Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1460]

Joachim Vadian an
Bullinger
St. Gallen,
8. Februar 1541

Autograph: Zürich StA, E II 351, 2r.-8v. (neu: 16r.-22v.)(Siegelspur); Teilabschrift von Bullingers Hand: Zürich ZB, Ms Car C 43, 84v.-88v., 90v.-91r., 142r. und 153v. Autographe Beilage: Zürich StA, E II 440, 49-58; Abschrift von Bullingers Hand: Zürich ZB, Ms Car C 43, 142v.-144r., 153v.-155r., 238v.-240r. Gedruckt: Melchior Goldast, Alamannicarum rerum scriptores aliquot vetusti, Bd. II, Frankfurt a. M. 1606, S. 82-86 [Ed. Frankfurt a. M. 1661, S. 59-62; Ed. Frankfurt a. M.-Leipzig 1730, S. 61-64]a ; Teildruck b : Vadian BW VI 3f, Nr. 1150. Beilage ungedruckt
a In er Vorlage scriptum.
1 Nach Grynäus' Rückkehr vom Wormser Kolloquium.
2 Kaiser Karl V. hatte am 15. Januar die Beendigung des Wormser Kolloquiums angeordnet;
s. ADRG 11/1 208-2 10, Nr. 112 (vgl. den Abschied vom 18. Januar, ADRG II/1 210f, Nr. 113; MO IV 79).
3 Philipp Melanchthon.
4 Ein entsprechender Brief ist nicht nachweisbar.


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Sendet Dokumente der fränkischen Geschichte zurück [ZUB I, Nr. 37/Umarbeitung, 68 und 343], die er mit Genuss gelesen und Bullingers Bitte gemäß übersetzt hat; bei der Übersetzung ins Deutsche war er der Klarheit halber teilweise gezwungen zu paraphrasieren, statt wörtlich zu übersetzen. Man liest, dass die Schreiber jener Epoche [des 9. Jahrhunderts] so ungebildet waren wie kaum sonst je; Vadian war es deswegen unmöglich, alle sprachlichen Eigenheiten der Dokumente angemessen wiederzugeben; er hat zum Teil auch Korrekturen angebracht, wie etwa bei der Schenkungsurkunde Ludwigs des Deutschen, wo es ihm sinnvoll erschien, die Anfangssentenz auf einen größeren Personenkreis zu beziehen. Erläuterungen zu den übersetzten Urkunden und zur mittelalterlichen Urkundenterminologie: [1.] Das Eigentum [und den Bereich der Grundherrschaft]betreffende Begrifflichkeit: Mit "allodium"wird der rechtlich gesicherte [volleigene]Besitz bezeichnet; nach Beatus Rhenanus geht die Bezeichnung auf das Wort "anlodt"zurück; unterschiedliche Deklination von "mansus" in den alten Urkunden. Für die dem Ehrschatz unterliegenden Güter musste bei einem Besitzerwechsel eine Handänderungsgebühr entrichtet werden; "terra salica" bedeutet ein unter gewissen Bedingungen bewirtschaftetes Freilehen- oder auch Freieigengut, dessen Pächter nur bei Verletzung der Vertragsbedingungen enteignet werden darf; die Quittung der vertraglichen Vereinbarung wird Reversbrief genannt, die Verpachtung insgesamt Erblehen; diese Form der Bewirtschaftung war abgabenpflichtig, wie aus den Pandekten Justinians hervorgeht, nicht aber der Willkür des Grundherrn ausgesetzt; im Zeitalter Justinians wurde mit dem Begriff "emphyteusis" die enge Bindung des Pächters an sein Erblehen zum Ausdruck gebracht; "[ius]emphyteuticum" ist deutsch mit "Erblehenrecht" zu übersetzen; Erblehen deshalb, weil das Lehen auf die Erben und Nachfahren übergeht; solcher Grundbesitz wurde bei den Alemannen und Franken mit dem Wort "mansus"bezeichnet; da den Höfen der Unterhalt des zuständigen Geistlichen auferlegt war, nannte man diese Höfe nach der menschlichen Kehle gewöhnlich "Kelnhofe"; diese [Einkünfte] waren eigentlich für die Pfarreien bestimmt, wurden ihnen aber von den Mönchen zunehmend durch Inkorporation entzogen; bis heute ist das Wort "Kelnhof' vor allem bei den Benediktinern bekannt geblieben. "Mansus" wurde von den Franken als Sammelbegriff für "Hof" verwendet, "terra salica"bedeutete Freieigengut, das aus dem Erbe an die männlichen Nachkommen fiel; der Begriff fand oft Erwähnung in den Urkunden der fränkischen Könige; die Schenkungsurkunden wurden in jener Zeit als "chartae"bezeichnet, von denen sich viele in deutschen Klöstern erhalten haben. [2.]Der Begriff "curtis"bedeutet wie "cors/cohors"grundsätzlich Versammlung oder Versammlungsort, wurde aber von den fränkischen Schreibern auf verschiedene Weise verwendet, reicht die Palette der Anwendungen doch vom königlichen Hof bis zu einem Weideplatz; es scheint Vadian, ihm sei eine ähnliche Verwendung des Wortes "cohors" im Codex Justinianus begegnet, er kann sich allerdings nicht mehr an die genaue Stelle erinnern; "curtis" meint aber auch Gerichtsbarkeit und Herrschaftsgewalt; kommt Letztere in quasi reiner Form vor, nennt man sie in deutscher Sprache "Hochgericht" oder "hohe Obrigkeit", eine gemischte Herrschaftsgewalt liegt hingegen vor, wenn sich in einer Herrschaft hohe und niedere Gerichte vorfinden, wie dies ohne
a Goldast veröffentlichte den Brief unter dem Titel "Ioachimi Vadiani de obscuris Alemannicorum verborum significationibus epistola ad Heinricum Bullingerum". Seine Ausgabe weicht vielfach von dem nach Zürich gesandten Schreiben ab und wurde wohl nach einem verschollenen Entwurf Vadians gefertigt (s. die Bemerkungen in Vadian BW VI 4; zum Zugang zu Vadians Manuskripten und zur Verwendung von dessen Werken durch Goldast vgl. Rudolf Gamper, Die Bücherdiebstähle
des Melchior Goldast in St. Gallen, in: Lesen -Schreiben -Drucken, hg. v. Marcel Mayer u. a., St. Gallen 2003, S. 73-88, Anm. S. 144-147). Goldasts Varianten werden nach der Ausgabe 1606 unter dem Sigel "G" verzeichnet, wobei rein orthographische Abweichungen sowie Wortumstellungen bei gleichem Wortbestand keine Berücksichtigung finden.
b Druck der Anfangs- und Schlusssentenz, ohne die Erläuterungen zu den Urkunden.


