Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2596]

Johannes Haller
an Bullinger
Augsburg,
22. September [1546]

Autograph: Zürich StA, E II 370a, 528f (Siegelspur) Ungedruckt

Am 18. September empfing Haller Bullingers Briefe vom 7. [Nr. 2571] und vom 8. September [nicht erhalten]. Das darin Versprochene ist nun wahr geworden! Denn heute, als er Bullinger schreiben wollte, trafen die [Zürcher]Pfarrer [Lorenz]Meyer, [Rudolf]Schwyzer und [Thoman] Ruman in Augsburg ein. Auf den Rat des Stadtschreibers [Georg Frölich] hin überbrachte Haller den für den Augsburger Senat bestimmten Brief [des Zürcher Rates] an den Bürgermeister [...]. Bei diesem hielt sich gerade [Wolfgang] Musculus auf der von der Berufung [der drei Zürcher] ebenso wenig wusste wie damals von Hallers Ruf nach Augsburg. Musculus, dem der Bürgermeister nun alles erklärte, schien darüber nicht sehr erfreut, schwieg aber. Der Bürgermeister bat ihn, die Ankömmlinge zu begrüßen und auch ein Treffen mit den anderen Pfarrkollegen [zu organisieren]. Er sagte ferner, dass er morgen den Brief dem Rat vorlegen werde. Erst dann werde man wissen, wo die neuen Kollegen angestellt werden. Musculus begleitete dann Haller zu dessen Wohnung und begrüßte die Zürcher freundlich. Haller lud ihn, [Michael] Keller, [Bernardino] Ochino und Georg Frölich für morgen zum Mittagessen ein. Da wegen des bevorstehenden Krieges die Lage sehr prekär ist, werden die Neulinge zunächst in der Stadt mithelfen. Haller verweist Bullinger auf den Brief [Nr. 2594] von Georg Frölich, da dieser über den Stand der Dinge viel mehr erfährt als Haller. Frölich wird aber noch nicht gemeldet haben können, wie am 19. September um vier Uhr nachmittags Neuburg [a.d. Donau] sich infolge eines Verrats dem kaiserlichen Heer widerstandslos ergab. Den drei Fähnlein der [Schmalkaldener] in der Stadt wurde freier Abzug mit ihren Waffen zugesichert. Doch als die Kaiserlichen die Stadt unter Kontrolle

a In der Vorlage salutante. —
b Darunter von Bullingers Hand: Remitte has per praesentem tabellionem, was darauf hinweist, dass Bullinger vorliegenden Brief einer anderen Person zum Lesen weitergeleitet hat, möglicherweise an Oswald Myconius; vgl. nämlich Nr. 2514, Anm. 1; Nr. 2602, Anm. b.
23 Entgegen den Bestimmungen des Friedensabkommens von Juni 1546 (s. Nr. 2470, Anm. 15) hatte Frankreich im August mit dem Bau von Befestigungsanlagen nahe Boulogne begonnen, was englischen Widerstand hervorrief; s. Potter 468.
24 genau. Das Jahr ergibt sich aus dem Inhalt des Briefes, u.a. aus dem Bericht unten Z. 27-40 über die Einnahme von Neuburg a.d. Donau.


