Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3113]

Georg Frölich
an Bullinger
[Augsburg],
Donnerstag, 19. Januar 1548

Autograph: Zürich StA, E II 346, 240b (Siegelspur) a Ungedruckt

[1]Die politische Lage bleibt kritisch. Es gibt nichts Neues. Obwohl sich die Pläne der Menschen rasch ändern können, hat er nicht unbegründet von bedrohlichen Schwierigkeiten geschrieben. Auch einem Kämpfer schwinden irgendwann die Kräfte. -[2]Nach der abgelehnten [Rückverlegung]des Konzils nach Trient durch Papst Paul III. zürnt Kaiser Karl V. zu Recht. Wenn er nur dem Papsttum ebenso übel gesonnen wäre wie dem Papst selbst! Vielleicht gäbe es so in Kürze eine anständige Reformation. -[3]Der Kaiser drängt die Reichsstände, bis zur allgemeinen Reform durch das Konzil eine Übergangslösung zu finden, und verlangt, dass sie einige friedfertige und politisch erfahrene Männer für diese Aufgabe stellen, jedoch wenige, weil er letztlich selbst entscheiden will. Sie sollen sich dieser Angelegenheit annehmen und etwas ausarbeiten, über das Karl V. schließlich selbst verfügen soll, als müssten die von den Reichsständen übermittelten Gutachten auch noch von ihm nach seinem Gutdünken genehmigt werden. Wird denn durch diese Übereinkunft die fromme Kirche Christi bewahrt? -[4]Mehr weiß Frölich nicht zu berichten. Er vertraut sich im Weiteren Gott und Bullingers Gebeten an. -[5]Grüße, insbesondere an Frölichs lieben Gevatter Johannes Haller, Rudolf Gwalther, Konrad Gessner, Theodor Bibliander, den ehrwürdigen Konrad Pellican, Johannes Wolf und Johannes Fries. -[6]Ein Dichter, [Thomas Naogeorg], hat ein Spottgedicht von 1'270 Versen gegen Johannes Pedioneus, den Autor des verleumderischen Buches über den [Schmalkadischen]Krieg, verfasst. Frölich bittet Bullinger inständig, einen Drucker dafür zu finden. Da es sich nicht um ein ehrverletzendes, sondern um ein gelehrtes Gedicht handelt, wird es sich sicher gut verkaufen lassen und bei vielen gut ankommen. Bullinger soll hierzu Stellung nehmen. Wenn er es für ratsam hält, wird Frölich eine Kopie davon Gwalther oder Gessner zukommen lassen. Bullinger soll auch berichten, ob ihm das von Frölich übermittelte Buch von Pedioneus und die Entgegnung darauf gezeigt wurde. -Wi Erneuter Gruß.

S. Respublica 1 vacillat nunc ut iampridem. Novi scio nihil. Si quid antea de difficultatibus imminentibus tibi scripsi, 2 id credito non sine causa scriptum esse, quanquam consilia humana facile mutentur. Denegantur etiam aliquando luctanti vires. 3

a Mit Schnittspuren.
1 Das Staatswesen Deutschlands. -Frölich wird dabei auch an die politische Lage in Augsburg gedacht haben. Auf den Augsburger Rat wurde von kaiserlicher Seite Druck ausgeübt, um die Machtverhältnisse in der Stadt zu ändern. Es sollte zu einer neuen Regimentsordnung kommen; s. HBBW XX, Nr. 2875,[2]. Territorien
des Reichs VI 21f; Roth, Augsburg IV 187-199.
2 Wie zum Beispiel in seinen Briefen vom 25. Oktober und 19. Dezember 1547; s. HBBW XX, Nr. 3055,8-14; Nr. 3095,14-20.
3 Siehe dazu Nr. 3111,1-3 mit Anm. 1.


