Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2952]

[Georg Frölich
an Bullinger]
[Augsburg],
15. Juli 1547

Autograph: Zürich StA, E II 346, 226 (ohne Siegelspur) a Ungedruckt

[J] Frölich hätte viel zu berichten, wenn die Briefühermittlung sicher wäre. Aber Bullinger weiß, dass man vorsichtig sein ,nass. Sein heute eingetroffener Brief vom 27. Juni [nicht erhalten] ist sehr trostspendend, ja auch ermunternd, da Frölich dadurch zur Standhaftigkeit und Treue ermahnt wurde. Auch hat er vor, sich entsprechend zu verhalten. Bullinger soll zu Gott um eine Milderung der allzu strengen Prüfung flehen. Frölich will sich nicht selbst loben, doch kann er versichern, trotz des Sturms, der sich dein Boot [der Kirche] bedrohlich nähert,

a-a Am Rande nachgetragen. -
a Mit Schnittspuren.
2 Karl V. traf erst am 23. Juli 1547 in Augsburg ein; s. Nr. 2952, Anm. 20.
3 Vgl. Jdt 8, 27; Hebr 12, 6.
4 Vgl. Dtn 11, 2; 1Petr 5, 6.
5 Ruman nahm dieses Brieflein erst am 22. Juli mit, und zwar zusammen mit Johannes Hallers Briefen vom 15. (Nr. 2953)
und 22. Juli (s. Nr. 2962,1-3) und mit Georg Frölichs Brief vom 22. Juli (s. Nr. 2961,3-8).
1 Dass Bullinger der Empfänger ist, ergibt sich aus dem Inhalt und besonders aus den in unten Anm. 3 angeführten Stellen.


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nicht nachlässig geworden zu sein. Der himmlische Steuermann wird es zum sicheren Hafen leiten! -[2]Der Reichstag wird in Augsburg stattfinden. Scharenweise strömen Fremde in die Stadt, vor allem Höflinge von Kaiser Karl V., obwohl der Termin noch gar nicht feststeht. Der Kaiser ist in Nürnberg. Einige seiner Truppen hat er entlassen, andere sind noch bei ihm, vor allem Spanier und Italiener, die das ganze Nürnberger Gebiet im Umkreis von 5 Meilen verwüstet haben und bis heute unsägliche Schandtaten begehen. Sollten sie auch nach Augsburg kommen, dann ist das jetzt schon unfruchtbare Schwaben völlig verloren! Frölich ist aber eher der Meinung, dass sie das Gebiet um Augsburg verschonen werden, weil dessen Erträge der katholischen Geistlichkeit zugutekommen. -[3]Verbürgt ist, dass die Grafen Albrecht von Mansfeld und Christoph von Oldenburg den Kaiserlichen bei Bremen eine schwere Niederlage zugefügt haben. Bei der Schlacht ist der kaiserliche Truppenführer Herzog Erich von Braunschweig-Calenberg entweder getötet worden oder in der Werra ertrunken, denn er ist nie wieder erschienen. Es wurden ungefähr 3'000 Kaiserliche gefangen genommen, die übrigen alle getötet. Nur wenige konnten fliehen. - [4] Frölich hat keine Informationen über die Verhandlungen zwischen dem Kaiser und den Hansestädten oder über einen etwaigen Frieden. Sicher ist, dass Landgraf Philipp von Hessen sich ergeben hat und wie Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen von den Kaiserlichen festgenommen wurde. Daraufhin ist der Kaiser aus Sachsen und Meißen abgezogen. Er soll bald von Nürnberg nach Augsburg kommen. Angeblich plant er etwas in Italien oder gar die Wiedereinsetzung von Herzog Karl III. von Savoyen. -[5]Johannes Haller liegt Frölich sehr am Herzen, auch wenn sie sich wegen der aktuellen schlimmen Lage nur selten treffen. -[6]Größe.

Si tam esset tutum 2 quam necessarium, vir et frater in domino ornatissime, nunc haberem scribendi materiam longe locupletissimam. Sed quid tempora iubeant, nosti. Tuae literae 27. iunii ad me datae 3 , hodie vero redditae, mihi multum solacii et refocillationis attulerunt. Verbum siquidem domini fideliter mihi ob oculos ponis, hortaris ad constantiam et pietatem; quae celestia dona, si unquam secutus sum, nunc me dei benignitate secuturum esse sencies. Tu mecum clama ad dominum, ut nimiam nobis temperet tentationem. Nihil prorsus (absit omnis gloriatio) b videor mihi remissior esse factus in tantis motuum procellis, quae, proh dolor, nullis adhuc modis sedatae sunt, sed iamiam acrius quam antea cimbae 4 nostrae appropinquant! Spero tamen unicum illum caelestem nauclerum eam securo portui applicaturum. 5