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hatten, nahmen sie den Fähnlein alles ab und entließen die Söldner nackt, mit Ausnahme der [drei] Hauptmänner, die sie gefangen zurückhielten. Sie tobten dann in der Stadt, töteten einige Bürger und schändeten die Frauen, von denen einige starben. Dann drangen sie in das Territorium Ottheinrichs ein und vergewaltigten auch dort die Frauen. Wie lange wird Gott das noch mit ansehen? Die trägen "Bäuche" [der Schmalkaldener], die kaum drei Meilen entfernt lagen, hätten das verhindern können, unternahmen aber nichts! Sie behaupten, dass man den Kaiser [Karl V.] weder hätte angreifen noch schlagen können, und dass sie ihn gewähren lassen würden, um ihn besser hervorlocken zu können. Haller fürchtet aber, dass dieses Versäumnis schlimme Folgen haben wird. Es wäre viel besser gewesen, wenn man Bayern angegriffen hätte! Man wollte aber den "Saufürsten" [Wilhelm von Bayern] schonen! Nun wird dieser vom Kaiser selbst gestraft, denn sein Land wird verwüstet, und dessen Bewohner werden von den [Italienern und Spaniern]ausgeplündert. Was die Herrscher sich ausdenken, müssen die einfachen Leute büßen! Die fremden Truppen liegen [nur noch] zwei Tagesmärsche von Augsburg entfernt. Die Augsburger Obrigkeit hat [deshalb] alle Brücken über den Lech zerstört und die Überquerung der Furten unmöglich gemacht. Die Bevölkerung, die teils mit ihrem Vieh in Richtung Augsburg flieht, schafft es also nicht mehr über den Fluss. Etliche schwimmen hinüber. In Augsburg ist demzufolge alles teurer geworden. Letzte Nacht kamen Verwandte von Michael Keller, die aus Bayern flüchteten und nicht wissen, wo ihre Frauen und Kinder sind. Das Volk sucht in den zahlreichen Sümpfen Zuflucht. Es geschähe Bayern ganz recht, dass es von seinen Verbündeten, den Spaniern, gestraft wird; wenn nur das arme, unschuldige Volk nicht wäre! Hoffentlich wird es den Frauenschändern bald so ergehen wie den Benjaminitern! Der [schmalkaldische] Haufen liegt bei Donauwörth. Er bringt nichts zustande. Mit dem "Bauch" von Sachsen [Kurfürst Johann Friedrich] kann man nichts erreichen. Landgraf [Philipp von Hessen] und [Sebastian] Schertlin sind hingegen sehr emsig. Hätte man auf [Schertlin]gehört, dann wäre man jetzt weitergekommen! Als er den Rat gab, Ingolstadt zu besetzen (da diese Stadt sich bereits ergeben hatte), ehe man nach Regensburg weiterzöge, hörte man nicht auf ihn. Der Sachse duldet nämlich seine Ratschläge nicht. Auch die Angelegenheit des Thomas Naogeorg beunruhigt Haller. Er schrieb schon darüber [Nr. 2576]. Die Augsburger hatten Naogeorg vor zwei Jahren berufen. Damals ließ ihn der [Kurfürst von Sachsen] nicht gehen. Inzwischen wurde er von den Wittenberger Theologen zum Ketzer und Schwärmer erklärt. Er kam deshalb nach Augsburg, wo er predigte und dem Volk gefiel. Der Augsburger Rat bat daraufhin den Kurfürsten brieflich, Naogeorg behalten zu dürfen. Nach langer Zeit kam die Antwort: Er müsse verhaftet werden, weil er nicht glaube, dass der Leib Christi sich wahrhaft im Altarsakrament befinde und alle getauften Kinder den Heiligen Geist empfingen! Zweifellos wollte der Kurfürst Naogeorg schriftlich dazu verpflichten, künftig nichts gegen diese Dummheiten zu lehren oder zu schreiben. Der Augsburger Rat wartete dann [mit seiner Antwort] ab, bis Naogeorg heimlich in einem Dorf [Lauingen] untergebracht wurde. Dort halten ihn nun die Augsburger auf ihre Kosten versteckt. Seiner Frau [Margaretha Hinzenhauser?] wurde per Bote [...]mitgeteilt, den Hausrat zu verkaufen und nach Augsburg zu ziehen. Bullinger möge für Naogeorg nach einer Stelle Ausschau halten, zumal seine Schriften es waren, die Naogeorg zu einer anderen Auffassung brachten! Um sich mit dem Kurfürsten nicht anzulegen, können die Augsburger ihn jetzt nicht berufen; nach dem Krieg aber wohl schon. Ein französischer Adliger [Philippe de Fresnes], der vor einigen Tagen in Augsburg war und im [schmalkaldischen] Heer dienen wollte, wurde am 16. September auf dem Weg dorthin von einigen Edelleuten aus Lothringen in einem Wirtshaus umgebracht. Zwei der Täter wurden gefangen genommen. Der Leichnam des Ermordeten wurde am 18. September in Augsburg beigesetzt. Es geht das Gerücht um, dass der Zürcher Rat einige Fässer mit Gift geöffnet und beschlagnahmt hätte. Solches wird aber weder durch Bullingers Briefe noch durch die drei [eingetroffenen] Zürcher bestätigt. Diese erzählen lediglich, dass die Ladung durch Zürich fuhr, nicht aber abgefangen wurde. Haller hat einen Druckbogen des Lukaskommentars doppelt erhalten. Der darauffolgende mit den Seiten z2r. [bis z5v.]fehlt dafür. Bullinger soll ihm diesen zukommen lassen. Er hat durch [den Boten Hans] Großmann eine für Heinrich Schöner bestimmte Sendung mit dem ledernen [Sack] geschickt. Den Begleitbrief an Schöner hatte er vergessen und legt ihn hier bei. Da viele


