", sich schräg gegenüber der Badestube befand.
30 Am 13. März 1545, entsprechend dem im Taufbuch (s. unten Anm. 32) angegebenen Freitag nach Oculi.
31 uß anrüffung meyster Iacob: auf Ersuchen von Meister Iacob hin.
32 Der Eintrag ist (ohne Erwähnung des Namens von Jakob Schmids Ehefrau) im Taufbuch von St. Martin überliefert; s. Basel StA, Kirchenarchiv, W 12/1, f. 53v.