Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2994]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
18. August 1547

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 275 (neu: 290)(Siegelspur) Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW 984, Nr. 1099

[1] Wie Myconius erneut aus Konstanz erfuhr, verfolgt Kaiser Karl V. den Plan einer wiedervereinigten Religion, die er ganz Deutschland verordnen will. Was soll das werden? Ein schlechter Baum trägt ja keine guten Früchte! Den [Protestanten] könnte nur die Bußbereitschaft gefallen. Hoffentlich greift Gott ein, wenn der Kaiser etwas gegen sein Wort unternimmt! Dieser wird doch kaum etwas anderes im Sinn haben, jetzt, nachdem der Augsburger Bischof Otto Truchsess von Waidburg, wieder eingesetzt ist. -[2]Aus Straßburg erfährt man, dass der Kaiser dort Überwintern wolle und schon erwartet werde. Ein adliger Flüchtling [...] sagte, der Kaiser wolle nach Straßburg, Speyer und Mainz und werde zeitlebens Deutschland nie mehr verlassen. - [3] Vadian schrieb einem Freund [...], dass kürzlich St. Gallen und Schaffhausen mit herrlichen Urkunden zum Augsburger Reichstag einbestellt wurden. Ist vielleicht diese Vorladung identisch mit jener, die auch an Basel ergangen ist? Der Kaiser wirbt also um die Eidgenossenschaft, die er jedoch bei erstbester Gelegenheit angreifen wird. -[4]Man erzählt, dass die Luzerner nicht zum Zürcher Schützenfest gekommen seien und die Teilnahme der Konstanzer fraglich sei. Myconius staunt über beides, hatte er doch fast den Eindruck, dass das Fest wegen der Konstanzer veranstaltet wurde. -[5]Die Pläne des französischen Königs Heinrich II. sind nicht klar. Er hat schon drei Truppen mit Landsknechten und will eine vierte im kommenden Frühjahr mustern lassen. Er wurde zum König gesalbt, aber noch nicht gekrönt (angeblich aus gewichtigen Gründen). So treibt die Welt ihr Spiel! -[6]Myconius macht sich Sorgen um das Evangelium, denn die Menschen wenden sich immer mehr davon ab und zeigen keine Bußbereitschaft. Die Liebe erkaltet, sogar bei denen, die sie verkündigen. Gott helfe! -[7] Grüsse, auch an Theodor Bibliander; Rudolf Gwalther, John Hooper und an dessen Frau Anne [geb. t'Serclaes].

S. Ex Constantia iterum intellexi de ordinatione communi religionis, quam caesar instituat, quam et per totam Germaniam edicto sit sparsurus. Quid

7 Siehe dazu Nr. 2958, Anm. 22, und Nr. 2992.
8 Vorliegender Brief wird vermutlich von dem in Nr. 2992,[4], erwähnten und namentlich nicht bekannten Studenten nach ZUrich befördert worden sein.
1 Ein solcher Brief an Myconius ist nicht bekannt.
2 Karl V. - Gemeint ist hier die vom Kai-
ser angestrebte Regelung des Zusammenlebens der Konfessionen im Reich. Aus diesem Grund hatte er schon im August 1547. vor Beginn des Augsburger Reichstags, eine Gruppe von Theologen beauftragt, eine Ordnung dafür zu entwerfen; s. NBD X 78; Walter Friedensburg, Zur Vorgeschichte des Interim, in: ARG IV, 1907, 213-215; Rabe, Reichsbund 192-194 (wo jeweils auch die Namen


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videtur? Num arbor mala producet bonos fructus? 3 Quid fiet igitur? Tantum nobis poenitentia placere posset. 4 Sperarem dominum evigilaturum, postquam ille manum iniicere tentat in verbum eius, nisi forsitan aliud sit, quod conatur 5 -quod non arbitror tamen restituto episcopo Augustano 6 .

Argentinam fertur delegisse idem caesar pro hybernaculo, et expectatur; id quod his diebus mihi significatum est illinc. 7 Narrat nobilis 8 hic exul degisse Argentinam, Spiram et Maguntiacum 9 , in quibus deinceps sit moraturus, Germaniam non exiturus amplius.

Scripsit amico cuidam 10 d. Vadianus et Sangallenses et Schafhusianos speciosissimis diplomatis ad comitia 11 vocatos nuper. 12 Nescio, an id idem sit cum vocatione, qua et nostri vocati sunt. 13 Summa: Helvetiam ambit, quam et, si potent, dum fuerit occasio, petiturus est.

Rumor volat hic Lucernanos non venisse ad ludum istum bombardarum 14 et in dubio esse, an Constantienses advenerint. Utrumque mirarer, si sic haberet. Persuasus propemodum eram conventum eum propter Constantienses institutum.

Gallus 15 quid moliatur, nemo scit. Habet exercitus tres ex Germanis militibus, 16 quartum conscripturus ad proximum ver. Unctus est nuper, sed nondum coronatus. 17 Aiunt magnas esse causas, cur istama coronationem differat. 18 Sic mundus ludit. 19

Evangelio vehementer timeo, quod video idipsum magis ac magis in dies apud omnes deficere et neminem respicere ad poenitentiam. In charitate frigemus omnes, 20 etiam qui docemus charitatem. Dominus nobis subveniat.

a In der Vorlage itam.
der Theologen angegeben sind). Diese Ordnung wurde im Dezember 1547 vorgelegt ("Dezemberformel", gedruckt in: ARCEG VI 258-301, Nr. 17). Sie besagte u.a., dass im Hinblick auf Dogma und Zeremonien die Evangelischen zum alten Glauben zurückkehren müssten; s. RTA-JR XVIII/1 84.
3 Vgl. Mt 7, 17f.
4 Vgl. Nr. 2901,15f; Nr. 2934,7f. 29f; Nr. 2954,24f, und unten Z. 24.
5 Nämlich die ganze Kirche zu reformieren, was viele der damals sich im Umlauf befindenden Endzeitprophezeiungen mit dem Endkaiser in Verbindung brachten. - Vgl. nämlich unten Anm. 20.
6 Otto Truchseß von Waldburg, der sich wieder in Augsburg aufhielt; s. Nr. 2984,58f.
7 Vgl. schon Nr. 2985,8f.
8 Unbekannt.
9 Mainz.
10 Unbekannt.
11 Der Augsburger Reichstag, der am 1. September 1547 beginnen sollte; s. Nr. 2952, Anm. 6.
12 Vgl. dazu Nr. 2975,[8].
13 Zu dieser anderen Vorladung an den Reichstag s. zuletzt Bullingers Ausführungen in Nr. 2984,26-43.
14 Das Schützenfest in Zürich; s. Nr. 2958, Anm. 22; Nr. 2992.
15 König Heinrich II.
16 Zu den deutschen Söldnertruppen Heinrichs II. s. Nr. 2971 und Anm. 18.
17 Falsch; s. Nr. 2924, Anm. 29.
18 Man vermutete, dass Heinrich II. einen Feldzug plante; s. Nr. 2924,49-53.
19 Vgl. TPMA XIII 40, Nr. 23f.
20 Vgl. Mt 24, 12. -Myconius glaubt also, in der Endzeit zu leben.


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Vale in Christo cum Theodoro 21 , Gvalthero et caeteris piis omnibus. Salutabis ex me dominum Hopperum cum uxore 22 optima in domino. Basileae, 18. augusti anno 1547.

Tuus O. M.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero, viro clarissimo, ministro Christi optimo, domino in Christo venerando suo. Zürich.