[2977]
Autograph: Zürich StA, E II 346, 228 (Siegelspur) Ungedruckt
[1] Die Antwort des Augsburger Rates [vom 4. August]auf das Schreiben des Zürcher Rats
[vom 28. Juli]betreffend Johannes Haller wird Bullinger bestimmt auch zum Lesen erhalten.
Haller möchte noch einige Wochen in Augsburg bleiben, da die Predigt nicht verboten wurde,
zumal Kaiser Karl V. den aktuellen Stand der Religionssache bis zur allgemeinen Reform
unangetastet lassen will. Die Beleidigung Andersgläubiger ist bei Todesstrafe verboten. DieBriefe_Vol_20-380 arpa
[Protestanten] versprechen sich nichts von einer solchen Reform, zählen aber auf Gottes
Vorsehung. Haller schwebt nicht in größerer Gefahr als irgendein anderer Bürger. Frölich
wird ihm nach Kräften beistehen, obwohl er am meisten verhasst ist. Bischof Otto Truchsess
von Waldburg will ihn sogar wegen der Veröffentlichung der "Epitome belli [papistarum]"
beim Kaiser anklagen! -[2]Der geschwächte, untätige Kaiser verschiebt alles auf den [am]
1. September [beginnenden Reichstag]. Deutschland ist an seinem Leid selbst schuld und wird
elend zerbröckeln. Bullinger bete für Frölich, der Gottes Beistand besonders nötig hat.
- [3] Gruß, auch an die Kollegen und an die Obrigkeit. In Eile zwischen zwei Sitzungen.
-[4] Hans Schöner hat überhaupt keinen triftigen Grund, sich zu beschweren. Er hat sich
selbst in sein Unglück hineingeritten! Die Kapelle, um die es [in dein Rechtsstreit mit Augsburg]
geht, gehört ihm nicht. Er hat sich auch unnötigerweise mit einer Leibwache versehen
und es abgelehnt, nach Augsburg zurückzukehren. Stattdessen hat er Hilfe beim Bischof von
Mainz, Albrecht von Brandenburg, gesucht. Zudem hat er eine unbegründete Schmähschrift
["Warhafftige anzaigung"] gegen den Augsburger Rat veröffentlicht. Daher darf er nichts
mehr von Augsburg erwarten.
Furgeliebter gunnstiger herre unnd bruder, was minen gnädigen herrn von Zurch von wegen herr Johann Hallers, unnsers gemainen lieben bruders, zu antwurt 1 geschriben, wurdt meiner herren brief 2 zu erkannen geben, welcher euch on zweiffl nit verhalden pleibt. Er 3 will noch ettlich wuchen plieben, dann die predig wurdt gar nit gewöhret 4 , sonnder der kayser 5 will, das es mit der religion, wie die ytzt ist, bis uff gemaine reformation 6 pleibe! Unnd ist bei leib unnd leben verpotten, niemand darvon wegen zu belaidigen. Est quidem spes nobis non de reformatione, sed de domini divina ordinatione 7 . Frater Hallerus non periclitabitur plus quam quilibet civis hic. Ego ipsi, quantusquantus sum, adfuturus sum, quamquam sciam me plus odii et periculi ferre quam ullus Augustanorum. Episcopus enim Augustanus 8 publice me propter editam belli epitomen 9 infamat et minatur mihi caesaris iuditium.
Briefe_Vol_20-381 | arpa |
---|
Caesar infirmatur hic 10 neque agitur quidquam, sed cause omnes ad 1. septembris 11 prorogatae et suspensae sunt. Summa: Germania sua ipsius culpa vim passa est et misere quassabitur. Ora dominum pro Laeto fratre, qui certe auxilio domini prae aliis afflictis maxime opus habet.
Vale. Salveant singuli fratres et domini Tigurini. Raptim inter consultandum 4. augusti 1547.