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Papa 4 renuit concilium Tridentinum. Propterea cesar illi non immerito irascitur. Utinam papatui tam malevelit quam pape. Fortassis reformationem piam brevi habituri essemus.

cesar urget apud imperii ordines, ut instituatur modus vivendi in ecclesia, 5 donec aliquando communis reformatio per concilium fiat. Vult itaque, ut ipsi dent aliquot pacificos, pios atque politicos viros (paucos tamen numero, quod ipsum et sese facturum pollicetur) b , qui huic negotio presint et aliquid concinnent, quod demum aut admittere aut reiicere per ipsum stet, quemadmodum suo arbitrio per status imperii traditum et concreditum sit. 6 Satin pie hoc pacto ecclesiæ Christi prospectum erit?

Plura nunc nequeo. Me domino parenti rerum 7 imprimis et deinde tuis orationibus commendo.

Salveant omnes vestrates, presertim compatrinus 8 meus Hallerus dilectissimus, meus Gvaltherus, Gessnerus, Bibliander, venerandus senex Pellicanus 9 , Gvolflus, Frisius, etc.

Scripsit quidam doctissimus poeta in bannern Pedioneum, authorern calumniosi libri De bello Germanico. 10 Est carmen 1270 versuum. c Genus carminis est iambicum trimetrum scazon. c Oro te valde, ut curn typographo aliquo loquaris et agas, an munus imprimendi suscipere velit. Est profecto poema eruditissimum et minus iniuriosum, ita ut vendibile et acceptum sit multis. Rescribe, quid tibi videatur. Si consultum existimas, exemplar domino Gvalthero aut Gessnero transmittam. Rescribe etiam, num tibi Pedionei liber et epistola quedam per me transmissa exhibita sit. 11

b Klammern ergänzt. -
c-c Am Rande ergänzt.
4 Paul III. - Zu der Verstimmung zwischen Papst und Kaiser Karl V. bezüglich des Trienter Konzils s. zuletzt Nr. 3108,5-8.
5 Gemeint ist die damals angestrebte Übergangslösung in der strittigen Religionsangelegenheit, die als Interim bekannt wurde; s. zuletzt Nr. 3111, Anm. 13.
6 Zur kaiserlichen Handhabung der Reichstagsgeschäfte vgl. auch Nr. 3108,9-14.
7 "Parens rerum" ist eine antike Gottesbezeichnung; vgl. Horaz, Carmina 3, 6, 6.
8 Mitvater (Gevatter); s. MLW II 1042. - Frölich war Taufpate vom am 24. Juli 1547 geborenen Johannes Haller d.J.; s. HBBW XVII, Nr. 2560,5-15.
9 Er war damals etwa siebzig Jahre alt.
10 Die Rede ist von Thomas Naogeorgs (Kirchmeyers) Antwortgedicht auf die von Johannes Pcdioneus verfasste Schrift "Dc bello Germanico
Liber"(VD16 P1110. P1111), die Ende Juli oder Anfang August 1547 in Ingolstadt erschienen war. Während dieser gegen die Protestanten im Schmalkaldischen Krieg polemisierte, ergriff Naogeorg für die Aufständischen Partei; s. HBBW XX; Nr. 3023, Anm. 29. - Naogeorgs Verse erschienen 1548 ohne Angabe des Erscheinungsortes und des Druckers unter dem Titel "Dc bello germanico in laudem bannis Pedionaei"(VD16 K967) in Basel. Da Johannes Haller sich in seinem Brief an Bullinger vom 11. September 1548 (Zürich StA, E II 370,81f) für die Zusendung des Werks bedankt und dieses zunächst von Basel nach Zürich und schließlich von dort nach Bern geschickt worden war, wird Naogeorgs Schrift im August 1548 in Basel gedruckt worden sein; s. Nr. 3163,7f.
11 Hier ist die in HBBW XX, Nr. 3094,53, und in


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Vale iterum. 19. ianuarii 1548. Tuus perpetuo G. L.

[Adresse auf der Rückseite:] Domino Heinricho Bullingero, civi Tigurino, amico et domino meo observandissimo. Zurch.