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Zweifel im zürcherischen Herrschaftsbereich Ludwigs [des Deutschen] der Fall war. Die niedere Gerichtsbarkeit -ohne Malefizhoheit -wurde häufig den Klöstern und Kirchen übertragen; lange Zeit scheuten sich die Kirche und die Städte jenes mittleren Zeitalters vor der Übernahme der hohen Gerichtsbarkeit, im Gegensatz zu den Mönchen und Bischöfen der späteren Zeit; eine "curtis" ist immer verbunden mit einer Form von Gerichtsbarkeit und Herrschaftsgewalt und kann deutsch mit "Vogtei" umschrieben werden, die jeweiligen spezifischen Rechte differieren aber; Helvetien war, wie die alten Urkunden bezeugen, vollständig der harten fränkischen Herrschaft unterworfen; die "curtes" und auch die ungleich größeren "pagi", die deutsch mit "Gegenden/Bezirke" oder "Gaue" wiederzugeben sind, werden von Grenzen umfasst, die mit "marcae" bezeichnet werden; ein "pagus" wurde von einem Grafen regiert und war in mehrere "curtes"gegliedert, diese wiederum in mehrere Dörfer und Hofe. [3.] Weitere erklärungsbedürftige Ausdrücke: "Vestitura" bedeutet dasselbe wie Investitur und kann deutsch mit "Lehenbestätigung" übersetzt werden; distringere" bedeutet "vor Gericht zitieren", ein in den alten Volksrechten häufiger Ausdruck; "fredus" entspricht dem Wort "Frieden", genauer dem Friedstand oder Landfrieden, wobei der Begriff die dem Friedbrecher gesetzlich angedrohten Strafen, die auch heute noch drastisch sind, in sich enthält; hinsichtlich des Bannes wird ein größerer und ein kleinerer Bann unterschieden, der größere kommt dem König zu, bei beiden wird für eine Übertretung ein Geldbetrag fällig; von anderer Art ist der Bann, der deutsch mit "Acht" oder "Reichsacht" wiedergegeben wird. Soviel zu den Sachausdrücken, weitere Worterklärungen finden sich in Vadians Schrift über die alten Stifte und Klöster Deutschlands. Zu Berthold [V.], Herzog von Zähringen, der in einer Urkunde erwähnt wird, ist zu bemerken, dass er nicht dem großen Burgunderreich vorstand, sondern nur einem diesseits des Juras gelegenen Teil davon, ein Gebiet, das heute unter Berner, Solothurner und Freiburger Herrschaft steht; seinen Herrschaftssitz hatte Berthold in Burgdorf, das ganze Gebiet diesseits des Juras von Aare und Neuenburgersee bis [an den Genfersee] und ins Wallis gehörte einst zu Burgund. Über Zürich hat Otto von Freising in seiner Chronik, die Bullinger ja zur Hand hat, einiges geschrieben. Die Verwendung des Begriffs "redhibitio" in der Schenkung Ludwigs [des Deutschen] dokumentiert den Einfluss römischer Rechtsterminologie auf die fränkische und alemannische Urkundensprache. Gemäß Ulpians Definition bedeutet "redhibitio" die Rückgängigmachung eines Kaufes, welche Möglichkeit zum Schutz vor Missbräuchen diente; solche Betrügereien im Zusammenhang mit Kauf und Verkauf schildert das 21. Buch der Digesten. Derselbe Missbrauch lag bei der "Aufhebung der Bürgen" vor, was ebenfalls in der Urkunde Ludwigs erwähnt wird, wenn eine legitime Bürgschaft für rechtswidrig ausgegeben und in der Folge aufgelöst wurde. Die Bestätigung der zur Propstei Zürich gehörigen Kirchen in der Urkunde Bertholds [V. von Zähringen] bezieht sich auf Kirchen der zur Pfarrei gehörigen Landschaft. Vadian übersendet ein von einem St. Galler Mönch verfasstes Epitaph auf Hildegard, die erste Äbtissin des Fraumünsterstifts, das in einem Codex der St. Galler [Stifts-]Bibliothek überliefert ist. Epitaph auf Hildegard, zusammen mit einem Nekrolog-Eintrag und einer Bauinschrift für die Fraumünsterkirche. Diese kunstvollen Zeilen des mönchischen Verfassers stehen ganz im Gegensatz zu den heutigen, durch Müßiggang gemästeten Vertretern des Mönchtums, die nichts weniger lieben als Bildung und Gelehrsamkeit. Bullinger weiß besser Bescheid über diese [besprochenen] mittleren Zeitalter der Franken und Alemannen, Vadian bittet um gelegentlichen Rat und um eine lateinische Abschrift der Gründungsurkunde des Klosters Reichenau; vermutet, dass sich eine solche in Bullingers Besitz befindet, da dieser ihm ja eine wohl von ihm selbst verfertigte deutsche Übersetzung zugesandt hat; Vadian bittet außerdem um die Chronik [Hermanns] des Lahmen aus Bullingers Bibliothek, falls er diese nicht aus anderer Quelle beschaffen kann. Dank für einen Brief Bullingers, den Vadian zusammen mit einem von [Simon] Grynäus verfertigten Hekatostichon erhalten hat. Kaiser Karl [V.] ist mit großem Geleit nach Nürnberg unterwegs, die Papisten wollen eine Übereinkunft verhindern; Grüße, auch an Frau und Kinder sowie an die Kollegen. Beilage: Drei von Vadian übersetzte, das Zürcher Großmünster und Fraumünster betreffende Urkunden: 1. Verzeichnis der Besitzungen des Großmünsters, 2. Bestätigung Herzog Bertholds [V.] von Zähringen betreffend die Wahl des Leutpriesters durch die Chorherren der Propstei Zürich und Bestellung zweier Hilfspriester, 3. Stiftung der Fraumünsterabtei durch Ludwig den Deutschen.


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S. Remitto humanitati tuae Francicas illas antiquitates, exempla videlic[et]c veterum tabularum d e , quae sane magna cum voluptate, sed et fructu non mo[dilco. legi, et petenti f tibi 1 in aliquot literis transferendis gessi morem, 2 in quib[us] tamen nostram in linguam conversis g ob sensus ciaritatem assequendarn paraphrasten quendam h agere coactus sum, quum verbum verbo reddere non d[a]retur, nisi una inscitiam i et barbariem prodere libuisset k .

Saecula ista lo[n]ge incultissima tale genus scribas l habuere m in aulis etiam et curiis princ[i]pum, quale nulla alia vel vetusta vel recentia habuisse leguntur, et ea linguae scabricies n o , ut rem ullam vel dare vel inoffensa ve[r]borum simplicitate p referre in literas nuilo modo potuerint q . Quum nemo tame[n]r interim vernacula lingua quicquam scriberet adeo dura illo tempore, ne 8 ore quidem exprimi sine magnis sibilis hiatibusque et rictibus potuer[it], nedum calamo commodum depingi t . Mutavi autem alicubi person[s]u , ut in Ludewici iunioris 3 donatione in principio 4 , ubi mihi visum

c Textverlust durch Randbeschnitt, der jeweils die Recto-Seiten tangiert; hier und im Folgenden - wo möglich - ergänzt nach G.
d exempla videlic[et] veterum tabularum fehlt in G.
e In G quas.
f petenti fehlt in G.
g nostram in linguam conversis fehlt in G.
h quendamfehlt in G.
i inscitiamfehlt in G.
k In G libuerit.
l Der erste Buchstabe von Vadian korrigiert aus g.
m-o In G habuerunt vel in aulis et curiis principum, ut assequi Latina lingua non valuerint, quo.
n Zu ergänzen ist fuit o. ä.
p-q In G simplicitate postens relinquerent.
r tame[n]fehlt in G.
s InGutne.
t In G in literas commodum referri statt calamo commodum depingi.
u In G Mutavi alicubi et personam statt Mutavi autem alicubi persona[s].
1 Eine entsprechende Bitte Bullingers ist nicht erhalten. Vadian galt nach der Abfassung der zu seiner Zeit ungedruckt gebliebenen "Farrago de collegiis et monasteriis Germaniae veteribus" (1537) (St. Gallen Kantonsbibliothek [Vadiana], Ms 48, f. 1-116; Abdruck in: Goldast, aaO, Bd. III, S. 1-111) als Experte der frühmittelalterlichen
Geschichte, vgl. Bullingers diesbezügliche Bemerkung in seiner Tigurinerchronik (Zürich ZB, Ms Car C 43, f. 153r.-v.): "hab ich [...] an h. doctorn Vadianum geworben, alls den, der in sömlichen allten instrumenten und vergabunges brieffen wol gerümpt [...]."Vadian konnte für seine an Bullinger gerichteten Erklärungen auf seine "Farrago"zurückgreifen, die ähnlich wie im vorliegenden Brief Probleme der mittelalterlichen Urkundenterminologie und Diplomatik behandelt. Aspekte von Vadians Beschäftigung mit dem Mittelalter behandelt Bernhard Hertenstein, Joachim von Watt (Vadianus), Bartholomäus Schobinger, Melchior Goldast. Die Beschäftigung mit dem Althochdeutschen von St. Gallen in Humanismus und Frühbarock, Berlin-New York 1975. —Das Althochdeutsche von St. Gallen. Texte und Untersuchungen zur sprachlichen Überlieferung St. Gallens vom 8. bis zum 12. Jahrhundert 3, bes. S. 19-87.
2 Zu den von Bullinger übersandten Urkunden und Vadians autographen Urkundenübersetzungen vgl. unten die Beilage, Anm. 122,172 und 195.
3 Ludwig II. der Deutsche, ostfränkischer König. Geb. um 805, gest. 876, Sohn Kaiser Ludwigs des Frommen, s. Wilfried Hartmann, Ludwig der Deutsche, Darmstadt 2002; Ludwig der Deutsche und seine Zeit, hg. v. Wilfried Hartmann, Darmstadt


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es[t] communem sententiam, qua praefationis loco scriba est usus, rectius ad omnes eo modo v liberales principes quam ad solum Ludewicum referr[i]. 5 Plus enim gravitatis habet sensus hoc modo redditus, ut w omnium liber[a]litati merces coelestium rerum constituta intelligatur x quam si uni alicui y so[lum] tribuatur. Verum z tui erit iudicii isthaec aa vel sinere vel mutare pro a[ni]mi sententia.

