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Autograph: Zürich StA, E II 357a, 777f (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 61 1f, Nr. 1426
[1] Blarer hofft, dass Bullinger seinen Brief [Nr. 2849] vom letzten Freitag [18. März] erhalten hat. Seither gibt es keine Neuigkeiten bis auf den Bericht eines am Vorabend bei dessen in Konstanz wohnhaften Bruder [...]eingetroffenen Ulmers [...], der erzählte, dass in Ulm die verbürgte Nachricht von der Eroberung Leipzigs durch den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen eingetroffen wäre. Der Kurfürst soll auch mit dem Feind verhandelt haben (worüber, ist unbekannt). —[2]Der Ulmer berichtete zudem, dass alle Frommen dort den Konstanzern das Beste wünschen und hoffen, dass diese nicht solche Friedensbedingungen eingehen wie sie, denen es ohne Friedensschluss nicht schlechter ergehen würde. Er meinte ferner, dass es in Ulm zu einem Aufruhr käme, falls die fremden Truppen von dort abzögen, und das Volk diejenigen, die an der Lage schuld sind, erwürgen würde. Doch wird wohl stets eine starke kaiserliche Besatzung in der Stadt bleiben. Gerade löste eine neue Garnison die alte ab und ist noch schlimmer als die erste. Zudem habe Kaiser Karl V. (der sich in Nördlingen aufhält) den Ulmern ausrichten lassen, er werde bald wieder zurückkommen. —[3]Am Vorabend traf der Memminger Stadtschreiber [Georg Maurer] zu Verhandlungen mit Sebastian Schertlin ein. Er berichtete, dass drei kaiserliche Fähnlein in die Stadt verlegt werden. Der Kaiser soll in der Umgebung von Kempten, Biberach, Isny und Memmingen Soldaten anwerben, doch mehr als vier kamen nicht zusammen! Offensichtlich ist man seiner müde und wäre ihn gerne los. —[4]Bullinger möge über Joachim Schwarz [richtig: Gachnang, gen. Gachlinger]berichten, der Pfarrer in Wangen [an der Aare] im Bernbiet gewesen und Bullinger bekannt sei. Er soll ein leichtfertiger und böser Kerl sein, der ein uneheliches Kind gezeugt hat. Er will nun in Kempten Pfarrer werden! —[5]Durch Vermittlung des Hans Vogel [von Altnau], des Schaffners der Konstanzer Domherren, wurde Johannes Gisling als Pfarrer in [Lang]rickenbach eingesetzt. Die dortigen Kirchenpfleger haben Blarer aufgesucht und sich über Gislings Jugendlichkeit und Lebenswandel beschwert. Er soll einst ein Stipendium in Zürich erhalten haben, ehe er in Freiburg [i.Br.] studierte. Er kann musizieren und spielt oft für die jungen Leute bis spät in die Nacht zum Tanz auf Falls Bullinger etwas über ihn weiß, möge er berichten und raten, wie man mit der Lage umgehen soll. Gisling sei ein guter Poet. Es wäre angebracht, wenn man die [im Thurgau] neuangeworbenen Pfarrer zunächst in Zürich examinieren ließe und von dort ein Leumundszeugnis verlangte, sonst steht es bald schlecht im Thurgau. —[6]Bullinger möge beten, dass die Konstanzer nicht in Versuchung geraten. Grüße, besonders an Bullingers Haushalt. —[7] Sebastian Münster in Basel will [Erasmus] Oswald Schreckenfuchs 50 Gulden schicken. Es findet sich aber kein direkter, zuverlässiger Übermittlungsweg dafür. Wenn ein Zürcher etwas in Basel auszurichten hat, soll Bullinger ihm den beigelegten Brief für Münster mitgeben, und der Zürcher soll das von Münster erhaltene Geld nach Zürich mitbringen, von wo aus Bullinger es bei guter Gelegenheit Blarer zuschicken kann, der wiederum für die Übersendung nach Memmingen sorgen wird. Bullinger möge diese Belästigung verzeihen. Schreckenfuchs ist solch ein guter Mann, dass Blarer ihm gern diesen Dienst erweist.
Furgliepter herr und brüder, ich hab euch uff frytag nechst 2 geschriben. Achten, euch worden sein. Sydhär haben wir nichts gehört, das sich verloffen,
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dann 3 das uff necht 4 ain burger 5 von Ulm her kommen. Hat ainen brüder 6 hie. Sagt, das gwysse kuntschafft gen Ulm kommen seye, das Lypsig vom churfursten 7 gar erobert und sonst ouch naiswas 8 mitt dem find gehandelt seye; er möge aber nitt wissen, was. Wellen wir bald vernemmen.