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neue [eidgenössische] Söldner zugelaufen sind, errichtete Augsburg ein neues Fähnlein, dem Jakob Reinhart als Hauptmann vorsteht und in das Bullingers Cousin Michael Hedinger aufgenommen wurde. Dieser ist gerade von der Klause [Ehrenberg] mit einem Auftrag nach Augsburg gesandt worden. Er berichtet Folgendes: Die Klause ist von den Tirolern besetzt. Davor liegen 13 Fähnlein mit Eidgenossen und einige mehr mit Landsknechten, die zusammen den Ausbruch aus der Klause verhindern. Die eidgenössischen Söldner sind diszipliniert und tapfer, ihre Hauptleute taugen aber nichts, da sie unerfahren sind. Sie werden deshalb von den [Schmalkaldenern] verspottet. Sie wollen alle reich werden, pro Monat mindestens 1'000 Gulden Gewinn machen, und sie plagen ihre Söldner. Nach den Prinzen tragen sie nur für sich Sorge. Graf Wilhelm von Fürstenberg ist jetzt auch beim [schmalkaldischen] Haufen. [Rudolf] Gwalther hat sein Buch "Der Endtchrist"geschickt und schon zweimal [an Haller] geschrieben. Bullinger soll ihm Hallers Dank ausrichten. Bald wird Haller ihm auch schreiben. Haller wird versuchen, Bullingers Wunsch, Lorenz [Meyer] in Augsburg unterzubringen, nachzukommen. Sollte dies nicht möglich sein, wird Haller für diesen eine Anstellung in Kaufbeuren befürworten. Er fürchtet nämlich, dass Meyer für die gebildete Bürgerschaft Augsburgs nicht genügend vornehm und zu direkt sein könnte. Zunächst aber muss man abwarten, was diesbezüglich beschlossen wird. Grüße.

Salus et pax a deo patre per dominum nostrum lesum Christum. 18. huius mensis duae mihi abs te allatae sunt epistolae, quarum altera 7. 2 septembris, altera 8. 3 data erat, in quibus quod promittis, 4 hodie praestitum est. Advenere enim hodie, cum iamiam accinctus essem ad scribendum tibi, dilecti fratres nostri Agricola 5 , Svittzerus 6 et Romanus 7 , quorum praesentia plurimum exhilaratus sum. Literas, quas habuerunt ad senatum, 8 quoniam ipsi ambulando nimium erant defessi, mihi tradiderunt a , ut consuli 9 offenem; id quod et archigrammatei 10 consilio factum est. Cum ergo ad consulem venirem, forte fortuna apud ipsum invenio d. Musculum, cui hactenus ignoranti hanc vocationem (sicut et meam ignoravit) b11 omne negotium exponit consul me praesente maxime Tigurinae urbis extollens diligentiam et benevolentiam. Musculus, cui negotium parum placere videbatur, cogebatur tamen me praesente tacere et consuli commendanti assentire. Commisit ergo consul, ut eos convenirent, etiam alii ministri 12 et ut cum fratribus 13 familiariter colloquerentur. In crastinum enim demum literas senatui se propositurum, unde debeamus expectare responsum, quid amplius cum iis agendum

a di über der Zeile nachgetragen.
b Klammern ergänzt.
2 Nr. 2571.
3 Nicht erhalten.
4 Nämlich Pfarrer nach Augsburg zu senden.
5 Lorenz Meyer (Agricola).
6 Rudolf Schwyzer d.J.
7 Thoman Ruman.
8 Der Begleitbrief des Zürcher Rats an den Augsburger Rat. — Die Sendung der Zürcher Pfarrer wurde vom Augsburger Rat mit zwei auf Pergament verfassten und an den Zürcher Rat gerichteten Briefen am 23. September und am 8. Oktober verdankt (Zürich StA, A 202/1, Nr. 17f).
9 Einer der amtierenden Bürgermeister, Georg Herwart oder Simprecht Hoser, vielleicht aber auch (vgl. Nr. 2534, Anm. 10) einer der Altbürgermeister, Jakob Herbrot, oder (was noch wahrscheinlicher scheint) Hans Welser zu dem Haller eine gute Beziehung hatte.
10 Georg Frölich.
11 Vgl. HBBW XV 637,27f und Anm. 12; 650,19-23.
12 Zu deren Namen s. Nr. 2560, Anm. 46.
13 Gemeint sind die aus Zürich gesandten Pfarrer.