De ab vocabulis autem quibusdam ac , quibus Franci et Alemanni veteres ad sunt usi, haud ae facile petenti tibi responderim, ni et coniecturae locum cedas af ; hac enim tutius ag utemur ah etiamsi , pluscula pe[rspec]ta et probe cognita teneamus. Ac primum quidem ai praedii voc[e] 2v. (16v.) || nec inepte mihi usi videntur scribae ak illi utcunque insulsi al nec barbare, quum praedii nomine am ceu generali agros, hortos, pascua, salicta an , vineta, aedificia et alia id genus fundi nomine comprehensa ao significarunt, quae in nostra sunt possessione. Quippe ap et salica terra et allodium et mansa in praediis censeri potuerant aq . Alodia ar6 enim tametsi nobilium erantas ceu gentilitia quaedam bona, quae non ullius beneficio, sed at iure quodam, ut sic dicam, suo tenebantur au tamen av ex , lege de alode, quae inter Alemannicas, nisi fallor, extat, aliorum quoque alodia fuisse apparet ax . Recipio autem Rhenani 7 coniecturam vocem alodii ay inde natarn arbitrantis, quod ea bona familiis velut coagmentata et coniuncta essent, "anlodt". 8 Mansum az9 Alemanni fundum

v eo modo fehlt in G.
w in G dum.
x In G intelligitur.
y alicui fehlt in G.
z-aa In G Sed tuum erit isthaec.
ab-ac In G De vocabulis nonnullis illorum temporum.
ad veteres fehlt in G.
ae-af In G equidem facile non responderim, nisi et coniectutis[!] agere liceat.
ag in G iis.
ah In G utimur.
at Ac primum quidemfehlt in G.
ak-al Fehlt in G.
am In G ea statt praedii nomine.
an salictafehlt in G.
ao fundi nomine comprehensa fehlt in G.
ap in G ut.
aq In G potuerint.
ar-as In G Quanquam enim Alodia nobilium erant.
at-au In G sed jure proprio tenebantur.
av In G ni.
aw-ax In G apparet et aliorum alodia fuisse.
ay alodii fehlt in G.
az Vor Mansum in der Vorlage ein Absatzzeichen, das auch im Folgenden nur wiedergegeben wird, wenn es Bestandteil einer Quellenangabe ist.
2004; Wilhelm Störmer, in: LMA V 2172-2174 (Lit.).
4 Vgl. unten Z. 428-433.
5 Zur Urkunde Ludwigs des Deutschen vgl. unten die Beilage 3, mit Anm. 195.
6 Allod/Allodium bezeichnet das in vollem Eigentum stehende Gut, im Gegensatz zum Lehngut. Spezieller bezeichnet es das Familienerbgut, s. W. Goez, in: HRG I 120f.
7 Beatus Rhenanus.
8 Beatus Rhenanus, Rerum Germanicarum libri tres, Basel (Offizin Froben) 1531 (VD 16 R 2064), S. 90: "Haec proprii iuris erant, fortasse Germanico vocabulo sic dicta, quod familiae velut coagmentata sint et coniuncta, hoc est inseperabilia a familia, ein Anlod."
9 Zum Begriff "mansus" vgl. unten Anm. 27.


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dixere cum villula. Scribae barbari, qui ba sine regula quaslibet sibi terminationes usurparunt bb , mansam etiam vocarunt bc et mansos etiam, quod in pluribus chartis invenimus. Ea enim imperitia fuit quorundam, ut "clostarnum" etiam Latina declinatione pro "claustro" scribere non dubitarint. 10 Puriores tamen tabulae veteres mansum masculino genere et in flexione . quarta protulerunt. bd

Enimvero agri in illa gente varii iuris erant; multi enim be fiscalini dicti bf , quorum reditus fiscis principis deserviebant. Hi bg donati collegiis aut monasteriis bh ecclesiastici vocabantur; sed bi et empti idem sibi nomen arrogabant; quorum ea erat servitus et est bk hodieque bl multis in locis, ut vel bm venditi et abalienati 3r. (17r.) || et privatae possessiones facti toties bn certam aeris summam ecclesiis s[eu] monasteriis, in quorum primaeva possessione fuerunt, quoties venditi colonum novum recipiunt. Agri illi lingua nostra eeerschetzige hofgüter appellantur bo 11 . Ager salicus bp seu terra salica 12 illa servitute vac[a]bat. Salicum bq idem erat quod Francicum; 13 praecipui enim Francorum vete[rum] erant, qui Salingi sunt cognominati; nam et Sauce legi ab illis [no]men datum est, 14 quod et a Beato Rhenano, magni iudicii viro, d[ililgenter est observatum br 15 . Terram bs salicam 16 nostra lingua freyleheng[ut]

ba-bb Fehlt in G.
bc-bd In G vocarunt, sed chartae veteres puriores mansum masculino et in flexione quarta, licet et mansos legerim in multis. Tanta scribarum imperitia fuit, clostarium etiam pro claustro ponere ausa.
be multi enim fehlt in G.
bf In G scilicet.
bg-hh In G Qui donati venditive monasteriis parochiisve.
hi-bk Fehlt in G.
bi In G qui hodieque.
bm In G licet statt ut vel.
bn-bo In G sint, tamen ea servitute laborant, ut quoties venduntur et novum colonum possessoremve recipiunt, toties certa aeris summa ecclesiae seu monasterio pendenda sit, in cuius primaeva possessione fuerant, vulgo eerschätzige hofgüter vocamus.
bp In G Agri salici.
bq-br Fehlt in G.
bs-bt In G hanc vulgo frygelehengut vocamus.
10 In seiner "Farrago"(Goldast, aaO, Bd. III, S. 64) zitiert Vadian aus einer frühmittelalterlichen Urkunde, wobei er "clostareum" [sic] als korrupte Form von "claustrum" deutet und durch "coenobium" ersetzt.
11 Der Ehrschatz (lat. laudemium) war eine Handänderungsgebühr, die dem Lehnsherr für eine Besitzübertragung zu leisten war, vgl. H. -J. Becker, in: HRG II 1643-1647; DRW II 1294; SI VIII 1642-1649.
12 Vgl. unten Anm. 16.
13 Zum Volksnamen der salischen Franken besteht entgegen der Deutung Vadians, die er auch in seiner "Farrago"(Goldast, aaO, Bd. III, S. 80) vertritt, keine Verbindung, s. Ruth Schmidt-Wiegand, in: HRG IV 1274.
14 Gemeint ist die Lex Salica, das in den Jahren nach 507 unter Chlodwig I. verschriftlichte fränkische Volksrecht. Ausgabe: Lex Salica, hg. v. Karl August Eckhardt, Hannover 1969. — MGH. LNG 4/2. Vgl. Ruth Schmidt-Wiegand, in: HRG II 1949-1962; dies., in: LMA V 1931f.
15 Rhenanus, aaO, S. 90.
16 Terra salica (Salland) bezeichnete im Frühmittelalter den vom Grundherrn innerhalb einer Grundherrschaft in eigener Regie bewirtschafteten Bereich (Herrengut), im Gegensatz zum Land, das von den vom Grundherrn abhängigen Hufenbauern selbständig bebaut wurde, vgl. Ruth Schmidt-Wiegand, in: HRG IV 1273-1277; LMA VII 1306. Vadian charakterisiert das Salland als privilegierten und


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17 vocamus et etiam frey aigengut . bt18 . Id bu genus agri nonnumquam loc[a]bantur in perpetuam possessionem cum certa condictione redituum et cultu[rae] eo quidem pacto, ut neque colonum nec posteros eius mutare aut p[ri]vare possessione liceret, nisi pactum bv locationis violassent v[el] reditibus bw suo tempore non solutis vel neglectui habito fundo vel parte ulla fundi inscio domino distracta aut usuris recen[tilbus gravata bx . Quare et by apochas dabant coloni, quibus bz de pac[to] et condictione, qua locatus erat ager, cavebatur, quas hodie vulg[o] literas reversi et lingua nostra reversbrief ca , locationem autem ip[sam] erblehen 19 vocamus. Ager cb hac lege tocatus et addictus veterib[us]vectigalis dicebatur cc , quem eleganter descripsit Paulus iureconsultus cd20 . [Cuius] verba in titulo: "Si ager vectigalis etc." libro pandectarum lustinia[ni] sexto legimus. 21 Non vectigalis autem ce erat,
bu-bx In G Agros salicos elocabant nonnunquam certa conditione reddituum et culturae in perpetuam possessionem, nec mutare licebat colonurn aut posteros, nisi pacturn aut conditionem violassent, vel non solutis reditibus, vel fundo neglectui habito, vel parte fundi inscio domino distracta aut usurus recentibus gravata.
bv Vor pactum gestrichene Buchstaben.
bw Vor reditibus gestrichenes non solutis.
by In G Proinde statt Quare et.
bz-ca In G quibus quo pacto quave conditione locatio facta esset continebatur. Eas tabulas vulgo reversas, et Germanice reversbrief.
cb-cc In G Ager hoc pacto locatus antiquis vectigalis dicebatur.
cd jureconsultus fehlt in G.
ce autem fehlt in G.
vererbbaren Grundbesitz, vgl. auch unten S. 49.
17 Vollständig oder partiell von Abgaben und Diensten befreites Lehen, vgl. DRW III 789.
18 Freies Eigentum. Der Begriff wurde normalerweise als Äquivalent zu Allod/Allodium verwendet.
19 Vererbliches Lehen, vgl. DRW III 95.
20 Julius Paulus, römischer Jurist, ca. 160-230. Paulus war wohl Schüler des Cervidius Scaevola, Rechtsanwalt und Assessor des Prätorianerpräfekten Papinianus, sodann Berater der Kaiser Septimius Severus, Caracalla sowie -nach einer Zeit der Verbannung unter Elagabal -
Alexander Severus. Paulus hat sich in umfassender Weise zum Recht und zur Rechtssprechung geäußert. Sein Werk umfasst neben Edikts- und Gesetzeskommentaren Schriften zum Finanz-, Steuer-, Privat-, Verwaltungs-, Prozess- und Strafrecht, "Quaestiones", Rechtsgutachten und Lehrbücher. Weiter sammelte er kaiserliche Urteile und kommentierte, exzerpierte und annotierte die ältere juristische Literatur. Das sog. Zitiergesetz von 426 (Codex Theodosianus 1, 4, 3) bestimmte Julius Paulus zu einer von insgesamt fünf juristischen Autoritäten, die zur Entscheidung strittiger Rechtsfälle herangezogen werden sollten. Ungefähr ein Sechstel der Digesten (Pandekten) des Corpus iuris civilis entstammt seinem Werk. — Lit.: Detlef Liebs, in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Bd. 4: Die Literatur des Umbruchs. Von der römischen zur christlichen Literatur 117 bis 284 n. Chr., hg. v. Klaus Sailmann, München 1997. — Handbuch der Altertumswissenschaft VIII/4, S. 150-175; Tomasz Giaro, in: DNP VI 50f.
21 Corpus iuris civilis, D. 6, 3, 1. "Ager vectigalis" ist in römischem Staatseigentum oder Gemeindeeigentum stehendes Kulturland, das gegen Zins (,,vectigal") in Erbpacht gegeben wird. In der Spätantike fließender Übergang zur Emphyteusis (s. unten Anm. 22), s. Max Kaser, Das römische Privatrecht. Erster Abschnitt, 2. Aufl. München 1971. — Handbuch der Altertumswissenschaft X/3, 3. 1, S. 455f.