Er sagt auch, daß alle frommen zü Ulm ymmer unser statt Costentz gütz wunschind, für sy bittind, sagind: "Ach das sy gott behüt, das sy an unß sechind, und nitt ouch in ain solichen friden kommind, da es inen in allein unfrid nitt wirß 9 gehn köndt. "10 Er sagt ouch, wann alles frömbd volck hinwegg were, das gwisslich von stund an ain uffrur wurde und der gmain man die all, so schuld an diser sach habend, erwirgen wurd; aber es wirt allweg 11 ain starcker zusatz 12 da sein. So ist erst frysch volck hinin kommen, der alten vyl hinweg, und handlend die yetz erger dann die ersten. Ouch hab der kaiser, so noch zü Nördlingen, 13 inen empotten 14 , er welle bald selbs widerum by inen sin. 15
Auch ist der stattschriber von Memingen 6 necht herkommen, dann der herr Sebastian Schertlin hat etwas mit im ze handlen. Sagt, das man inen yetz ouch welle 3 fendle knecht in die statt legen. Klagt sich uber die maß sehr. Es habe der kaiser zü Kempten, Bibrach, Ysne, Memmingen, etc., umgeschlagen 17 . Nein gern vyl knecht an, aber hab über vier nitt mögen uffbringen. Daby er den güten willen wol spurt! In summa: Die sach steht, das yederman des kaisers matt und müd ist, und man syn gern ab wer 18 , köndte man nun 19 .
Lieber herr und brüder, wellt mich berichten, was Jochim Schwartz für ain mann sye. Soll im Berner piet 20 zü Wangen 21 gewesen und euch wol bekant sein. Man will sagen, er söll ain lychtfertiger kund 22 und boser mensch sein. Habe ain kind23 23 neben der eh gehapt, etc. Er ist yetz zü Kempten. Sollt ain prediger da sin! 24
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Item es ist yetz ainer gen Ryckenbach im Turgöw 25 kommen und pfarrer worden (dahin durch den Hans Vogel 26 , der dann der thaimherren 27 schaffner oder einzycher 28 ist) a . Soll aber das evangelium predigen, wie dann bysanher
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zü Ryckenbach allweg gottes wort predigt wirt. Sind die kirchenpfleger by mir gewesen. Sagend, man seye sin beschwert; er seye gar jung. Nempt 29 sich Hans Gyslinger 30 . Soll ain stipendium zü Zürich gehapt haben 31 und aber darnach gen Friburg in das papstumb gezogen sin und da wyter gestudiert haben. 32 Er kan gygen 33 Und sagt man, er mache mache den jungen gesellen
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und tochtern etwan weyt in die nacht zü tantz 34 , etc. Wisst ir etwas von im, lasst mich wissen, und wie im 35 ze thain 36 were. Er soll ouch ain poet sein und carmina machen. 37 || 778 Die güten frommen leut wissend nitt, wie sy im thain sollend. Ich maint, es were billich, das sich ainer vor 38 müsse zü Zürich examinieren lassen und sein manrecht 39 bringen mitt kuntschafft seins wolhergebrachten wesens und lebens. Es wirdt sonst gar bald ain jemerlich sach im Turgav!
Ach, bittend gott mit ernst und allen truwen für uns, das er unß nitt lasß in versuchung fallen! 40 Grützt alle menschen, ewer hauß zü vorderst. Mentag post Letare. 41
[Ohne Unterschrift.] |
Item Item es sollt der Monsterus 42 zü Basel dem Osvaldo Schreckenfuchs 43 zü Memmingen 50 fl schicken. Kan man aber kain gwissen bottschafft von Basel haben gen Meiningen. Ist min flyssig bitt, ob 44 etwer by euch gen Basel handelte, das ir im bygelegten brieff an den Monsterum gebind, das er das gellt euch zübrechte. Darnach kondten ir mirs all tag wol her schaffen und alsdann ich gen Meiningen. Sind gepetten und zürnt nitt, das ich allso mitt solichen sachen bemüh. Diser Osvaldus ist so ain frommer man, das ich im hertzlich gern dienen welt.
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[Adresse darunter:] Dem erwirdigen, hochgelerten herrn Hainrich Bullinger zü Zürich, meinem insonder vertrauwten lieben herren und brüder.