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sit. Recta ergo d. Musculus a consule mecum ad aedes meas, ubi expectabant illi, ibat et humaniter eos excepit. In crastinum vocavi c ad prandium c eum, Cellarium 14 , Bernardinum 15 et archigrammateum. Tunc amplius colloquemur. Quid futurum sit cum eis, ignoro adhuc. Dum bellum adhuc in procinctu est 16 et certe dubium sit adhuc, quamvis aliam eius 17 faciem speremus nos mox visums. reservabuntur in urbe omnes, nobis collaboraturi, donec deus his malis finem dederit.

Qualiter enim negotium se habeat, diligentissime, ut mihi dixit, perscripsit 18 dominus archigrammateus, eorum etiam gnarus consiliorum, quae non nisi raro secreto ad me perveniunt. Ad illum ergo te relego.

Hoc unum volo addere, quod ipse in suis forte non habet, 19 quia ante biduum scripsit, nempe quod 19. septembris 20 hora pomeridiana 4. caesaris exercitus (licet non omnis, maior tamen pars) oppidum Neoburgum 21 aperientibus ei civibus et proditione quadam facta ingressus est nullo resistente. 3 vexilla sive cohortes nostrorum in oppido fuerunt, quibus liberum promisere cum omnibus facultatibus discessum. Superiores tamen ipsis facti omnes diripuerunt et nudos captis tamen capitaneis 22 dimiserunt. Inde miserabiliter in cives grassantes paucos quidem occiderunt, sed, longe crudelius cum ipsis agentes, matronas, 23 virgines (da veniam turpi dicto, de qua re honeste nemo loqui potest) continuis successibus constuprarunt, ut mortuae nonnullae sint inventae. 24 Idem postea fecerunt erumpentes in agrum ditionis Ottonis Heinrychi: Virgines et mulieres rusticas exuentes, quotquot eis placuerunt, ad nephanda secum abripuerunt opera. O deus, quam diu haec pateris et aspicis? 25

c-c Über der Zeile nachgetragen.
14 Michael Keller.
15 Bernardino Ochino.
16 Man befürchtete damals besonders einen Angriff auf Augsburg; s. Nr. 2588,42f; Nr. 2594,60-63; unten Z. 55-62.
17 belli.
18 Mit Nr. 2594 vom 20. September.
19 In Nr. 2594,57-59, wurde tatsächlich nur die Nachricht von der beginnenden Belagerung vermittelt.
20 So auch bei Weissmann 116.
21 Neuburg an der Donau.
22 Die Hauptleute der schon in Nr. 2576, Anm. 83, erwähnten drei Fähnlein waren: Veit Ritter von Augsburg, Simprecht Lenk, Richter von Burgheim (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen), und möglicherweise (jedoch nicht laut allen Quellen) Jörg Podigkofer vom Bodensee; s. Weissmann 113. Einem Gerücht zufolge wurden diese gehenkt (s. PC IV/1 405 vom 26. September), was jedoch mit Weissmann 116f in Widerspruch steht.
23 Darunter auch zwei Pfarrersfrauen, deren Männer entmannt wurden; s. PC IV/1, 437, Anm. 8 (aus einem Brief Bucers von Mitte Oktober 1546), und Heinrich Thomann an den Zürcher Rat, 21. September 1546 (Zürich StA, A 177, Nr. 39), wo allerdings nur von einem Pfarrer die Rede ist.
24 Weissmann 166f weiß zu berichten, wie am Samstag, 20. September, die drei Fähnlein trotz des ihnen versprochenen freien Abzuges gedemütigt wurden und Plünderungen in der Stadt verübt wurden. Er teilt mit, dass die Ereignisse dieses Tages als "Schmach von Neuburg" in die Geschichtsschreibung eingingen. Doch blieb Weissmann die hier überlieferte Nachricht über die Vergewaltigungen der Frauen Neuburgs unbekannt. Sie wird ebenfalls in dem Brief von Thomann an den Zürcher Rat, [Ende]September 1546 (Zürich StA, A 177, Nr. 40) mitgeteilt.


