Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3069]

[Ambrosius Blarer]
an Bullinger
[Konstanz],
5. November 1547

Autograph: Zürich StA, E II 357, 243 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 670, Nr. 1490

[1] Ein vornehmer Eidgenosse und Papstanhänger [...] erzählte in Konstanz, dass der Augsburger Stadtschreiber Georg Frölich (der sich immer noch in Konstanz aufhält) einem Zürcher (Johannes Haller oder einem anderen) geschrieben hätte, dass keines der Versprechen, die den Augsburgern [bei ihrer Aussöhnung mit Kaiser Karl V]gegeben wurden, eingehalten wird.

5 Zu diesem Büchlein s. Nr. 3058, Anm. 2. -Blarer mag davon aus einem an ihn gerichteten und nicht mehr erhaltenen Brief Vadians erfahren haben; vgl. nämlich Nr. 3068,[1]. Am 12. November konnte er das Büchlein verdanken; s. Nr. 3074,14.
6 Dieser Brief wurde erst mit Blarers Brief vom 5. November nach Zürich versandt; s. Nr. 3069,25.
1 Siehe dazu Nr. 3058, Anm. 2. -Während Vadian nur diese gekürzte Ausgabe kannte, war Bullinger durch John Hooper über die ausführliche englische Fassung informiert worden; s. Nr. 3062,4f.
2 Vgl. Nr. 3067,9-11.


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Doch bei derartigen Nachrichtenübermittlungen sollte mau den Namen Frölichs nicht erwähnen, um diesen nicht in Gefahr zu bringen! -[2]Aus Augsburg wird die Ankunft von Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg, Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, Kurfürst Joachim II. von Brandenburg und Königin Maria von Ungarn gemeldet. Bald werden sich dort so viele Fremde aufhalten, dass man aus Platzmangel die Bürger aus der Stadt vertreiben muss! Landgraf Philipp von Hessen soll in Kürze aus der Haft entlassen werden. Der Kaiser besteuert auch Fürsten, die nicht evangelisch sind. So hat er vom Herzog Wilhelm IV. von Bayern 50'000 Gulden umgehend und in bar verlangt. Bei der Geldübergabe wurden die überreichten [Salzburger] Dukaten nicht zu einem günstigen Kurs verrechnet und die bayerischen Räte angeschnauzt. Darüber wird viel geschrieben. - [3] Die [Fürsten] haben der Fortsetzung des Trienter Konzils zugestimmt. Die Reichsstädte hingegen haben diesbezüglich Gutachten eingereicht, auf die sie noch keine Antwort erhielten. Sie haben weder Stimm-noch Sitzrecht im Reichsrat und werden lediglich über die Beschlüsse der anderen Stände informiert. Das kommt ihnen in dieser Angelegenheit ganz gelegen, denn so mussten sie nicht darin einwilligen! Gott wird aber verhindern, dass es zur Umsetzung [dieser Beschlüsse] kommt. -[4] Blarer schrieb dies nach seinem hier beigelegten Brief [Nr. 3067]. Bullinger soll inständig beten, denn der Teufel gibt keine Ruhe. Greift Gott nicht ein, wird es in der Konzilsfrage zu einem Zerwürfnis zwischen den Eidgenossen und den anderen [Deutschen] kommen. Wahrlich, eine ganz gefährliche Lage! Doch kann dabei nichts Schlimmeres passieren, als dass man sein irdisches Leben verliert!

Es hat ain fürnemer Aidgnoß 1 , der aber ain päpstler ist, hie gesagt under anderm, der stattschriber von Augspurg 2 , der yetzund hie seye, hab ainem Zuricher 3 geschriben, es werde nichts gehalten an denen von Augspurg, was inen zugesagt seye worden. Wurd güt sein, was der güt man 4 schreibe, dem h. Hans Haller oder sunst etwarn 5 , das er nitt vermeret 6 wurde; es möchte im gar bald zu grossem nachtail gerathen.

Man schribt ouch yetz her von Augspurg, das der hertzog von Klef 7 , der hertzog von Brunschwyg 8 , churfürst von Brandenburt 9 , die kungin Maria 10 da ankommen seyen. Und werd ain sölich volck, das man die burger usß der statt triben werd, dann 11 man nitt platz hab. Item, mann achte, das der landgrauff 12 gar bald ledig werde 13 . Item, so schetzt 14 der kaiser 15 ander unevangelisch fursten gleych so wol. Hat den von Payer 16 um 50'000 fl.