Comitia Auguste Vindelicorum celebrabuntur. Quamvis vero dies nondum certa sit indicta, 6 tamen quottidie multi exterorum, praesertim autem cesarem maiestatis aulici eo confluunt. 7 caesar adhuc est Norinbergae cum copiis suis, quarum nonnullas dimisit. Quas adhuc secum habet, maiori ex

b Klammern ergänzt.
2 Frölich spricht hier aus Erfahrung, denn während des Donaufeldzuges wurden einige seiner Briefe an Bullinger abgefangen; s. HBBW XVIII 319,3f.
3 Nicht erhalten. - Zu der Wirkung dieses Briefes auf Frölich s. Nr. 2966,19f; Nr. 2970,85-90. =cymbae.
5 Der Vergleich der Kirche mit einem Schiff. das sich in stürmischer See befindet, geht auf Augustin zurück.
6 Die Einladung zum Reichstag war schon am 3. Juli 1547 aus Bamberg ergangen. Als Beginn wurde der 1. September festgelegt. Daran hielt man sich auch: Um 7 Uhr an diesem Tag wurde der Reichstag feierlich eröffnet. Am 30. Juni 1548 wurde er beendet; s. RTA-JR XVIII/1 57f. 60. 105. 141-143, Nr. 10. Dessen Akten sind in RTA-JR XVIII/1-3 veröffentlicht.
7 Vgl. Nr. 2950,4-8. 20-22.
8 Karl V. - Siehe dazu unten Anm. 20.


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parte Hispani et Itali sunt, qui totum Noricorum agrum ad 5 milliaria 9 circumquaque devastarunt et adhuc hodie horrenda et dictu pudenda designant; quos si Augustarn venire contingat, de sterili 10 nostra Suevia omnino actum est. Crediderim tamen ipsos agro Augustano ideo parsuros, quod redditus eius 11 ad sacrificulos pertineant.

Comitem Albertum a Mansfeld 12 et comitem ab Oldenburg 13 caesarianos apud Bremam fudisse et magnam stragem 14 edidisse non est dubium. Dux Ericus Brunsvicensis 15 , cesarianarum legionum dux, ipse aut c caesus aut in fluvio Werra 16 submersus est; nusquam siquidem apparet. Tn eo praelio circiter 3'000 militum et equitum ex cesarianis capti. Reliqui ornnes trucidati sunt paucis, qui fuga elapsi sunt, exceptis.

Quid tandem inter cesaris maiestatem et civitates maritimas 17 actum sit, plane ignoro nec de pacificatione quicquam audio. Hoc autem certum est: Landgravium 18 sese dedidisse et iam una cum Joanne Fridericho, Saxonic duce, 19 inter cesarianos captivum duci. Proinde caesar iamdudum excessit ex Saxonia et Mißna atque, ut fama est, ipse ex Norinberga brevi soluturus est Augustarn concessurus. 20 Quidam putant illi negotium in Italia fore, quidam vero suspicantur ipsum de restitutione ducis Sabaudiensis 21 cogitare. Tempus docebit.

Hallerum non secus atque animam meam habeo, 22 quamquam propter temporum difficultatem raro conveniamus corpore.

c Über der Zeile nachgetragen.
9 Eine Meile entspricht 7 bis 8 km. - Zu den Verwüstungen in Nürnberg und Umgebung s. Franz Ludwig von Soden, Kaiser Karl V. in Nürnberg. Zur Kriegs- und Sittengeschichte des sechzehnten Jahrhunderts, Nürnberg 1858, S. 161-164.
10 Das schwäbische Gebiet wurde schon während des Donaufeldzuges sehr in Mitleidenschaft gezogen und wird keine großen Vorräte mehr gehabt haben.
11 Sueviae.
12 Albrecht VII. von Mansfeld.
13 Christoph von Oldenburg.
14 Die Niederlage bei Drakenburg; s. dazu schon Nr. 2911, Anm. 29; Nr. 2918, Anm. 18.
15 Erich II. von Braunschweig-Calenberg-Lüneburg. - Er kam damals nicht ums Leben. Er konnte sich retten, indem er durch die Weser schwamm; s. Wilhelm Havemann, Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg, Bd. 2, Göttingen 1855, S. 317.
16 Richtig: die Weser.
17 die Hansestädte. - Die Stadt Lübeck hatte im Namen der Hanse Verhandlungen
mittels einer Gesandtschaft aufgenommen, welche am 21. Juni 1547 in Halle vor dem Kaiser erschienen war. Als erste Hansestadt vollzog Hamburg am 20. Juli den Fußfall; s. Rudolf Häpke, Die Regierung Karl V. und der europäische Norden, Lübeck 1914, S. 283-285.
18 Philipp von Hessen. Zu seiner Unterwerfung und Gefangennahme s. Nr. 2948, Anm. 9.
19 Johann Friedrich I. von Sachsen. Zu seiner Niederlage und Gefangennahme in der Schlacht von Mühlberg a.d. Elbe am 24. April s. Nr. 2894.
20 Karl V. verließ Nürnberg am 18. Juli und traf am Samstag 23. Juli in Augsburg ein, wo er (mit der Ausnahme vom 19. bis 30. September) bis zum 12. Juli 1548 blieb; s. Stälin 580; Roth, Augsburg IV 44f; Nr. 3017, Anm. 16. - Zu einer Beschreibung seines Einzugs in Augsburg s. Nr. 2970,23-48.
21 Karl III. von Savoyen. -Vgl. Nr. 2925, Anm. 1.
22 Siehe dazu Nr. 2877. Anm. 5.


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Vale, mi anime, et optimos viros vestros meo nomine plurimum salutato. 15. iulii 1547.

[Ohne Unterschrift.]

[Ohne Adresse.]