Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3148]

Bullinger
an Oswald Myconius
Zürich,
Samstag, 25. Februar 1548

Autograph: Zürich StA, E II 342, 189 (Siegelspur) a Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW 1018, Nr. 1132

[1]Bullinger hat die beiden Briefe von Myconius [Nr. 3138 und Nr. 3143 vom 14. und 18. Februar 1548]gebündelt erhalten. -[2]Die Befürchtungen von Myconius über den französischen König Heinrich II. sind begründet. Bullinger würde ein Bündnis mit ihm ablehnen, da dieser offensichtlich die Evangelischen in grausamster Weise verfolgen lässt. Viele hassen Kaiser Karl V. wegen seiner Blutgier und sind Heinrich II. zugeneigter, als ob er [die Evangelischen] schonte! Aber es handelt sich bei beiden um Feinde Christi, die gleichermaßen von [den evangelischen Eidgenossen]gemieden werden müssen, außer man will gemeinsam mit beiden im Diesseits und Jenseits zugrunde gehen. -[3]Etwa am 1. Februar [richtig: am 4. Februar] wurde in Paris ein gewisser Octavien Blondel, ein angesehener Franzose langsam verbrannt, der in Lyon in Gegenwart von St. Galler Kaufleuten [N.N.] in einer öffentlichen Herberge gefangen genommen worden war. Auf Bitten dieser Kaufleute hatten sich die Räte von Zürich, Bern und St. Gallen [zuvor] schriftlich für den Gefangenen eingesetzt. Ob diese Petitionsschreiben nun überstellt wurden oder nicht: Laut Joachim Vadians Schreiben [Nr. 3144] ist der gute Mann verbrannt worden. Solche Spektakel werden veranstaltet! -[4]Konstanz hofft beharrlich auf die Aussöhnung mit dem Kaiser. Mögen die Verhandlungen einen guten Ausgang für Konstanz nehmen und einen besseren, als Bullinger [insgeheim]befürchtet. -[5]Es geht das Gerücht um, dass Philipp II., der Sohn Karls V, in Genua gelandet sei: So wird er unmöglich von [feindlichen] Schiffen abgefangen werden. Er soll als römischer König eingesetzt werden. Die Spanier wollen herrschen und die Deutschen heißen sie willkommen! Sollen sie ihren Gehorsam doch genießen! -[6]Philipp von Hessen und Johann Friedrich I von Sachsen sollen bald aus der kaiserlichen Haft entlassen werden. -[7]Karl V. ordnete an, Geschütze von Frankfurt a.M. über den Rhein in die Niederlande zu verschiffen. Vielleicht will er damit dem dänischen König Christian III. drohen. -[8]Grüße. Mehr vermag Bullinger derzeit nicht zu schreiben.

S.P. Binas 1 tuas colligatas recepi.

Merito times de Gallo 2 . Nollem nos ei coniunctos. Certum enim est illum crudelissime persequi evangelium. 3 Odiunt multi caesarem velut sanguinarium,

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.
1 Nr. 3138 und Nr. 3143. -Beide Briefe sind mit Adresse und Siegel versehen. Wahrscheinlich waren sie zu einem Briefbündel zusammengefasst.
2 Heinrich II., der die Erhaltung jenes Soldbündnisses verfolgte, das sein Vater Franz I mit den Eidgenossen abgeschlossen hatte. - Bullinger war im Gegensatz zu Myconius gegen
ein solches Bündnis. Letzterer befürchtete jedoch, dass sich Heinrich II., sollten die Eidgenossen einen Vertrag mit ihm ablehnen, mit Karl V. verbünden könnte; s. Nr. 3130, Anm. 10; Nr. 3143,19-24.
3 Zur Verfolgung und Verbrennung von Evangelischen in Paris s. unten Z. 7-11 sowie Nr. 3119,24-29 und Nr. 3136,52-54.


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Gallo aequiores sunt utpote clementiori. Sed utrumque video esse hostem Christi, utrumque nobis ex aequo fugiendum, nisi tandem et cum ipsis in hoc et in futuro seculo perire liceat.

Circa principium februarii lento igni tostus est Paeisiis Octavianus 4 quidam, nobilis Gallus, Lugduni apud mercatores Sangallenses captus in publico diversorio. Mercatores curarunt, ut Tigurinus, Bernensis et Sangallensis senatus scripserit pro capto. Sive vero suppressae sint literae, sin minus, Vadianus scribit bonum virum esse exustum! 5 Haec scilicet spectacula exhibentur, etc.

Constantia constanter sperat se clementer a caesore 6 recipiendam. 7 Utinam bene cedat illis negotium, et melius, quam ego putem, cessurum.

Putatur filius 8 caesoris naves appulisse Genuam. Adeo non excipietur aut intercipietur ab navibus paratis. Creabitur, ut fama est, rex Romanorum. 9 Hispani dominari volunt. Germani libenter recipiunt. Fruantur ergo sua obedientia.

Hessum 10 et Saxonem putant mox a caesare dimittendos. Caesar iussit a Francfordia per Rhenum tormenta deportari in Inferiorem Germaniam. Imminet b forte Dano 11 .

Vale. Plura non possum. 25. februarii, Tiguri, 1548. Bullinger.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Osvaldo Myconio, fratri charissimo suo. Basel.

b In der Vorlage Iminet.
4 Zur Hinrichtung des evangelisch gesinnten Octavien Blondel am 4. Februar 1548 in Paris und den erfolglosen Einsatz des Zürcher, St. Galler und Berner Rates s. Nr. 3144,9-13 mit Anm. 9.
5 Vgl. hierzu Nr. 3144,9-16.
6 Totschläger. -Gemeint ist Karl V. -Das Wortspiel caesar-caesor, das im Briefwechsel von Bullinger und Myconius des Öfteren verwendet wird, findet sich zuletzt in Nr. 3143,7.
7 Zum Konstanzer Versöhnungsantrag an den Kaiser s. zuletzt Nr. 3145,60f.
8 Philipp II. von Spanien sollte erst im Oktober 1548 (zum ersten Mal in seinem Leben) Spanien verlassen, um durch die Territorien seines Vaters zu reisen; s. Nr. 3115, Anm. 6.
9 Besonders in Augsburg verbreiteten sich Gerüchte um die Bestrebung Karls V., seinen
Sohn zu Ungunsten seines Bruders Ferdinand I zum Römischen König und später zu seinem Nachfolger als Kaiser wählen zu lassen; s. Nr. 3145, Anm. 26.
10 Philipp von Hessen und Johann Friedrich I von Sachsen befanden sich seit ihrer Niederlage im schmalkaldischen Krieg in Gefangenschaft. Der Landgraf wurde zu dieser Zeit in Nördlingen, der Herzog in Augsburg festgehalten. Beide sollten erst 1552 aus der kaiserlichen Haft entlassen werden; s. HBBW XX, Nr. 2917, Anm. 12; Nr. 2948, Anm. 9; Nr. 3102, Anm. 15 und Anm. 12.
11 Christian III. von Dänemark. - Zu den angeblichen Plänen Karls V., seinen Schwager Christian II. wieder als König von Dänemark einzusetzen, s. Nr. 3137,109 mit Anm. 149.