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quid cf ea lege locabatur, ut [in] domini manu esset mutare colonum et agrum auferre, ubi libujsse[t]cg . ||3v. (17v.) Iustiniani ch aetas vocem raram et Graecam quidem Greek ci22 frequentem fecit a verbo, arbitror, Greek, quod "insero" seu "implanto"significat, quoniam eius generis locatione ager in familiae possessionem ita insertus et implantatus videri possit, ut avellare iure non liceat nisi pacto, ut diximus. locationis violato. Usus est ea voce Ulpianus 23 # "De rebus eorum, qui sub tutoribus" etc. leg. tertia, ¶ antepenultimo. 24 Libro vero sexto codicis lustiniani ius emphyteoticum ck vulgo aeditis libris appellatur. 25 Alciatus libro Greek primo 26 non emphyteoticum,
cf-cg In G qui ad certum tempus locabatur et eo pacto ut auferri colono, domino volente, potuerit; nos vulgo schupflehen dicimus.
ch-cn In G lustiniani aetas voce, ut puto, nova et Graeca Greek[!], sive, ut vulgaris codex habet lustiniani, emphitheosin, perpetuam illam locationem vocavit, a verbo Greek, quod inserere seu plantare significat, quoniam hoc genus locatione ager in familiae alicuius possessionem velut inseratur et implantetur, ut avellere iure non liceat, nisi pacto locationis violato. Unde ius emphyteuticum (sic enim Alciatus emendat) dicitur, quod corrupte emphiteoticum, erblehenrecht, et ager emphiteoticarius, quem et ipsum Alamanni et Franci mansus vocabulo complexi sunt.
c1 In der Vorlage Greek.
ck In der Vorlage ephyteoticum.
22 Emphyteusis. Seit dem 4. Jh. n. Chr. auftretendes Rechtsinstitut, das die dauernde Überlassung von Land in Erbpacht regelte, vgl. Pierre Toubert in: LMA III 1892-1894 (Lit.); zur rechtlichen Grundlegung vgl. unten Anm. 25.
23 Domitius Ulpianus, römischer Jurist der Severerzeit (193-235 n. Chr.), wohl 223 durch die Prätorianergarde ermordet. Ulpian, wohl Schüler des Papinianus und Lehrer des Modestinus, stammte aus dem syrischen Tyros und bekleidete verschiedene hohe Amter unter den Kaisern Septimius Severus (Leiter der Kanzlei des kaiserlichen Justizbüros), Elagabal (Leiter der Lebensmittelversorgung) und Severus Alexander (Prätorianerpräfekt und kaiserlicher
Berater). Sein umfangreiches juristisches Werk umfasst neben den großen Kommentaren "Ad edictum"(Amtsrecht) und "Ad Sabinum"(Zivilrecht) Schriften zu Aspekten des Privat-, Finanz-, Steuer-, Straf- und Prozessrechts, juristische Disputationen sowie Lehrbücher und zahlreiche, verschiedene Ämter betreffende Instruktionsschriften. Wie Julius Paulus (s. oben Anm. 20) wurde auch Ulpian durch das sog. Zitiergesetz von 426 im Verbund mit weiteren Autoren zu einer maßgeblichen juristischen Entscheidungsinstanz bestimmt. Seine Bemerkungen "De iustitia et iure"leiten die Digesten (Pandekten) des Corpus iuris civilis ein, wie diese insgesamt zu mehr als einem Drittel aus Exzerpten seiner Schriften bestehen. — Lit.: Tony Honoré, Ulpian. Pioneer of Human Rights, 2. Aufl. Oxford u. a. 2002; Detlef Liebs, in: Salimann, aaO, S. 175-187; Tomasz Giaro, in: DNP XII/1 980f (Lit.).
24 Corpus iuris civilis, D. 27, 9, 3, 4.
25 Vadian bezieht sich auf die Konstitution Kaiser Zenons "De emphyteutico iure" (Corpus iuris civilis, C. 4, 66, 1), die der Emphyteusis ihre rechtliche Form gab und sie als eigene Vertragsform definierte, vgl. Pierre Toubert in: LMA III 1893f. In der Ausgabe des "Codex lustiniani" [Nürnberg:] Anton Koberger, 1488 (GW 7735), die Vadian besaß (s. Bibliotheca Vadiani. Die Bibliothek des Humanisten Joachim von Watt nach dem Katalog des Josua Kessler von 1553, unter Mitwirkung von Hans Fehrlint und Helen Thurnheer bearb. von Verena Schenker-Frei, St. Gallen


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sed cl Greek cm Graeci sermonis ratione legi proferrique debere confirmat; Greek enim insitio est et implantatio, qua ita trunco accrescit planta, ut non cohaereat modo, sed unam etiam arborem efficiat. Emphyteuticum igitur nos hodieque Germanice "erblehen recht"nominamus, et ager emphyteuticarius lustiniani saeculo, qui emphyteusi locatus esset; "erblehen" autem dicimus Germanice ab hereditate, quoniam jus illud perpetuae locationis ad haeredem et posteros transeat. Hunc ipsum agrum Franci et Alemanni mansus 27 vocabulo amplexi sunt cn .
cl Vor sed gestrichenes ratio.
cm In der Vorlage Greek.
1973. — Vadian-Studien: Untersuchungen und Texte 9, Nr. 634), lautet die entsprechende Überschrift "De iure emphyteotico" (ebd., f. CCXXVIIIv.).
26 Andreae Alciati iuris consulti Mediolanensis Greek iuris libri III [...], Basel (Johannes Herwagen und Johann Erasmius Froben) 1538 (VD 16 A 1668), die folgende Paraphrase im Anschluss an ebd., S. 25. Das Handexemplar Vadians verzeichnet Schenker-Frei, aaO, Nr. 630. —Andrea Alciati (Alciatus, Alciato), 1492-1550, von Mailand, studierte ab 1504 unter Aulus Janus Parrhasius und Janus Lascaris in Mailand und wandte sich ab 1507 in Pavia, Bologna und Ferrara dem Studium der Rechtswissenschaft zu. Nach seiner Promotion 1516 begann sein Aufstieg zum Juristen und Gelehrten internationaler Reputation. Ab 1518 lehrte er in Avignon und betrieb 1522-27 private Studien in Mailand, nahm sodann seine Lehrtätigkeit in Avignon 1527 wieder auf, ehe er 1529 auf Einladung von König Franz I. nach Bourges übersiedelte, wo er mit großem Erfolg bis 1533 lehrte - unter seinen Zuhörern befand sich neben Franz J. auch Calvin. Seine Arbeiten zum Römischen Recht (Gesamtausgabe in vier Bänden Basel [Michael Isengrin] 1546/47 und 1549 [VD 16 A 1633f]) fanden weite Beachtung und Verbreitung. Daneben betätigte sich Alciati als Übersetzer griechischer Poetik und untersuchte historische Maß- und Gewichtsangaben
(,,De ponderibus et mensuris", Bullingers Handexemplar verzeichnet HBBibl III 1) und korrespondierte u. a. mit Erasmus und Bonifacius Amerbach in Basel (s. Erasmus, Corr. und Amerbach, Korr., passim; Le lettere di Andrea Alciato giureconsulto, hg. v. Gian Luigi Barth, Florenz 1953). Als sein einflussreichstes Werk ist der erstmals in Augsburg 1531 und in der Folge in unzähligen Neuauflagen und Übersetzungen erschienene "Emblematum liber" zu bezeichnen, eine Sammlung von insgesamt 104 (später 212) Emblemata, die ihren Autor zum Vater der Emblematik werden ließen. 1533 kehrte Alciati nach Italien zurück, veröffentlichte seine "Parerga"(gesammelte kleine Schriften) und versah bis zu seinem Tod 1550 Lehrstühle an den Universitäten Pavia, Bologna und Ferrara. — Lit.: Andrea Alciato and the Emblem Tradition, hg. v. Peter M. Daly, New York 1989. — AMS Studies in the Emblem 4; Hans De Giacomi, Andreas Alciatus, Basel 1934; Donald R. Kelley, Foundations of Modern Historical Scholarship. Language, Law, and History in the French Renaissance, New York-London 1970, S. 87-115; Paul Emile Viard, André Alciat, 1492-1550, Paris 1926; Virginia W. Callahan, in: Contemporaries I 23-26; Roberto Abbondanza, in: DBI I 69-77 (Lit.).
27 Mansus (Hufe): Bäuerlicher Wirtschaftsbetrieb und grundlegende Einheit im Rahmen der mittelalterlichen Grundherrschaft, s. H. Kellenbenz / G. Philipp, in: HRG ||248-251; SI II 957-959.


