Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2642]

Bullinger
an Matthias Erb
Zürich,
25. Oktober 1546

Autograph: Basel UB, Ms Ki. Ar. 25c, Nr. 70 (früher 68), f. 90 (Siegelspur) Ungedruckt

(1]Auf Erbs drei Briefe [nicht erhalten und Nr. 2623]gab es nichts zu antworten. Heute schreibt Bullinger dennoch, um deren Empfang zu bestätigen. [2]Der Überbringer [...]der ersten Briefe speiste bei [Rudolf] Gwalther und reiste dann nach Baden. Bullinger traf ihn nicht, sonst hätte er sich seiner angenommen. Der jugendliche Überbringer (Johannes Jud] des letzten Briefes [Nr. 2623] erhält ein Stipendium der Zürcher Kirche und zeigt gute Leistungen. [3]Aus Zürich, einem nach wie vor sicheren Ort, gibt es kaum etwas zu berichten. Aber der Krieg in Deutschland macht Bullinger sehr zu schaffen. Das Anliegen des jetzt abgehaltenen Tages [der Vier protestanischen Orte] zu Zürich war es, dem [Schmalkaldischen Bund] und dem Kaiser [Karl V. ] zu antworten. Da die Tagung noch nicht zu Ende ist, kann Bullinger nichts Genaueres melden. Man steht aber auf der Seite der Evangelischen. Ob jedoch die (Vier Orte]in den Krieg eintreten werden, da es Winter geworden ist, bleibt offen. Der Herr möge allen gute Entscheidungen geben! [4] Die [fremden Truppen] haben im [Nördlinger] Ries viele Schäden durch Brandstiftungen angerichtet. Jetzt trifft das auch die Gegend von Ulm, nachdem die Kaiserlichen Donauwörth, Höchstädt, Dillingen, Lauingen, Gundelfingen und andere Orte eingenommen haben. Die [Schmalkaldener]liegen alle beim Hauptheer. Rotten des Kaisers plündern das Land, und die Ulmer Bevölkerung hat aus Angst vor einer Belagerung ihre eigenen (Liegenschaften] vor der Stadt im Wert von 100'000 Gulden niedergebrannt. [5] Der Herr erlöse uns von dem Bösen!

S. D. Ternas 1 a te, Matthia venerande et plurimum dilecte frater, accepi, ad quas nihildum respondi. Et quamvis nihil in iis sit, ad quod responderi oporteat, attamen, ut intelligeres me ilias accepisse, has scribo.

Qui 2 posteriores attulit, pransus apud Gvaltherum, mox Badenam concessit. Ego hominem non vidi. Alioqui nihil illi propter tuam commendationem negassem, quod modo meae potuissent praestare vires satis exiguae. Puer, qui ultimas tuas attulit, 3 alioqui mihi commendatissimus est. Alitur stipendio nostrae ecclesiae et specimina praebet ingenii satis felicis.

De nostris rebus non est, quod dicam. Versamur et vivimus ut hactenus ita tute satis. Excruciat me iam bellum illud Germanicum. Celebrata sunt his diebus hic comitia 4 de responsionibus dandis imperio 5 et caesari 6 ad postulata

1 Die beiden ersten Briefe sind nicht erhalten. Der dritte Brief ist Erbs Brief Nr. 2623 vom 14. Oktober 1546.
2 Unbekannt.
3 Johannes Jud; s. Nr. 2623, Anm. 1.
4 Das Treffen der Vier protestantischen Orte in Zürich vom 19. bis 26. Oktober 1546; s. Nr. 2606, Anm. 60.
5 Gemeint sind damit die schmalkaldischen
Verbündeten. — Sie hatten sich am 26. September an die Vier Orte gewandt (s. Nr. 2605, Anm. Il), und der Bund hatte außerdem Thomas Blarer für kurze Zeit zur Tagung nach Zürich entsandt (s. Nr. 2636, Anm. 3; Nr. 2644, Anm. 18).
6 Karl V. — Er schrieb am 1. August an die Eidgenossen (s. dazu HBBW XVII 337, Anm. 13) und am 27. August speziell an


Briefe_Vol_18-180arpa

illorum. 7 Et quia, dum haec scriberem, nihildum conclusum erat, nihil certi significare possum. Favent nostri piis evangelium profitentibus, an vero bellum suscepturi sint modo, dum hyemis impetus infestat et omnes copias e campo sub tecta adigit, ignoro. Dominus concedat omnibus nobis recta iudicia. Quantum ego ex nostris intelligo, nunquam deserent causam veritatis.

Imm Rieß sind von Walchen 9 groß ungehört schaden vergangen 10 . Die armen lüt sind jämerlich verbrent. Also wirt das land jetzt umb Ulmm jämerlicher geprent und verwüst von keyserischen, 11 welche yngenommen habend Donawerd, Höchstett, Dillingen, Lougingen, Gundelfingen 12 und andere plätz mee. Die unsern ligend unzerteylt amm gwallthuffen 13 zu scharmutzen. Deß keysers streyffende rott 14 faart darzwüschen herumb und thut dem armen land unsaglichen schaden. Die von Ulm, alls sy sich der belägerung besorgt, habend sy selbs vor iren statt in 100'000 gl. wert verbrent, etc.

Dominus liberet nos a malo. 16 Hunc supplicemus! Vale. Tiguri, 25. octobris 1546.

Bullingerus.

[Adresse auf der Rückseite:] Praestantissimo viro d. Matthiae Erbio, Rychevillanae ecclesiae concionatori venerando et dilecto suo fratri. Rychenwyler.

die Vier Orte (s. dazu Nr. 2606, Anm. 90).
7 Am 26. Oktober verfassten die Vier Orte eine Antwort an den Kaiser und eine weitere an den Schmalkaldischen Bund; s. HBBW XVII 337, Anm. 13; Nr. 2606, Anm. 60.
8 Damals befürwortete Bullinger nicht mehr solch ein Eingreifen; s. HBBW XVII 29-31. 498-501.
9 Welschen. — Meist sind damit Italiener bezeichnet. Hier aber sind wohl auch die Spanier gemeint.
10 geschehen. — Zu den von den kaiserlichen Truppen im Nördlinger Ries angerichteten Schäden, u.a. durch Brandstiftungen, s. Nr. 2612,143f und Anm. 118; Nr. 2613,42f; Nr. 2619,13-16.
11 So auch im Brief Heinrich Thomanns an
den Zürcher Rat vom 18. Oktober 1546 (Zürich StA, A 177, Nr. 96).
12 Zur Einnahme von Donauwörth, Höchstädt, Dillingen, Lauingen und Gundelfingen s. Nr. 2621, Anm. 7.
13 am gwaltthuffen: beim Hauptheer.
14 streyffende rott: plündernde Schar; s. SI XI 2132f.
15 Eine Angabe aus einer für Zürich bestimmten Konstanzer Abschrift eines an Konstanz gerichteten Briefes aus Ulm vom 14. Oktober mit P.S. vom 15. Oktober (Zürich StA, A 177, Nr. 86). Am 20. Oktober wurde die Meldung von Zürich nach Basel übermittelt (PC IV/I 437f, Nr. 414, Anm. 1) und am 24. Oktober aus Straßburg nach Basel (ebd., 442, Nr. 419).
16 Vgl. Mt 6, 13.