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Nostri interim ventres 26 (ne quid gravius dicam) vix tribus abfuere miliaribus 27 et haec omnia praevenire potuissent, sed nihil fit! Vereor, ne mora haec magnum malum nobis datura sit et harum turpitudinum nos poenas, qui non prohibuimus, persoluturos. Praetexunt illi hanc causam: Der keiser 28 ligg in eim 528v || selchen vortheil, das er weder anzgriffen noch zu gwünnen sye. 29 Dorumb das 30 man inn freidig 31 mach und herfür löke, so laß man imm selichs 32 zu, das man inn uß dem näst bring. So 33 werd man imm den lon gen. Quod consilium mihi non videtur ex spiritu proficisci divino. Sond 34 wir uns selb mitt der schand helffen, so erbarms gott! Man hett inn wol in sim loch usghüngeret, hett man wellen das Peyerland angriffen. 35 Aber der süwfürst 36 ist uns zlieb.

Jetz gipt imm der keiser selb den lon, dann imm all sin land usgetzt 37 , erößt 38 , die armen lüt von den Weltschen 39 glich als wol 40 beraupt werdendt wyb und kinden, als werend si unser religionsverwannten. 41 Ita, quicquid delirant reges, plectuntur Achivi. 42 Die Wältschen streifend imm Peyerland biß uff 2 mes wegs 43 uff Augspurg zu. Mine herren habend alle bruggen amm Lech, so daß Peyerland bschlüßend 44 abgworffen, 45 alle fürt verfürt 46 Und flücht das arm volk imm Peyerland zuhin 47 , tribend ir vich, woltend gern gen Augspurg, so könnends nitt über das wasser kan 48 . Vil schwimmend durhin. Videres miram miseriam! So schlats als uf 49 50 , so uß dem Peyerland nüt me zu gat: holtz, saltz, überus thür, etc. Werdends dinnen 51

25 Vgl. u.a. Ps 89 (Vuig. 88), 47; Apk 6, 10.
26 Damit wird u.a. Johann Friedrich I. von Sachsen angeprangert; vgl. Nr. 2576,79— 81; und unten Z. 71.
27 Nämlich in der Nähe von Donauwörth; s. Nr. 2595,8.
28 Karl V.
29 Vgl. eine ähnliche, aber ausführlichere Erklärung in PC IV/1 405 (vom 26. September).
30 Dorumb das: Damit.
31 furchtlos.
32 Solches.
33 Dann.
34 Sollten.
35 Dies entsprach einem unberücksichtigt gebliebenen Plan Sebastian Schertlins, des Landgrafen und des Herzogs Ulrich von Württemberg von Mitte August. Der sächsische Kurfürst, wie auch die Städte Ulm und Straßburg, widersetzten sich diesem Vorhaben, indem sie einen Angriff gegen den in Regensburg liegenden Kaiser befürworteten; s. Paulus, Schertlin 64. —Vgl. ferner unten Z. 72.
36 Wilhelm IV. von Bayern.
37 abgeweidet, leer gefressen (wird).
38 verwüstet; s. SI I 549.
39 Italiener und Spanier.
40 glich als wol: genauso. 41 Vgl. Nr. 2602,106-114.
42 Horaz, Epistulae, 1, 2, 16.
42 2 mes wegs: Gemeint sind zwei Tagesmärsche eines Heeres, d.h. etwa 28 bis 40 km, was also eine Stellung dieser Truppen in der Umgebung von Pöttmes vermuten lässt; vgl. Nr. 2594,60f und Anm. 43.
44 hier wohl im Sinne von: zugänglich machen (vgl. FNHDW III 1712. Nr. 6: einbegreifen).
45 Belegt durch Roth, Augsburg III 440f; August von Druffel in Viglius van Zwichem 117, Anm. 51.
46 fürt verfürt: die Durchquerung der Furten unmöglich gemacht.
47 herbei; s. SI II 1360.
48 = gan: gehen.
49 So schlats als uf: So wird alles teurer.
50 da.
51 in Augsburg.