1 Unbekannt.
2 Georg Frölich, der sich damals in Konstanz aufhielt; s. Nr. 3055, Anm. 2.
3 Vermutlich an Johannes Haller; vgl. nämlich unten Z. 4f.
4 Frölich.
5 jemandem.
6 (namentlich) erwähnt.
7 Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg. - Dieser nahm nicht am Reichstag teil, sondern schickte seine Räte; s. RTA-JR XVIII/1 108. 180-182.
8 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel. - Er traf zusammen mit seinen Söhnen Karl Viktor und Philipp Magnus am 30. Oktober in Augsburg ein: s. Creutznachers Diarium 308.
9 Joachim II. kam am 29. Oktober in Augsburg an; s. Nr. 3005, Anm. 48.
10 Maria von Ungarn, Statthalterin der Niederlande, Schwester Karis V. - Sie traf erst am 23. November in Augsburg ein; s. Nr. 3031, Anm. 53.
11 weil.
12 Philipp von Hessen.
13 ledig werde: freikomme.
14 besteuert (als Kriegskontribution).
15 Karl V.
16 Herzog Wilhelm IV. von Bayern. - Bei der nachfolgend angeführten Summe handelte es sich um die 50'000 rheinischen Gulden Kriegskostenbeitrag, die Herzog Wilhelm laut dem Regensburger Vertrag vom 2. Juni 1546 innerhalb von


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geschetzt. Haben glich bar müssen ligen, und hat man die ducaten nitt thür 17 nemmen wellen und seinen räthen 18 ubel desshalb zugesprochen. Deß dings wirt vyl geschriben.

Item, so hat man 19 in das concilium zu Trient bewilliget, ussgenommen das die stett dem kaiser ettlich schrifftten desshalb 20 überantwurt, aber nichts weyter für bschaid empfangen haben, wie sy dann 21 kam stymm haben oder session 22 im rychsrath, sonder zögt man inen nun 23 an, was die andern stend beschlossen habend. Kompt inen yetz in diser sach a gleych wol 24 , damitt habend sy nitt darin bewilliget. Byß es dann zur execution kompt, ströwt gott aber etwas anders in. Dem sind bevolchen.

Den 5. tag novembris 1547, in yl.

[Ohne Unterschrift.]

Diß hab ich nach dem ingelegten brieff 25 geschriben. Bittend und hettend steyff 26 , dann der teuffel ist sehr unrüwig. Das concilium wurt alle unainigkait und trennung erwecken zwuschend euch Aidgnossen und andern, wa 27 es gott nitt verhüt. Es ist wahrlich ein subtyl 28 gifft. Gott well unß erhalten in

a In der Vorlage sag.
30 Tagen nach Kriegserklärung an den Kaiser hätte zahlen sollen (s. Karl V. BW II 649f), doch erst während des Augsburger Reichstags erlegte; s. Sigmund Riezler. Die bayerische Politik im Schmalkaldischen Kriege, in: Abhandlungen der Historischen Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 21, München 1898, S. 230f mit Anm. 5f. Die Annahme von Druffel, BA III 46, die 50'000 Gulden seien ein vom Herzog zurückzuerstattendes Depositum des Kaisers gewesen, wurde von Riezler, aaO, S. 166, Anm. 1, widerlegt.
17 teuer. - Die kaiserlichen Beamten wendeten bei den Salzburger Dukaten, die der Herzog ihnen bar anbot, einen tieferen Kurs an, als der Herzog es gewünscht hätte; s. Riezler, aaO, S. 230f, Anm. 6.
18 Der bayerische Hofrat Wiguleus Hundt und der Kanzler Leonhard Eck; s. Manfred Mayer, Leben, kleinere Werke und Briefwechsel des Dr. Wiguleus Hundt. Ein Beitrag zur Geschichte Bayerns im XVI. Jahrhundert, Innsbruck 1892, 5. 19; Edelgard Metzger, Leonhard von Eck, 1480-1550. Wegbereiter und Begründer
des frühabsolutistischen Bayern, München/Wien 1980, S. 304; Volker Press, Die Bundespläne Kaiser Karis V. und die Reichsverfassung, in: Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karis V., hg. y. Heinrich Lutz, München/Wien 1982, S. 78f; RTA-JR XVIII/3 2531f.
19 Nämlich die Fürsten, die dem Kaiser ihre Einwilligung zur Weiterführung des Konzils erteilt hatten; s. Nr. 3017, Anm. 10.
20 diesbezüglich. -Zur Weigerung der Städte s. Nr. 3021,82-85.
21 wie sy dann: da sie überdies; s. Fischer VIIi 807 (s.v. wie); FNHDW V/I 123f (s.v. dan).
22 kam stymm haben oder session: kein Stimmrecht und keine Sitze haben. -Vgl. Nr. 3005,57-61, und Anm. 33; Nr. 3017,15f.
23 nur.
24 gleych wol: ganz gelegen.
25 Gemeint ist Blarers Brief Nr. 3067 vom 3. November.
26 beharrlich; s. Fischer V 1697.
27 wenn.
28 tückisches.


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das ewig leben! Es kan doch hie nitt wirs 29 gohn, dann 30 das wir die schelmigen hut 31 verlierend, etc.

[Adresse auf der Rückseite:] An meister Heinrich Bullinger zu Zurich: