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Autograph: Zürich StA, E II 351, 36 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 636-638, Nr. 1549
[J] Wie immer hat sich Vadian liber Bullingers Schreiben [nicht erhalten]gefreut, vor allem,
weil es so ausführlich war. Er ärgert sich nur darüber, class Bullinger das Bedürfnis empfand,
sich für seine Offenheit entschuldigen zu müssen, als wäre diese bis jetzt nicht gut angekommen.
Es ist ja wohlbekannt, wie leicht auch bedeutsame Menschen verzweifeln können. Wie
alle anderen bedürfen auch sie der Ermahnung und des Trostes, um einen. Rückschlag desto
besser ertragen und sich umso schneller davon erholen zu können! - [2] Und gewiss hätte
Vadian Bullingers Ermahnung gut aufgenommen, hätte er eine solche nötig gehabt. Doch dein
ist nicht so. 1 Er schrieb lange nicht mehr, uni Bullinger nicht von seiner schweren Erkrankung 2
berichten zu müssen. Künftig braucht also Bullinger nicht so zu tun, als wäre Vadian schnell
beleidigt und undankbar für seine Besorgnis! -[3] Nun zur Sache. Er hat den für JohannesBriefe_Vol_20-377 arpa
Haller bestimmten Brief 3 einem vertrauenswürdigen Boten [...]übergeben und hofft, dass der
Empfänger ihn schon erhalten hat. -[4] Kaiser Karl V. traf in Begleitung von Bischof Otto
Truchsess von Waidburg und anderen namhaften Fürsten etwa am 23. Juli in Augsburg ein. 4 Er
drängt darauf dass der Reichstag am 1. September eroffnet werde. 5 verspricht er
eine unbescholtene Justiz, gegenseitigen Beistand und ewigen Frieden. Kein Wort aber zur
Religionsfrage! Stattdessen betont er sehr seinen Sieg über den Verrat 6 , während er ihn ja
ausgerechnet durch Verrätereien erlangt hat (viele kluge Menschen hegen keinen Zweifel
daran)! Man kennt ja seine Fähigkeit zu täuschen! Man fürchtet, dass das Ganze auf die
Einrichtung einer Monarchie hinzielt. Zwar schreiben manche aus Augsburg, dass das Verhältnis
zwischen Papst Paul III. und dem Kaiser von Rivalität geprägt sei, 7 doch Vadian ist
überzeugt, dass sie nur oberflächlich ist. Es gibt mehrere Grunde für Vadians Ansicht, ganz
besonders folgende: Der Papst hat doch in Übereinstimmung mit dein Kaiser und dem französischen
König [damals noch Franz I.] Kardinal Reginald Pole (vorwiegend zur [Bekämpfung]
des Evangeliums) nach Schottland entsandt, 8 mn dadurch dem englischen König Eduard
VI. Schwierigkeiten zu bereiten. Feststeht auch, dass die Unterdrückung der Böhmen durch
den Kaiser 9 auf Anregung des Papstes erfolgt ist, und zwar, um deren Glauben (der zum Teil
nicht mit dem papistischen Unsinn übereinstimmt) auszurotten. - [5] Martin Frechts Frau
[10]10 wurde von der Pest dahingerafft. Es ist für alle offenbar, dass Frecht nur schwer damit
zurechtkommt. - [6]Gruß. Bald wieder mehr. - [7] [P.S.:] Gleich nach seiner Ankunft in
Augsburg entließ der Kaiser die Garnison, die er früher dorthin entsandt hatte. 11 Es ist unklar,
warum. Manche schließen daraus, dass er alles wie ein Vater auf milde Weise regeln werde;
andere meinen hingegen, dass dies nur eine Täuschung sei, damit man auf Schlimmeres nicht
gefasst sei! Vadian denkt, dass die Beurlaubung erfolgte, um mehr Unterkünfte für die vielen
Besucher des kommenden vielversprechenden 12 Reichstags zu schaffen. -[8] Gestern erhielt
der Rat von St. Gallen eine offizielle Einladung dazu. Aber es ist bereits beschlossene Sache,Briefe_Vol_20-378 arpa
dass die St. Galler den Reichstag wie bis anhin nicht beschicken werden. Vadian erkundigte
sich beim [kaiserlichen] Boten [...], ob er für Abt Dietheim Blarer von Wartensee auch eine
Einladung mitgebracht habe. Der Bote sagte, dass die entsprechende Einladung an den Konstanzer
Bischof Johann von Weeze geschickt wurde, der als Beauftragter des Kaisers für diese
Übermittlung sorgen werde. Ihm sei aufgetragen worden, die Einladung an die Städte [der
Eidgenossenschaft] zu überbringen. Deshalb begehe er sich nun nach Schaffhausen. Diplomatische
Vorgehensweisen werden also erpresserischen vorgezogen! 13 -[9]Bullinger sei erneut
gegrüßt und bleibe Vadian gewogen.