Hanns Schöner 12 hat furwar ainigen füg 13 nit ze clagen; unnd wann ich uff mein gewissen sagen sollt, so het er solich eilend ime selbs mutwillig zugericht. Die capell 14 , darvon er meldet, ist so wenig sein als mein gewest. Er ist überflüssig verglait 15 worden, hat nit herein 16 gewolt, sonnder sich an die pfaffen zuo Mentz 17 gehenckht unnd ain gar schmehlich ungegründt buch 18 wider amen rate im druckh lassen ußgeen. Darumb waiß ich seiner sach gar kamen rate. Er wurdt hie nichts erlangen!
Tuus G. L. (VD16 E1838), die etwa Mitte Oktober
1546 erschienen war; s. Roth, Augsburg
III 4041 und Anm. 931; Voigt, Geschichtschr.
691-693. Roth berichtet,
dass in der Augsburger Stadtrechnung
unter dem 2. Oktober 1546 die Ausgabe
von 31/2 Gulden für den Druck einer
Schrift verzeichnet sei, eine Ausgabe, die
Roth mit dem Druck der Epitome in Verbindung
bringt. Sollte Roths Vermutung
zutreffen, wäre Frölichs Beteiligung an
der Veröffentlichung der Epitome nicht
bestreitbar. Er könnte sogar deren Verfasser
sein. Als Verfasser kämen allerdings
nach Roth auch der Augsburger Stadtarzt
Gereon Sailer oder der damals in Augsburg
wirkende Pfarrer Sebastian Lepusculus
in Frage. - Vielleicht erschien die
Epitome in Basel; vgl. Gilly, Spanien
220, Anm. 367. 10 Siehe dazu Nr. 2983, Anm. 3. 11 Angesprochen ist der künftige Reichstag;
Nr. 2952, Anm. 6. 12 Uber dessen Angelegenheit hatte Bullinger
in einem nicht erhaltenen Brief an
Frölich oder vielleicht auch an den Augsburger
Rat geschrieben; vgl. nämlich Nr.
2881,13-17; Nr. 2891,14-21; Nr.
2935,20-25; Nr. 2945,2-7; Nr. 2963,4-9. 13 Grund. 14 Die Schönerkapelle in Augsburg, deren
Abbruch das Zerwürfnis Schöners mit
der Stadt Augsburg besiegelt hatte; s.
HBBW XVII 307, Anm. 1. 15 überflüssig verglait: unnötigerweise von
einer Garde begleitet; s. Grimm XXV
406 s.v. vergeleiten. - Zu dem hier Geäußerten
konnte nichts Näheres ermittelt
werden.16 D.h. in die Stadt. - Schöner mied Augsburg
und andere Reichsstädte aus Furcht
vor seinen Gegnern (s. HBBW XVII
308,15-19), weshalb er sich seit August
1546 meist in Zürich aufhielt. 17 Mainz. - Siehe dazu eine Mitteilung Gereon
Sailers an Landgraf Philipp von
Hessen vom 26. Dezember 1543 über
Wolfgang Rehlinger und dessen Verwandten
Hans Schöner: "Zuvor haben [in
Augsburg] die alten burgermaister das
paumaisterampt versehen. [Dann] hat er
[Rehlinger] ain verdorbnen schwager
[Schöner] gehabt, den er und andere seine
freundt ernoren haben missen. Den hat
er zum paumaister, und also ain neues
ampt und neues ausgeben gemacht. Sollicher,
sein schwager, hat sich aus der
stadt zu dem pischof von Mientz und
wais yetzo nit wahin gethan; doch
schreibt er pose puchlach [böse Bücher]
wider die von Augsburg" (Lenz III 339f,
Anm. 1). - Bischof von Mainz war damals
Albrecht von Brandenburg (bis zu
seinem Tod am 24. September 1545) gewesen.
Sein Nachfolger war ab dem 20.
Oktober 1545 Sebastian von Heusenstamm;
s. HBBW XV 615, Anm. 8. 18 Hans Schöners Warhafftige anzaigung
von 1543 (VD16 534631); s. dazu HBBW
XVII 308, Anm. 26.
|
[Adresse auf der Rückseite:] Dem ehristennlichen hochgelerten herrn Henrichen Bullinger, der ehristennlichen gemaind Zurch vorgeern 19 , ze hannden.