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Porro ecclesiis instituendis et donandis illa saecula mansus fere attribuebant co in alimoniam videlicet , presbyteri, qui ei cp esset impositus; ea cq caussa veteres ab alimonia "kelnhöf"28 vocitabant, a ventre scilicet et stomachi parte, quam "gulam" Latine, nostra vero lingua "kelen"dicimus cr . Hi cs mansus ita erant sacri quondam et annexi parrochiae, ut inde non liceret quicquam auferri abalienarique nisi magno cum ecclesiae emolumento. Monachi postea peste illa incorpo-|| 4r. (18r.) rationis accensi, ne quid integrum ecclesiis Christi relinquerent, plurimis [ec]clesiis, illis autem maxime, quarum ius collationis 29 ut vocant, a Ro[ma]no episcopo vel prece vel pretio 30 accepissent, mansus illos non sine auctis redditibus abstulerunt ct . Durat adhuc vox illa kelnhof Benedictin[is] sodalitiis notissima cu . 31

Mansum cv igitur (ut institutum prosequamur) Franci [vo]cabant ain hof, er were ain eerschetziger hof oder ain erblehen g[ut] oder ain freylehen cw , salica autem cx terra ain fry aigen gut. Haec cy enim proprie salica vocabatur, cuius possessionem soli mares ex haereditate adibant nulla prorsus portione ad foemellas attinente, si modo mares extitissent, quorum iusta esset haereditas, quemadmodum in lege Salica et Alemannica erat cautum cz 32 . Frequens autem mentio fit terrae salicae in c[har]tis, quae sub Pipino 33 ,

co In G attribuerunt.
cp In G ecclesiae.
cq-cr In G ea causa id genus mansus ecclesiis fundatis attributos kälnhof veteres dixere, a stomacho scilicet aut gulae parte, quam Germanice kälen appellamus.
cs-ct Fehlt in G.
cu keinhof Benedictin[is] sodalitiis notissima fehlt in G.
cv-cw In G Mansus ergo dixere Franci et Alamanni amen hof, es wäre ain erschätziger hof oder erblehen hof oder fry unnd schüpflehen hof.
cx autem fehlt in G.
cy-cz In G Huius possessionem ex hereditate soli adibant, nulla prorsus parte ad foemellas attinente, quemadmodum lege Salica erat cautum.
28 Bezeichnung für einen Hof, der als Mittelpunkt einer grundherrschaftlichen Wirtschaftseinheit dem Kell(n)er zugewiesen ist, vgl. DRW VII 736-738; SI II 1027f. Die Etymologie der Bezeichnung bleibt entgegen der Deutung Vadians unklar, vgl. ebd., Sp. 1028.
29 Kollationsrecht, das zur Nomination von geeigneten Kandidaten für kirchliche Ämter
legitimierte, vgl. Dictionnaire de droit canonique, hg. v. Raoul Naz u. a., Bd. 2, Paris 1937, Sp. 413-416; Richard Puza, Art. Nomination, in: LMA VI 1228. Vgl. auch Vadians "Farrago" (Goldast, aaO, Bd. III, S. 59).
30 Vgl. Ovid, Fasti 2, 806: "nec prece nec pretio".
31 Zur Thematik der "incorporatio" und des "kelnhof" vgl. auch Vadians "Farrago" (Goldast, aaO, Bd. III, S. 14).
32 Vgl. die Lex Salica, Titel "De alodis", §6 (Eckhardt, aaO, S. 164f): "De terra vero salica nulla in muliere hereditatis transeat porcio, sed ad virili sexus tota terra proprietatis sue possedeant."Ebenso der Pactus legis Salicae (hg. v. Karl August Eckhardt, Hannover 1962. —MGH.LNG 4/1, S. 223). Siehe auch Vadians "Farrago" (Goldast, aaO, Bd. III, S. 88).
33 Pippin III. der Jüngere, König der Franken 751/52-768. Geb. 714/15, gest. 768, Sohn Karl Martells, Vater Karls des Großen, s. Josef Fleckenstein, in: LMA VI 2168-2170 (Lit.).


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Carlo 34 Ludevicis 35 Crasso 36 et Arnulpho 37 Franc[o]rum regibus et imperatoribus, scriptae sunt. Tabulas da donationum illa [ae]tas chartas appellabat, quarum plurimae multis in coenobiis Alemanniae etiamnum extant. 38 Atque haec quidem obiter de mansu seu mansa, u[t] tuis illi in tabulis scriptum est. 39

Nunc de curte 40 pauca db . Curtis vocabulum 41 [cor]ruptum illis idem dc significabat quod cors, qua voce tametsi altilium dd loc[us] et congregatio significatur, tamen Latinis etiam hominum, imo aliquo in [loco] sociatorum ac velut cohabitantium coetus ea voce intelligitur, licet coh[or]tis quam cortis usitatius nomen existat. Nam et Cicero Actione in Verrem q[uin]ta, si recte memini, ea voce coetum hominum turpi aliqua de caussa so[cia]torum significatarn et malam in partem accipit, 42 cum contra Caesar eo[d]em significatu, sed bonam tamen in partem accipiat de 43 . Certe factum est hac [ra-]

da-db Fehlt in G.
dc In G id statt illis idem.
dd-de In G qua voce quanquam domesticarum pastionum locus et numerus denotetur, tamen Latinis et hominum uno aliquo in loco coniunctorum ac velut cohabitantium coetus ea voce intelligitur, licet cohors quam cors usitatius existat. In ea significatione vel a Cicerone accipitur, Actione in Verrem V., pro coetu hominum turpi aliqua de caussa sociatorum, in malam partem, a Caesare in bonam.
34 Karl (I.) der Große, König der Franken (ab 768) und Langobarden (ab 774), Krönung zum Kaiser 800. Geb. 747, gest. 814, Sohn Pippins III. des Jüngeren, s. Josef Fleckenstein, in: LMA V 956-961 (Lit.).
35 Ludwig (I.) der Fromme, Kaiser. Geb. 778, gest. 840, jüngster Sohn Karls des Großen, Vater Ludwigs des Deutschen und Karls des Kahlen, s. Josef Fleckenstein, in: LMA V 2171f (Lit.); Ludwig II. der Deutsche, s. oben Anm. 3; Ludwig IV. das Kind, ostfränkischer König. Geb. 893, gest. 911, Sohn Arnulfs von Kärnten, letzter Vertreter der ostfränkischen Linie der Karolinger, s. Alois Schmid, in: LMA V 2175 (Lit.).
36 Karl (III.) der Dicke, fränkischer König und Kaiser. Geb. 839, gest. 888, s. Bernd Schneidmüller, in: LMA V 968f (Lit.).
37 Arnulf von Kärnten, ostfränkischer König
und Kaiser. Geb. um 850, gest. 899, Sohn König Karlmanns, Vater Ludwigs des Kindes, s. Wilhelm Störmer, in: LMA I 1013-1015 (Lit.).
38 Vadian befasste sich intensiv mit der Sammlung und dem Studium von diplomatischen Dokumenten, wovon auch seine "Farrago"zeugt (vgl. Goldast, aaO, Bd. III, bes. S. 48-111).
39 Die erörterten Begriffe finden sich insbesondere im Verzeichnis der Besitzungen der Großmünsterkirche (ZUB I, Nr. 37/Umarbeitung).
40 Curtis: Im Frühmittelalter Bezeichnung für eine Gruppe von Bauwerken, oft unter Einschluss der zugehörigen Ländereien, die in der Regel als wirtschaftliches Zentrum eines Wirtschaftsbetriebes dienten, z. T. Synonym zu "villa". Analog zu "curia" fand der Begriff auch Verwendung für "königliche Residenz" oder "königlicher Hof', s. Adriaan Verhulst, in: LMA III 392f.
41 Zum Begriff "curtis" äußert sich Vadian auch in der "Farrago"(Goldast, aaO, Bd. III, S. 54).
42 Vgl. Cicero, In Verrem II, 3, 28 u. ö. Die Zitierweise entspricht zeitgenössischen Gepflogenheiten, vgl. etwa: In omnes M. Tullii Ciceronis orationes, Basel (Robert Winter) 1539 (VD 16 L 3126).
43 Auf welche Cäsarstelle sich Vadian bezieht, bleibt offen.