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auch engelten 52 . Venerunt hac nocte ad Cellarium quidam cognati ipsius, transfugae ex Bavaria, incerti, ubi sint yel uxores yel liberi. Confugit populus in die möser 53 , deren das Peyerland voll ist. In summa: Peyerland wirt wol gestrafft, auch von iren fründen, den Spangeren 54 ! Inn gschech recht, wenn nun das arm unschuldig volk nitt were! Gott well sich ir und unser aller erbarmen. Amen.

Ich hoff, es werd nach 55 den wyberschenderen gan wie den Beniaminitern, 56 obschon wir vorhin auch etwas innemmen 57 müßennd wie Israel.

Unser huff ligt by Werd 58 . Glaub, das si gufen spitzend 59 , dann ich hör nüt von inen Der venter von Sachsen 60 hatt den ritten 61 ; man kan nüt vor imm schaffen. 62 Der landtgraf 63 ist empsig, deßglich der Schertlin 64 über die maß. So man imm gefolgt, stündend wir schon in ruw. Dann sin rat nitt ist gsin, das man gen Regenspurg züch und Ingolstatt liggen laß unbsetzt, das sich doch schon ergeben hatt. 65 So wer der sach schon ghulffen. Aber was er rat, mag der Sachs nitt lyden. Clamabimus ad dominum, sonst acht ich nitt, das wir vil glücks werdind haben.

Accedit enim aliud argumentum, quod mihi hoc persuadet et me (non tam perturbatum quam de omni totius belli eventu) d sollicitum reddit, scilicet doctissimi piissimique viri d. Thomae Naogeorgi negotium, de quo nuper tibi scripsi. 66 Is ante biennium a nostris vocatus veniam tamen ab electore 67 , sub quo egit, impetrare non potuit. Interim a theologis illis Wittenbergensibus mirum in modum vexatus et pro haeretico et schwermero proclamatus est. Nunc itaque absente principe ad nos profectus est, si forte ex hoc possit liberari pistrino. Augustam ubi venit, concionatus est. Placuit populo. Scripsit senatus electori 68 rogans, ut eum concedat ipsis. Diu responsum expectatum tandem tale venit: Quia non credat verum domini corpus esse in sacramento altaris, adhaec non omnes infantes baptizatos accipere spiritum sanctum, 69 ideo in vincula coniiciendum. ||529r. Voluit procul dubio extorquere

d Klammern ergänzt.
52 dafür bezahlen (den Nachteil tragen müssen).
53 Sümpfe; s. Fischer IV 1766.
54 Spaniern.
55 danach.
56 Anspielung auf die in Ri 19f geschilderte Begebenheit. —Vgl. Nr. 2601,4-8.
57 einstecken. —Vgl. Nr. 2572,52-55.
58 Donauwörth. — Siehe schon Anm. 27.
59 das si gufen spitzend: dass sie die Zeit vertun; s. SI II 608.
60 Johann Friedrich I.; s. schon Anm. 26.
61 hatt den ritten: ist verflucht, oder (noch wahrscheinlicher): bringt Unglück; vgl. SI VI 1722.
62 Gemeint ist: nichts gelingt in seiner Anwesenheit.
63 Philipp von Hessen.
64 Sebastian Schertlin.
65 Gemeint ist: Schertlins Rat war es, Ingolstadt, das sich schon ergeben hatte (s. Nr. 2537, Anm. 6; Nr. 2548, Anm. 13; Nr. 2558, Anm. 65) zu besetzen, ehe man weiter nach Regensburg ziehen würde.
66 Mit Nr. 2576,62-69, vom 9. September. — Zu den letzen Ereignissen ihn betreffend s. Nr. 2594,44-56.
67 Johann Friedrich I. von Sachsen. — Siehe dazu schon Nr. 2576, Anm. 66.
68 Ein Brief, dem wohl das bezeugte Schreiben Naogeorgs an den Kurfürsten vom 28. August 1546 (s. Friedrich, Kirchmair 98 und Anm. 46) beigelegt wurde. Vgl. auch Nr. 2594 und Anm. 32.


