[3077]
Autograph: Zürich StA, E II 351, 58 (Siegelspur) Auszüge in deutscher Ubersetzung von Bullingers Hand: Zürich ZB, Ms A 43, 19f Druck: Vadian BW VI 677, Nr. 1574
[1] Gestern Abend hat Vadian bei 2 Francisco de Enzinas zu Abend gegessen. Dieser befindet
sich auf dein Weg nach Memmingen, wo er bei Hieronymus Sailer eine private Geldangelegenheit
erledigen will. 3 Auf dem Rückweg (den er bald anzutreten gedenkt) hat er vor, wieder
durch St. Gallen zu reisen und sich dann nach Zürich zu begeben, um, wie er sagte, Freunde
zu besuchen. Bestimmt wird er Neuigkeiten zurückbringen, vielleicht nicht erfreuliche, doch
willkommene, die zur Wachsamkeit anspornen. 4 -[2]Als Vadian seinen letzten Brief an Bullinger
[Nr. 3076]schon versiegelt hatte, erfuhr er von einem vertrauenswürdigen Freund [...]Briefe_Vol_20-665 arpa
der Stadt St. Gallen, dass Kaiser Karl V. vorhabe, Herzog Karl III. von Savoyen wieder in
seine Gebiete einzusetzen (Kaiser und Herzog sollen sich gegenseitig sehr mögen). Zunächst
habe er vor, das Piemont samt Turin und den umliegenden Städten für den Herzog zurückzuerobern.
Danach wolle er sich diesseits der Alpen begeben und das übrige Gebiet des
Herzogs [das Chablais und die Waadt] wiedergewinnen. Und falls die Eidgenossen König
Heinrich II. von Frankreich zu Hilfe kommen oder dies zu verhindern suchen würden, wolle er
diese sogleich überfallen und mit seinen ganzen Streitkräften dermaßen heimsuchen, dass sie
sich ihm nicht widersetzen können. -[3] Ein anderer [...]erzählte, es sei verbürgt, dass die
Kurfürsten sich derzeit über den [Schwäbischen] Bund 5 beraten (welcher alle Stände des
Reichs einbeziehen soll) und sie sich diesem trotz ihrer Vorbehalte anschließen werden, zumal
alle durch die vom Kaiser ausgeübte Macht dazu genötigt werden. -[4]Dass dem Kaiser die
Errichtung dieses Bundes sehr am Herzen liegt, ist gewiss. Weniger sicher sind allerdings
seine Kriegspläne. Da aber Freunde Vadians immer wieder in ihren Briefen vor einem Angriff
des Kaisers warnen, könnte es gut sein, dass dieser tatsächlich versuchen wird, ganz Helvetien
zugleich in einen langwierigen Krieg zu verwickeln. Möge etwas Unerwartetes geschehen, das
diesen Plan vereitelt! -[5]Gruß.