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||4v. (18v.) tione, ut df scribae Francici dg curtim nunc palatium regis (ut in lege "Si quis in curte regie furtum fecerit"44 ) , nunc pagum aliquem aut vicum villamque dh plusculis aedificiis constantem vocarint di curtilemque dk (nam et hanc voculam dl veteres chartae usurpant dm ) villulam aliquam paucis aedificiis constructam dixere dn Potuit do autem fieri, ut et curtim pro mansu aut loco aliquo domesticarum pastionum acceperint, sed est frequentior usus, quo antedictam significationem et eam, quam mox explicabimus, retinuerunt dp . Et legisse me, nisi fallor dq , memini cohortis vocem simili dr in ds significatu in tribus posterioribus libris codicis dt lustiniani, verum quo in du titulo aut qua in lege vel quaerenti mihi, dum haec scribebam, non succurrebat dv 45 . Illud obiter notandum curtis nomine Francis et Alemannis, qui et ipsi in Orientali Francia censi sunt dw non , simpliciter locum dx ubi multi , gregatim dy degerent, aut homines ipsos iunctim dz habitantes, sed imperium etiam et iurisditionem, praeterea et proprietatem mancipiorum et omnino earn possessionem, quam integri status iureconsulti vocant, 46 significatum fuisse ea. Imperium autem, sicut ex eb libro primo Digestorum tit[ulo] "De iurisditione omnium iudicum" 47 discimus, duplex est, merum scilicet ec , quo in facinorosos animadvertitur cuiusque proprie usus est publicorum iudiciorum ed . Hoc imperium Germanice ee das ef hochgericht 48 oder die hoch oberkhait 49 dicitur, quale multis in locis Alemanniae comites olim regum nomine administrabant. Mixtum fit imperium, cum eg mero iurisdictio accedit, wan man in ainer herschaft df In G Inde statt Certe factum est hac [ra]tione, ut.
dg In G Francici et Alemannici.
dg In G villamve.
di In G vocarunt.
dk In G curtilem quoque.
dl In G vocem.
dm In G crebro usurpant.
dn dixere fehlt in G.
do-dp Fehlt in G.
dq In G Nisi vero fallor, legisse statt Et legisse me, nisi fallor.
dr In G non absimili.
ds in fehlt in G.
dt codicis fehlt in G.
du Fehlt in G.
dv In G occurrebat.
dw. Francis et Alemannis, qui et ipsi in Onentali Francia censi sunt fehlt in G.
dx In G aut locum.
dy In G congregati.
dz In G iunctius.
ea In G pleno cum iure coniunctam significatam esse statt significatum fuisse.
eb ex fehlt in G.
ec scilicet fehlt in G.
ed cuiusque proprie usus est publicorum iudiciorum fehlt in G.
ee In G nostra lingua statt Hoc imperium Germanice.
ef In G die.
eg-eh In G cum huic iurisdictio accesserit, vulgo hoch und nider gericht, quale apud Thuregum habuit in sua curte sine dubio Hludewicus.
44 Das Gesetz findet sich in den Leges Alamannorum (vgl. unten Anm. 68), Gesetz XXX/XXXI (hg. v. Karl Lehmann, Hannover 1888. —MGH. LNG 5/1, S. 89).
45 Vgl. Corpus iuris civilis, C. 10-12.
46 Vgl. etwa Corpus iuris civilis, D. 48, 4, 11.
47 Die Konstitution "De iurisdictione omnium iudicum et de foro competenti" findet sich in Corpus iuris civilis, C. 3, 13.
48 Hochgerichtsbarkeit, s. DRW V 1117.
49 Hohe Obrigkeit mit Hochgerichtsbarkeit, s. DRW IX 215-223.


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hoch und nidere gericht 50 hat, quale imperium sine dubio in curte sua Thuregiensi Ludovicus 51 ille, qui monasterium 5r. (19r.) sanctimonialium || instituit, habuit eh . Diversa ab illis est pars illa iusti[tiae] administrandae, quae nulli imperio coniungitur, et ei iurisditio vocatur vulgo die ainigen nidern gericht oder das ainig nider gericht ek da , ma[n] dehaineß malefitzes gwalt 52 hat, qualis el iurisditio et cathedris et c[oe]nobiis em haud en raro a regibus concessa eo et ecclesiis attributa est, cum de imperiis vel donandis vel admittendis obeundis nemo vel [co]gitarit ep . Religio eq enim illa aetatis mediae 53 utcunque afflicta et vitiata er [lon]ge maxime ab imperiis es et sanguinis iudiciis et abhorruit, quod et o[p]pida pleraque Germaniae multis saeculis fecerunt. Sed eu factum est postea, ut et monachi ambitione et licentiae studio occaecati et episcopi nonn[unquam]imperia mixta et mera mercari et quocunque praetextu sua facere reciamante professione perrexerint, quamquam sero id factum est ev . [Ar]bitror autem nullam curtim sine iurisditione fuisse et eo ew nomine id significatum esse, quod nos Germanice ex ain vogtey oder gerichtz[wang] nominamus mit aygenschafft der leuten 54 und ußgetrukten 55 rendten 56 u[nd] gülten 57 , mit angemaßtem 58 pott ey und verpott etc. Imo 59 et curtilem pu[to] saepe iurisditionem cum proprietate mancipiorum et certa redditum parte a Francis et Alemannis ez apellatam fa fuisse. Verum regiae curtes longe maximae et amplissimi iuris erant fb et imperium etiam habebant
ei In G et haec.
ek oder das ainig nider gericht fehlt in G.
el In G Talis.
em In G monasteriis.
en-ep In G haud raro est a regibus illis primis et imperatoribus Francorum et Germanorum donata.
eo Vor concessa gestrichenes, unlesbares Wort.
eq-er In G Vetus enim et mediae etiam aetatis religio.
es In G imperio.
et In G iudicio.
eu-ev In G Postea ambitio licentiaeque et regnandi studium in causa fuerunt, ut et monachi et episcopi alicubi imperia mixta et mera mercari et sua facere vel reclamante professione veriti non fuerint.
ew In G hoc.
ex In G iam vulgo statt nos Germanice.
ey In G gebott.
ez et Alemannis fehlt in G.
fa In G intellectam.
fb In G fuerunt statt et amplissimi iuris erant.
50 Niedergericht, die für leichtere Straffälle
zuständige Instanz, s. F. Neef in: HRG III 983-987.
51 Ludwig II. der Deutsche, Stifter der Fraumünsterabtei Zürich.
52 kein Recht zur Aburteilung irgendeines Kapitalverbrechens, s. DRW IX 65.
53 Früher Beleg des Mittelalterbegriffs, vgl. Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Geschichtsgliederung und Epochenverständnis in der frühen Neuzeit, Köln-Wien 1988. — Kölner Historische Abhandlungen 34, S. 110-124.
54 Leibeigenschaft, Hörigkeit, persönliche Unfreiheit, s. DRW II 1343f; allgemeiner: uneingeschränktes Recht über die Untertanen, s. DRW II 1342.
55 festgelegten.
56 Einkünfte, Ertrag.
57 Schuldige Leistung, Zahlung: Zins, Steuer, Miete, Pacht, s. DRW IV 1255-1260.
58 festgesetztem.
59 "Gebot und Verbot" als formelhafter Ausdruck für obrigkeitliche Gewalt, s. DRW III 1266.


