Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[648]

Johannes Zwick an
Bullinger
[Konstanz],
10. September 1535

Autograph: Zürich StA, E II 364, 14r.-v. (Siegelspur) Ungedruckt

Bittet um Hilfe bei der Suche nach einem Prädikanten für [Balthasar von Kuenring]und erkundigt sich nach jemandem, der von Hirzel stammt und in Frage kommen könnte. [Martin]Frecht berichtet brieflich von einer neuerschienenen Ausgabe der "Loci communes", worin Melanchthon sein Gutachten für den französischen König erläutere; weiter schreibt er, Schwenckfeld, auf den kein Verlaß sei, habe in Ulm eine Bleibe gefunden, und Franck sei vom Ulmer Rat zur Rechtfertigung seiner Schriften aufgefordert worden; beide hätten Zulauf aus Augsburg. Zwick dankt Gott für die Genesung eines Hausgenossen Bullingers. In Schaffhausen droht der Kirche Gefahr wegen der Uneinigkeit von Obrigkeit und Pfarrern gegenüber den Täufern. Grüße.

Salus per Christum.

Scis, qualem ministrum desyderet baro ille, qui nuper apud vos fuit 1 . Si tu quem nosti, vellem, illius mihi mores et ingenium cum nomine indicares; nam e a Franckfordia scripturus est ad me baro b2 , quid mihi sit faciendum. Es ist neiswa 3 einer uss dem Hirzel by Horgen 4 , den kennend ir wol. Lassend mich

8 Über den Aufenthalt von Viret in Bern ist sonst nichts bekannt; vgl. Jean Barnaud, Pierre Viret. Sa vie et son oeuvre (1511- 1571), Saint-Amans 1911, S. 105.
9 Zur versuchten Vergiftung von Viret vgl. oben Nr. 566, 40-43.
10 Luther soll den Wunsch geäußert haben, Bullinger möge ihm schreiben; vgl. unten Nr. 652, 15f.
11 Wortspiel auf Haller.
a e übergeschrieben.
b nach baro gestrichenes d.
1 Gemeint ist Balthasar von Kuenring, der kurz zuvor in Konstanz und Zürich einen geeigneten Prädikanten gesucht hatte; vgl. oben Nr. 632, 2-5; 642, 30-37.
2 Ein solcher Brief ist nicht erhalten.
3 irgendwo (SI IV 809f).
4 Der Name dieses von Hirzel bei Horgen


Briefe_Vol_05_363arpa

wissen, was er für ain mensch sye; dann der her were des wol wert, das er ainen syttigen 5 , verstendigen gsellen 6 hette. Darum sind mir hilfflich und raetlich 7 .

Novarum rerum nihil habeo, quam quod Philippus Melanthon denuo c aedidit Locos suos communes 8 , in quibus rationem consilii Gallo d dati accurate explicat 9 . Sic ad me scribit Frechtus 10 additis nonnullis de Schwenckfeldio et Franco. "Schwenckfeldius", inquit, "apud nos Ulmae habet diversorium 11 . Pollicetur strenue se concordiae leges 12 observaturum, sed ego metuo, ne velut sub Aiacis 13 clypeo latens huius concordiae praetextu sua interim dogmata serat. Pertinaciter vero vult defendere naturam humanam e in Christo prorsus esse deificatam adeo, ut ipsa creaturae rationem exuerit 14 . Francus", inquit Frechtus, "senatus consultu iussus est omnia sua perperam scripta publice vel declarare vel revocare f15 . Habent isti suos applausores, praesertim Augustanos, qui huc pestis declinandae gratia agminatim convolaverunt."Haec ex literis Frechti paucis.

c denuo am Rande nachgetragen.
d Gallo korr. aus Galli.
e humanam am Rande nachgetragen.
f Die Vorsilbe re ist als nicht sicher lesbare Ligatur geschrieben.
(Kt. Zürich) stammenden Prädikanten ließ sich bisher nicht feststellen.
5 wohlgesitteten (SI VII 1467f).
6 jungen Mann, Pfarrhelfer (Grimm IV/I 2 4032; SI VIII 719).
7 mit Rat behilflich (SI VI 1617). — Am 5. Oktober 1536 wandte sich Zwick erneut mit der Bitte um einen Prädikanten für Balthasar von Kuenring an Bullinger (Zürich ZB, Ms F 62, 569).
8 Melanchthon, Loci communes theologici recens collecti et recogniti, Wittenberg 1535 (MO XXI 229-252. 331-560; vgl. Melanchthon BW. Regesten II 178-180. 198, Nr. 1551. 1555. 1606f).
9 Dies ist höchstens in ganz allgemeinem Sinn zu verstehen; Melanchthon bezieht sich in den "Loci communes" nicht ausdrücklich auf sein umstrittenes Gutachten zur Einheit der Kirche (zu diesem vgl. oben Nr. 513, Anm. 4).
10 Der Brief Martin Frechts ist nur in den folgenden Zitaten und in Zwicks Mitteilung an Vadian vom 16. September (Vadian BW V 250f) teilweise überliefert.
11 Schwenckfeld kam demnach schon Ende August/Anfang September nach Ulm,
nicht erst kurz vor dem 26. September (so CSch V 402, Anm. 5). Hier wohnte er bei Bürgermeister Bernhard Besserer; vgl. unten Nr. 661, 43-45.
12 Gemeint ist die am 28. Mai 1535 zwischen Blarer, Bucer, Frecht und Schwenckfeld geschlossene "Tübinger Konkordie"; vgl. oben Nr. 622, Anm. 31.
13 Aias der Telamonier, griechischer Held im Trojanischen Krieg, Träger eines mächtigen Schildes (Pauly/Wissowa I/1 930-936). Zur Redensart vgl. Quintillian, Institutio oratoria 8, 4, 24.
14 Zur Fortdauer des Streits um die Kreatürlichkeit Christi trotz der in Tübingen erzielten Übereinkunft vgl. CSch VI 86f.
15 Sebastian Franck antwortete am 3. September mit einer ausführlichen Erklärung (vgl. unten Nr. 661, 36-40) auf die von Frecht und den Schulpflegern auf Grund eines Ratsbeschlusses vom 16. Juni zusammengetragene und ihm am 20. Juli zugestellte Liste der anstößigen Stellen in seinen Schriften. Die Dokumente sind gedruckt bei: Alfred Hegler, Beiträge zur Geschichte der Mystik in der Reformationszeit. Aus dem Nachlasse hg. v. Walther Köhler. Berlin 1906. — ARG, Ergänzungsband I, S. 122-186; vgl. Eberhard Teufel, "Landräumig". Sebastian Franck, ein Wanderer an Donau, Rhein und Neckar, Neustadt an der Aisch 1954, S. 59-76.


Briefe_Vol_05_364arpa

||14v. Quod adolescens tuus convaluit 16 , gratias ago domino, qui te cumprimis servet incolumem.

De Schafhusia esto sollicitus; parum enim convenit magistratui g cum ministris, irritantibus quibusdam, ut aiunt, anabaptistis 17 . Certe succurrendum est ecclesiis dissentionibus perituris.

Sed vale; plura enim non possum. Thomas 18 cum sorore sua 19 et frater Cunradus 20 valere h te volunt quam optime.

10. septembris 1535.

Tuus Io. Zwick.

Theodorum 21 , Leonem 22 , cumprimis Pellicanum salvere iubeo.

[Adresse auf f. 11a v.:] Domino Hainricho Bullingero, antistiti Tigurino, fratri charissimo.