Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3046]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
20. Oktober 1547

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 278 (neu: 293)(Siegelspur) Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW II 995, Nr. 1111

[1] Obwohl Myconius Johannes Buchter unverzüglich aus Basel zu seinem Vater Heinrich nach Zürich schickte, hört er, dass der Sohn den Vater nicht mehr lebend antraf Dieser Tod ist ein Verlust für die Kirche und für die vielen hinterbliebenen Kinder! Mögen die Zürcher Letzteren beistehen! [2] Wie gut. dass Haller der Hölle entkommen und unversehrt von Augsburg nach Zürich zurückgekehrt ist! Wo sich nämlich Kaiser Karl V. mit seinen Spaniern

c Folio 105a, r. ist leer.
13 umb euch: euch gegenüber.
14 vergelten.
15 Nicht erhalten.
16 Nachrichten.
17 Johannes Bugenhagen aus Pommern, der während der Belagerung Wittenbergs im November und Dezember 1546 (s. dazu HBBW XVIII 376, Anm. 25) in der Stadt geblieben war; s. Scheible, Wittenberg 258. — Die Schrift "Wie es uns zu Wittemberg in der Stadt ergangen ist in diesem vergangen Krieg ... und unser hohe Schule durch ... Moritzen ... widerumb auffgericht ist" wurde laut ihrem Kolophon im August 1547 in Wittenberg 1547 gedruckt (VD16 B9479). Darauf erfolgten mehrere Nachdrucke.
18 Der Lehrbetrieb an der Universität Wittenberg sollte wirklich erst am 24. Oktober
wieder aufgenommen werden; s. Scheible, aaO, S. 273.
19 Aus Nr. 3062,8 1-83, geht hervor, dass der Graf, auch wenn er vermutete, Bullinger könnte die Schrift bereits erhalten haben, diese doch noch dem vorliegenden Brief beilegte, und dass Bullinger sie dann an Vadian auslieh. — In Zürich ZB, 18.269/13, hat sich ein Exemplar der Wittenberger Ausgabe erhalten, welches vielleicht jenes ist, das der Graf hier übermittelte.
20 Dieser Brief wurde vom Zürcher Stadtboten Melchior Schlosser überbracht; s. Nr. 3044 und Anm. 6; Nr. 3047,15f. — Aus Brief Nr. 3044 wird deutlich, dass Schlosser die oben in Z. 2-8 erwähnten Briefe der Lindauer dem Grafen auf eigene Initiative übermittelt hatte.


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aufhält, ist die Hölle los! Mögen sich die Eidgenossen vor dieser tödlichen Pest (die alles Gute zerstört) hüten! - [3]Bullinger berichtet, dass König Heinrich II. von Frankreich um ein Bündnis wirbt. Mit wem denn? Will er vielleicht ein neues Bündnis? Myconius dachte, dass der bereits existierende Vertrag [mit den Eidgenossen] noch einige Jahre nach dem Tod von Heinrichs Vater Franz I. gültig sein würde. Bullingers Einschätzung, wonach die Eidgenossen zu Söldnern des Papstes würden, wenn sie sich mit Frankreich verbündeten, ist völlig zutreffend. Die Eidgenossen müssen sich hier als sehr klug erweisen, und die Frommen sollten unaufhörlich für sie beten! Doch was kann man erwarten, wenn die Eidgenossen nicht einig im Herrn sind? Und wären sie es, was könnten sie angesichts des andauernden kaiserlichen Erfolges erhoffen? -[4]Deutschland hat Gott erzürnt. Das Gleiche kann man auch von den Eidgenossen sagen. Diese müssen also auf ein ähnliches Schicksal gefasst sein! Die Sorglosigkeit wird von den Frommen als Vorzeichen des noch kommenden Sturms gedeutet. Aus einem vor sechs Tagen dem Basler Rat vorgelesenen Brief geht hervor, dass der Kaiser nur auf eine günstige Gelegenheit wartet, um die Eidgenossen anzugreifen. Niemand aber zeigte sich auch nur im Geringsten davon betroffen, wo doch so manche Menschen bereit sind zu sterben, wenn nur die Eidgenossen nicht unversehrt blieben. -[5]Johannes Gast versichert erneut, die Persius-Ausgabe einem Setzer namens Michael [Martin Stella] anvertraut zu haben. Außerdem berichtet er, dass bei den Fünf Orten jemand aus Rom [Girolamo Franco?]für Papst Paul Ill. Söldner anwirbt. Allerdings ist diese Nachricht unverbürgt. - [6] Bullinger, die Seinen und die Kollegen seien gegrüßt. Myconius schickt [die Briefbeilagen]mit Dank zurück. Bullinger möge die nennenswerten, von Haller übermittelten Neuigkeiten, insbesondere zur Rückkehr des Kaisers nach Augsburg, mitteilen. Gruß an Rudolf Gwalther.

S. Quarnvis Buchterum 1 in tempore dimiserim, audio tamen quod patrem 2 non invenerit vivum! Doleo propter ecclesiam et liberos, quos audio satis esse multos. Dominus per vos ipsis adsit.