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fc [cum]mancipiis, agris, pascuis, censibus, venatione, piscatione et omnimoda illa, de qua dixmuse fd , integri status possessione etc. Aliae fe interim tenuiores erant, interdum cum jure solius iurisditionis cum prop[rie]tate serviciorum et fundi possessione. Hinc est, quod in vetustis ill[is] 5v. (19v.) || Francorum et Alemannorum tabulis saepe legimus legatas curtes cum mancipiis, sylvis, aquis aquarumque decursibus et fundum ipsum cum mancipiis et iurisditione legatum donatione fuisse intelligimus ff . Plena autem fg fuit servis et servitutibus olim fh Alemannia nostra, cuius magna pars fuit, quae hodie Helvetia vocatur fi nec est pagus ullus immontanus, quod quidem sciam fk , qui rebus Francorum florentibus durissimam illam servitutem non servierit. Extant enim tabulae veteres, quae hac de re fl clarissime testantur, und fm daß trotzwordt der tyrannen: "Kutlen 60 und khat 61 in üwerm bauch sind unser" etc. hat ain loblich Aydgnoschaft erhaben und aufbracht fn 62 . Curtes autem et, qui longe ampliores erant, pagi, quos Germani gegni 63 oder geuw 64 vocant fo , certis limitibus distinguebantur in Francorum et Alemannorum regnis quos ipsi marcas 65 vocabant, quod fq clarissime fere fr ex omnibus tabulis
fc In G imperia etiam habuerunt statt imperium etiam habebant.
fd de qua diximus fehlt in G.
fe-ff In G Aliae curtes tenuiores pleraeque solius iurisdictionis cum agris mancipiisque. Proinde dumlegimus in veteribus (quarum plurimas vidimus) Francorum Alamannorumque tabulis legari ecclesiis vel monasteriis curtim cum agris, pascuis, mancipiis, sylvis, aquis aquarumque decursibus, fundum ipsum in homines una cum iurisdictione, intelligimus: Wir verschaffend unser gericht da unnd dort gelegen mit gebüw, mit aignen lüten, mit holtz, mit veld etc.
fg In G enim.
fh In G quondam.
fi In G hodie Helvetia est statt fuit, quae hodie Helvetia vocatur.
fk In G nec est, quod sciam, montanus pagus aliquis Helveticus statt nec est pagus ullus immontanus, quod quidem sciam.
fl In G hanc rem statt hac de re.
fm-fn In G Et verbum illud nobilium: Kuttlen unnd kaat im bauch ist unser", laudatissimo Helvetiorum foederi primam dedit onginem Helvetiosque in hanc rerum summam evexit.
fo quos Germani gegni oder geuw vocant fehlt in G.
fp In G apud Francos et Alamannos statt in Francorum et Alemannorum regnis.
fq In G id quod.
fr fere fehlt in G.
60 Gedärme.
61 Kot.
62 Die stabreimende Paarformel als Ausdruck für schlechthinnige Abhängigkeit und Verfügbarkeit, ähnlich dem heutigen Ausdruck "mit Haut und Haaren"(für ähnliche zeitgenössische Belege vgl. SI III 575). Das Motiv der Tyrannei der fremden Vögte spielte eine zentrale Rolle in der eidgenössischen Chronistik zu den Emanzipationsbemühungen der drei Waldstätte und dem sogenannten Befreiungsgeschehen, das am Anfang der Bildung der Eidgenossenschaft stand, vgl. Bernhard Stettler, Tschudis Bild von der Befreiung der drei Waldstätte und dessen Platz in der schweizerischen Historiographie, in: Aegidius Tschudi, Chronicon Helveticum, bearb. von Bernhard Stettler, 3. Teil, Bern 1980. — QSG, NF I. Abt., VII/3, S. 9*-128*.
63 Gegenden, Bezirke.
64 Gaue.
65 Mark: Grenze, s. DRW IX 194.


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intelligitur fs . Pagis ft praeerant comites, et erant in pago uno multae curtes, in curte autem pluscula aedificia, vici et villae et mansus, in quibus omnibus distincta et magna cura administrata iudicia exercebantur fu .

Sunt autem et alia quaedam vocabula, quae fv veteribus illis in chartis frequenter occurrunt et nostratibus etiam in donationibus leguntur, de quorum numero haec sunt: vestitura, advocatus, bannus, fredum, distringere et id genus pluscula, quae facilius, ni fallor, quam priora illa explicantur fw . Vestitura enim hoc ipsum est quod investitura, hoc est in possessionem missio aut possessionis dation fx et confirmatio, quam et beneficium illa saecula et feudum voce a Francis nata et inducta fy vocarunt, quam hodie Germanice fz lehen 6r. (20r.) || oder lehensbestätung dicimus ga . Vulgatissirnum gb autem est et hodie inve[sti]turae nomen et in rebus gc cum profanis tum ecciesiasticis conferendis [ha]bet locum gd . Distringere vocabant in jus trahere vel citare, quod horum temporum legibus palam deprehenditur ge Extant . enim gf et Salicae 66 [et] Ripuariae 67 et Alemannicae 68 leges mirabili ac prope inexplicabili re[rum]verborumque gg barbarie confertae gh in , quibus distringendi verbum freque[ns] est. 69 Fredum gi70 dicebatur, quod hodie vulgo friden

fs In G discitur.
ft-fu Fehlt in G.
fv-fw In G quae in veteribus illis chartis (sicut ipsi vocabant) obvia sunt, nempe vestitura, advocatus, bannus, foedum, distringere etc., qualia in vestratibus illis donationibus leguntur, quae facilius quam priora illa explicantur.
fx In G securitas.
fy In G quod fere a Francis natum et inductum est statt voce a Francis nata et inducta.
fzfz In G hodie lingua nostra statt quam hodie Germanice.
ga In G vocamus.
gb-gd In G etiamsi investiturae nomen vulgatissimurn est et locurn habet cum in prophanis tum ecclesiasticis bonis conferendis
gc rebus für gestrichenes bonis am Rande nachgetragen.
ge In G quod ex Salica lege notissimurn est statt quod horum temporum legibus palam deprehenditur.
gf In G autern.
gg In G vocumque.
gh So G, in der Vorlage conferti.
66 Lex Salica, vgl. oben Anm. 14.
67 Mit Lex Ribuaria wird ein merowingisches
Gesetzbuch für die Franken im Land Ribuarien bezeichnet, das sich zum Teil eng an die Lex Salica anlehnt und unter König Dagobert I. im 7. Jahrhundert aufgezeichnet wurde, s. Ruth Schmidt-Wiegand, in: LMA V 1929f; dies., in: HRG II 1923-1927. Ausgabe in: Lex Ribuaria, hg. v. Franz Beyerle und Rudolf Buchner, Hannover 1954. — MGH.LNG 3/2. Eine Ausgabe der Lex Ribuaria aus dem Besitz Bullingers verzeichnet HBBibl III 130.
68 Das Stammesrecht der Alemannen ist in zwei Fassungen als "Pactus legis Alamannorum" (frühes 7. Jh. unter Chlothar II., Ausgabe in: Leges Alamannorum, aaO) und als "Lex Alamannorum" (724-730 unter Herzog Lantfrid, Ausgabe ebd.) überliefert, s. Clausdieter Schott, in: LMA V 1927f; ders., in: HRG II 1879-1886. Eine Ausgabe der "Alemannorum leges" aus dem Besitz Bullingers verzeichnet HBBibl III 130.
69 Vadian waren die Leges Salica, Ribuaria und Alamannorum in einem Codex des 9. Jahrhunderts (St. Gallen Kantonsbibliothek [Vadiana], Ms 338) zugänglich, den er ausgiebig annotierte, s. Gustav Scherer, Verzeichniss der Manuscripte und Incunabeln


Briefe_Vol_11_055arpa

vocamus gk . Populus gl/gm enim ille gn ferrisiimus go et ad arma prope sola natus regum cura perpetuo fr[edo] coercebatur gp , ne quid vi aut gq armis gereretur, quod publicae tranquillita[ti] officeret gr . Quem morem et Germani multis annis post Fridericum primum 71 , quem Itali Barbarossam cognominarunt, in omni Germania principes custo[die]runt et gs adhuc publicas ilias leges gt aut pacificationes, quae vim armatam coercent, fridstand 72 oder landtzfriden 73 nominare solemus gu . N[on]gv pacem solum hac voce scribae significabant, sed muictam etiam, quam pa[cis] violatori leges irrogabant gw . Unde et gx in legibus Francicis et Alemann[i]cis saepe legimus haec verba: "Et fredum insuper componat vel gy solvat", 74 hoc gz [est]: Muictam solvat fredi violati,
gi-gk In G Fredum hoc ipsum est, quod nos hodie friden vocamus.
gi Von Vadian korrigiert aus Populi.
gm-gp In G Populi enim illi ferocissimi et ad arma prope sola nati, perpetuo fredo, hoc est pace, obligabantur.
gn In der Vorlage illi.
go Von Vadian korrigiert aus ferissimi.
gq In G et.
gr In G obesset.
gs-gu In G ut hodie quoque amen fridstand oder landsfriden nominant.
gt Vor leges gestrichenes, unlesbares Wort.
gv Hinc non G, davor ebd. der Zusatz Et pacis turbatoribus solet acclamari frid/frid, quin et ipsi ad magistratum delati dicuntur den friden anloben, data manu ex fide praestiti juramenti nihil amplius turbaturum esse pollicentur.
gw In G quae pacem violanti irrogabatur statt quam pa[cis] violatori leges irrogabant.
gx et fehlt in G.
gy componat vel fehlt in G.
gz-ha In G id est: mulctam fredi violati.
der Vadianischen Bibliothek in St. Gallen, St. Gallen 1864, S. 95-97. Vgl. auch Vadians diesbezügliche Bemerkungen in der "Farrago" (Goldast, aaO, Bd. III, S. 12).
70 Fredus: Friedensgeld, das für Friedensbruch zu bezahlen war, z. T. synonym mit der Bannbuße, s. DRW III 682f. Vadian erörtert den Begriff auch in seiner "Farrago" (Goldast, aaO, Bd. III, S. 38f).
71 Friedrich I. (Barbarossa), Kaiser, dt. König,
geb. nach 1122, gest. 1190. Der aus dem Hause der Staufer stammende Friedrich übernahm 1146 für seinen Vater Friedrich II. von Schwaben die schwäbische Herzogsgewalt und nahm am 2. Kreuzzug teil, ehe er 1152 zum König, 1155 von Hadrian IV. zum Kaiser gekrönt wurde. Ein Jahr darauf Heirat mit Beatrix von Burgund, 1178 folgte die Krönung zum König von Burgund. Mit insgesamt sechs Italienzügen versuchte Friedrich die kaiserliche Herrschaftsgewalt in Italien zu sichern, was ihn in Konflikt und kriegerische Auseinandersetzungen mit den norditalienischen Städten, Byzanz und Papst Alexander III. brachte. 1175-1181 Auseinandersetzung mit seinem welfischen Vetter Heinrich dem Löwen, die mit der Entmachtung Heinrichs und dessen Exilierung endete. Er starb im Jahre 1190 auf dem 3. Kreuzzug. — Lit.: Joachim Ehlers, Friedrich I., in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Porträts von Heinrich I. bis Maximilian I., hg. v. Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter, München 2003, S. 232-257; Odilo Engels, Die Staufer, 7. Aufl. Stuttgart u. a. 1998; ders., in: LMA IV 931-933 (Lit.).
72 Friede, Waffenstillstand, s. DRW III 944.
73 Landfrieden: Von der weltlichen Gewalt ausgehende Rechtssatzung zur Friedenssicherung in einem Territorium, s. DRW VIII 383-385.
74 Vadian zitiert frei, vgl. etwa die Leges Alamannorum, Gesetze XXXf (bzw. XXXIf)(aaO, S. 89f).