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ab eo chirographum et obtestationem, ne contra ipsorum nugas vel doceat vel scribat. Senatus data opera moram fecit, donec abire posset. 70 Noluerunt enim in his turbis maiores excitare turbas. Itaque clam dimisimus eum, et nostris sumptibus conservamus eum in loco quodam nobis vicino, 71 ubi satis tutus est. Interim nuncium misimus ad uxorem 72 eius, ut ocius omnibus rebus divenditis ex ditione electoris secedat et tandem huc se conferat. Interim te rogatum volo, venerande pater, prospice illi in superioribus partibus de aliqua conditione. Est syncerus, doctus, pius. Et profecto tuum est hoc facere; libere enim fatetur ex tuis se conversum scriptis, qui prius etiam haereticos censuerit, qui contra sentirent. A nostris hoc tempore vix recipietur, ne in e electoris incidant offensam. So der strudel überhin wer, acht ich, wurd er wider berüfft 73 werden.

Superioribus diebus venit huc quidam 74 ex primatibus Galliae nostro accessurus et serviturus exercitui. Hunc ad duo milliaria ab urbe egressum observarunt quidam Lotharingienses comites et nobiles et in hospitio quodam circumvenientes trucidarunt. 75 Duo ex ipsis ab exercitu capti. Cadaver eius huc vectum et honorifice sepultum est. 16. septembris factum, 18. sepultus est.

Venit praeterea ad nos constans rumor Tigurum aliquot veneno plena pervenire dolia ibique a magistratu aperta et conservata. 76 Tuae autem nihil de his aiunt literae, neque fratres 3 77 quicquam de his dicunt, nisi quod transient Tigurum, non tamen interceptum sit.

Ich schick üch hie ein bogen 78 uß dem Luca 79 , so ir mir gschickt. f Ist zu vil f . Dargegen hab ich einen zwenig, nammlich der nechst, so in den ghört: z2. Hept an: "nempe", hört uf ab 80 8. libri commentariorum. 81 Den wellt mir zwegen bringen 82 .

e in fehlt in der Vorlage -
f-f Über der Zeile nachgetragen.
69 Diese zwei Beschuldigungen wurden ihm ebenfalls während seines Prozesses in Weimar am 26/27. August vorgehalten; s. Friedrich, Kirchmair 97.
70 Vgl. auch Nr. 2594,48-53. 71 In Lauingen; s. Nr. 2594, Anm. 34.
72 Vielleicht Margaretha (alias Katharina?) Hinzenhauser; s. Nr. 2594, Anm. 39.
73 Gemeint: Von Augsburg.
74 Philippe de Fresnes (,,Philipsen hern zu Frehn"); s. PC IV/1 390, Nr. 366.
75 Die Tat wurde vermutlich von François de Chatillon, sieur d'Andelot, verübt, dem Bruder von Gaspard II. de Coligny (welcher 1552 Admiral wurde); s. PC IV/1 390, Nr. 366, Anm. 2.
76 Vgl. Bullingers Warnung vor dem Gift (mercurius sublimatus) in Nr. 2570. Diese
Nachricht erscheint hier in entstellter Form.
77 Die drei aus Zürich eingetroffenen Pfarrer; s. oben Z. 3-6.
78 Gemeint ist, wie aus dem Folgenden hervorgeht, der Bogen mit den Seiten y3r./v., y4r./v., z.1r./v. und [z6]r./v.
79 Bullingers Lukaskommentar; s. Nr. 2545 und Anm. 2.
80 mit dem Schluss von; vgl. SI I 29f.
81 Es fehlte ihm also der innere Bogen der Lage z, der mit Seite z2r. (die tatsächlich mit dem Wort "nempe" anfängt) beginnt und mit Seite [z5]v. (wo tatsächlich Buch 8 zun Schluss kommt) endet. Auf Seite [z6]r. fängt dann Buch 9 an.
82 zwegen bringen: verschaffen; s. Fischer VIII 1407f; SI XV 889 (unter 1 a a).


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Ich hab üch auch znechst 83 ein bündeli gschickt inn dem läder 84 bi 85 dem Großman 86 . Ghört dem Heinrich Schöner. Und den brieff, so darzu gehört, uß vi vergeßen. Den schick ich auch hiemitt, das er imm werde.

Michel Hedinger, üwer vetter, wer bi uns angnommen. 87 Diewyl aber so vil redlicher Eidtgnoßen nahin gloffen 88 , die noch kein dienst ghept, habend mine herren bi den obersten erworben, das man noch ein fennli Eidtgnoßen uf hatt gworffen 89 . Darüber ist Jacob Reinhart 90 als ein Züricher hauptman. Bi demselben ist jetz Michael. Gat imm wol Ist hütt harkon von der Kluß 91 , etwas uszurichten. Laßt üch alle vast grüßen.

Bi der Klus, sagt er mir, stands also: Die Tiroler habends inn. Sind aber 13 fennli Eidtgnoßen und etliche landtsknecht, die liggend inen vor dem loch, das si nitt konnend usher kon. Die houptlüt der Eidtgnoßen sind nüt wert. 92 Ir keiner nie kein houptman gsin. Die unseren spottend iren: Könnend und wüßend nüt 8 . Das macht si bin kriegslüten veracht. Der gmein man ist gutwillig, halt sich wol hatt bin jederman groß lob der zucht und fründtlikeit halb. Aber an houptlüten felt es. Si wend 93 all rych werden, schindend die knecht jemerlich. Nun gitt man inen herrlich bstallungen, aber si meinend, wenn si nitt all monet 1'000 gl. fürschlahend 94 , so sye es nüt. Interim negligunt, quae ad bellum. Cavent sibi post principia; darumb redet man inn übel. ||

529V Graff Wilhelm von Fürstenberg ist jetz auch bi unserem huffen. 95 D. Gvaltherus suum mihi misit Antichristum 96 et bis jam scripsit 97 . Agito ipsi gratias. Nunquam profecto ita antichristum cognovi, sicut ex hoc libelo! Scribam ipsi, quamprimum propter negotia potero. 98

Velles, ut d. Laurentium in urbe conservaremus, qua in re dabo operam, si non hic h maneat ut h tamen Kaufbüram veniat. 100 Hoc unum in eo desydero,

g nüt über der Zeile nachgetragen.
h-h neat, ut über der Zeile nachgetragen.
83 vor kurzem.
84 Wohl ein lederner Sack; vgl. Nr. 2585,56.
85 mit.
86 Hans Großmann; s. Nr. 2552, Anm. 2.
87 Vgl. Nr. 2576,50-55.
88 nahin gloffen: sich daraufhin als Söldner anwerben lassen wollten.
89 uf hatt gworffen: aufgestellt hat; s. SI XVI 1393.
90 Siehe Nr. 2548, Anm. 31.
91 Klause Ehrenberg.
92 Vgl. Nr. 2574,49f, und die dort in Anm. 42 angeführten Verweise.
93 wollen.
94 Gewinn machen; vgl. SI IX 456.
95 Vgl. PC IV/1 380, Nr. 359; 395, Nr. 372; 406, Nr. 380; 417, Nr. 391; Wagner, Fürstenberg 270f.
96 Zu Gwalthers "Endtchrist" s. Nr. 2565,
Anm. 7. Zur Sendung Nr. 2585, Anm. 15.
97 Gemeint sind ein heute nicht mehr erhaltener, aber in Nr. 2585,59-61, indirekt bezeugter Brief von Gwalther an Haller sowie das erhaltene Schreiben Gwalthers vom 13. September (s. Nr. 2585, Anm. 15). — Wir danken Kurt Jakob Rüetschi für freundliche Auskunft.
98 Siehe dazu Nr. 2585, Anm. 55.
~ Lorenz Meyer.
100 Man suchte damals einen Pfarrer für Kaufbeuren; s. Nr. 2551,36-39; Nr. 2560,75-104. Am 22. Oktober wurde Thomas Naogeorg dorthin befördert; s. Nr. 2576, Anm. 64. Lorenz Meyer (Agricola), der zuletzt eine Stelle im Zürcher Schulwesen innehatte (s. HBBW XVI 403f, Anm. 5), wurde am 18. November


Briefe_Vol_17-498arpa

quominus putem eum urbi nostrae convenire: incompositos videlicet mores et temeritatem. Est enim apud nos populus civilitatis supra modum studiosus. Unde vereor, ne exigua ipsius futura sit authoritas. Sed videbimus, quomodo huic rei consulatur.

Tu interim vale cum familia et fratribus atque ecclesia omni. Haec raptim. Propediem plura dabo. Augustae Vindelicorum, 22. septembris noctu instante jam 11.

Tuus ex animo Hallerus.

[Adresse darunter:] D. Bullingero, venerando suo patri. Tiguri.