Et Hallerum redisse audio. 3 Bene est, quod rediit incolumis, ereptus e Lerna malorum 4 , nam ubi caesar 5 est cum suis Hispanis, ibi non solum Lerna, sed infernus est. Caveant nostri 6 , ne et ad ipsos veniat lues letifera, internecio omnis boni!

De Gallo 7 scribis 8 , quod foedus petat. Non addis, cum quibus. Quid igitur velis, non satis capio, nisi quaerat foedus novum. Putaram enim, quod est duraturum aliquot annis post obitum patris 9 . verum quod sequitur: 10 "Si ergo nos coniunxerimus Gallo, pape 11 milites sumus declarat mentem tuam; ac dico: Necesse esse, ut Helvetii vires prudentiae omnes hic exerant. Qui pii sunt, in orando sint continenter! Ego enim, quid agendum, fateor rne nescire, nisi animos haberemus concordes in domino. 12 Id quod etiamsi sic esset, ignoro tamen quid spei in hoc cursu felicitatis caesareanae concipi possit.

1 Johannes Buchter. - Siehe zu diesem Abschnitt Nr. 3041,13-22.
2 Heinrich Buchter.
3 Zu Hallers Rückkehr nach Zürich s. Nr. 3017, Anm. 38.
4 Die Wendung "Lerna malorum" steht sprichwörtlich für nie enden wollende Not; s. Adagia 1, 3, 27 (ASD 11/1 338- 340, Nr. 227).
5 Karl V.
6 Gemeint sind die Eidgenossen.
7 König Heinrich II. von Frankreich.
8 Am 14. Oktober in Nr. 3041,3f.
9 Franz I. - Der Vertrag sollte tatsächlich noch drei Jahre nach dem Tod von Franz gültig bleiben; s. Nr. 2976, Anm. 1. - Zu Bullingers Antwort auf Myconius' seltsame Frage s. Nr. 3054,9-21.
10 In Nr. 3041,5f.
11 Paul III.
12 Bezug auf die von Myconius bereits am 25. Juli in Nr. 2967,12-20, geäußerten


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Irritavit Germania dominum; quod sentit. Irritavimus et nos iam multis annis valde graviter. Unde timendum similem eventum nos habituros. Absit malum omen! Displicet bonis securitas illa nostra. 13 Hodie dies sextus est, cum literae lectae sunt in senatu nostro, in quibus diserte scribitur caesarem nihil praepedire adversum nos praeter obportunitatem. Nemo fere motus est inde vel paululum! Et sunt profecto, qui vellent perire, tantum ne nos essemus incolumes. Vix fuit odium tale inter hommes unquam! 14 Dominus tueatur suos, ut certe tuebitur. Oremus itaque sine intermissione! 15

Gastius adhuc adserit Michaeli 16 cuidam compositori se dedisse Persium. Idem dixit in Quinquepagicis esse e Roma, qui 17 petat milites papae nomine. Res an ita sit, nescio.

Vale in Christo cum tuis et fratribus. Basileae, 20. octobris anno 1547. Tua 18 remitto, et ago gratias longe maximas. Ex Hallero si quid dignum narratu acceperis, inprimis de reditu caesaris 19 , communicato! Salutabis Gvaltherum diligenter.

Tuus Os. Myc.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero, in domino suo.

Bedenken, auf die Bullinger schon am 11. August in Nr. 2984,12-25, eingegangen war.
13 Vgl. 1Thess 5, 3.
14 Vgl. Mt 24, 10.
15 Vgl. 1Thess 5, 17.
16 Michael Martin Stella. - Zur Angelegenheit s. zuletzt Nr. 3041,26f.
17 Gemeint ist vermutlich Girolamo Franco, seit 1541 apostolischer Nuntius in der Eidgenossenschaft. Im Oktober 1547 schrieb er aus Uri an die katholischen Orte und forderte sie erneut zur Teilnahme am Konzil auf (Akten über die diplomatischen Beziehungen der römischen Curie zu der Schweiz 1512-1552, hg. y. Caspar Wirz, Basel 1895. S. 430f. Nr. 286). Francos deutschsprachiger Begleiter
Albert Rosin erschien ebenfalls am 15. November an einem Treffen der Fünf Orte in Luzern; s. EA IV/1d 877 e. Möglicherweise führte dies zu dem hier mitgeteilten falschen Gerücht, denn Söldnerwerbungen des Papstes in den Fünf Orten konnten für diese Zeit nicht belegt werden. -Zu der damaligen Angst vor Söldneranwerbungen in der Eidgenossenschaft s. EA IV/1d 858 b.
18 Die Myconius mit Bullingers Brief Nr. 3032 vom 5. Oktober zugesandten Dokumente; s. Nr. 3035,37-41.
19 Gemeint ist die nach Augsburg erfolgte Rückkehr des Kaisers von seinem Jagdausflug; s. dazu Nr. 3017, Anm. 16, und die dort angeführten Stellen.