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componendi verbo pro voce transigendi usu[r]pantes ha . Nec est levis hodie poena pacis etiam hb privatim iussae hc , si quis earn violet, wan hd ainer den friden, der imm gebotten oder angelegt ist, mit wordt oder mit that pricht he . In urbe vestra Tigurina hf poena cap[i]tis irrogatur fredum vulnere illato hg violanti. 75 Duplex erat bannus 76 , maio[r]hh et minor; maior etiam dominicus dicebatur, hoc est regis vel imperator[is] iussu edictus hi . Uterque certa summa auri argentique hk diluebatur. 77 Raro a[utem?] nec nisi insignium criminum gratia capite plectebantur sontes a Francis et [Ale-] || 6v.(20v.) mannis. Poena prope omnis pecuniaria erat. Aliud generis est bannus, quem proscriptionis voce significamus et Germanice "die acht" oder "dess reychs acht"appellamus hl 78 .

Haec hm de voculis illis in praesentia, quae referremus, habuimus. Pluscula autem exposuimus in libris, quos de veteribus Germaniae collegiis et monasteriis conscripsimus, quorum si qua aedendorum mihi olim occasio dabitur, et haec ipsa et alia nonnulla haud omnino vulgo nota diligentius, quam iam daretur, explicata cognosces hn 79 .

hb In G vel.
hc In G mandatae et iussae.
hd-he In G wann ainer den angelegten oder gebottenen friden mit wordt oder that bricht.
hf In G In urbe tua et multis locis Helvetiae, mit marginalem Tiguri, statt In urbe vestra Tigurina.
hg illato von Vadian am Rande nachgetragen; fehlt in G.
hh-hi In G minor et major, qui et dominicus (ni fallor) dictus est, hoc est regius vel imperatorius, si eum vel rex vel imperator edixisset.
hk-hl In G argentive solvebatur, de qua in legibus illis dare discitur, quae a Francis et Alemannis constitutae sunt. Alius generis est proscriptio, quam hodie bannum vocant quidam, vulgo die acht oder deß reichsacht. Proprie enim proscriptio est, vitae, famae et rerum omnium illius, qui huic durae poenae subiicitur.
hm-hn In G Haec de vocabulis, quae sane multa exposuimus in libris, quos de veteribus Germaniae collegiis et monasteriis conscripsimus, quorum, si qua edendorum mihi occasio olim dabitur, et haec et alia haud omnino vulgo nota diligentius explicata leges.
75 Vgl. Erich Wettstein, Die Geschichte der Todesstrafe im Kanton Zürich, Winterthur 1958. —Sammlung schweizerischer Dissertationen, Rechts- und staatswissenschaftliche Reihe 11, bes. S. 53f.
76 Bann bedeutete im hier erörterten Zusammenhang zunächst Banngewalt, d. h. das Recht zu gebieten und zu verbieten, bezeichnete sodann aber auch die bei Bannbruch fällige Strafe, s. Robert Scheyhing, in: LMA I 1414f.
77 Die für den "bannus maior"(Königsbann) kennzeichnende Buße betrug 60 Schilling, Bußen anderer Amtsträger waren entsprechend niedriger, s. Robert Scheyhing. in: LMA I 1414f.
78 Acht: Verurteilung und Verfolgung eines Angeklagten durch die oberste Gerichtsgewalt, s. SI I 177f; E. Kaufmann, in: HRG I 25-32.
79 Vadian bezieht sich auf seine Schrift "Farrago de collegiis et monasteriis Germaniae veteribus" (s. oben Anm. 1). Zur Diskussion Vadians mit Bullinger und Froschauer über eine etwaige Publikation vgl. Vadian BW VII 94f, Nr. 66, bzw. HBBW X, Nr. 1401, knappe Hinweise zur Schrift bei Näf Vadian II 388.


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De ho Berchtoldo vero illo, duce Zeringensi 80 cuius , tabula una meminit, 81 illud admonendum ducebam. Rectorem hp ipsum et ducem fuisse Burgundiae non magnae illius, quae illustre quondam regnum fuit, sed partis eius, quae cis luram nostrum in Allobroges 82 et Valesios 83 excurrit, quam hodie fere Bernenses et Solodorenses 84 et Friburgenses tenent, et extant tabulae etiams hq Germanicae, quae hanc Burgundiam "in Bürgünden"nominant; 85 haec et Vüthlandia dicta Alemannis, hodie Üchtland hr , cuius nominis originem certo indicavit Rhenanus. 86 Palatium suum Berchtoldus in arce habuit plane

ho-hs In G Caeterum de Berchtoldo illo duce Zeringensi illud, quod vulgo tamen satis notum est, admonuisse libebit: Burgundiae ipsum, non magnae illius, quae olim regnum illustre fuit, sed eius, quae cis luram montem est, ducem et rectorem fuisse et curiam suam in arce illa plane regia habuisse, quae hodie ditionis est clarissimae urbis Bernensis et Germanice Burgdorf appellatur. Cisiuranae autem Burgundiae tractum hodie Bernenses et Solodorenses, partim etiam Friburgenses tenent. Et extant tabulae etiam Germanicae, quae hanc Burgundiam "Bürgünden"nominant. Verba haec sunt: "Unnd ist alle landtschafft hie disset dem Lebern" (sic hodieque Iuras mons vocatur) "um Bern und Soloturn by der Aren unnd dem Nüwenburgersee uf biß an Wallis und Genfersee etc. in Bürgünden gelegen."
hp In der Vorlage Rectore.
hq Vor etiam gestrichenes quae.
hr Vor Üchtland gestrichener Buchstabe.
80 Berthold V., Herzog von Zähringen, Rektor von Burgund, geb. um 1160, gest. 1218. Berthold folgte 1186 seinem Vater Berthold IV. als Herzog und forcierte den Landesausbau - u. a. mit der Gründung Berns 1191 — in seinem Territorium, im Gebiet der späteren Eidgenossenschaft. Er nahm am 3. Kreuzzug teil und warf in den Jahren 1190/91 eine burgundische Adelserhebung nieder. Nach dem Tode Heinrichs VI. (1197) wurde er als Thronkandidat vorgeschlagen, verzichtete aber gegen Entschädigung zugunsten des Staufers Philipp von Schwaben auf die Königswürde. 1209/10 zog er mit Kaiser Otto IV. nach Italien, fiel aber nach dessen Exkommunizierung
von ihm ab. Mit seinem Tod starb die Linie der Zähringer aus und deren Territorium zerfiel. Die Nachwelt hat ein äußerst negatives Bild des letzten Zähringerherzogs gezeichnet. —Lit.: Dieter Geuenich, Bertold V., der "letzte Zähringer", in: Die Zähringer. Eine Tradition und ihre Erforschung, hg. v. Karl Schmid, Sigmaringen 1986. — Veröffentlichungen zur Zähringer-Ausstellung 1, S. 101-116; Gerd Althoff Die Zähringer. Herzöge ohne Herzogtum, in: Die Zähringer. Schweizer Vorträge und neue Forschungen, hg. v. Karl Schmid, Sigmaringen 1990. —Veröffentlichungen zur Zähringer-Ausstellung 3, S. 81-94; Karl Schmid, in: LMA I 2028 (Lit.).
81 Berchtold V. von Zähringen erscheint in der Urkunde ZUB I, Nr. 343, s. Vadians Übersetzung unten S. 68.
82 Das Gebiet der Allobroger wurde zu Vadians Zeit zumeist mit Savoyen gleichgesetzt, vgl. etwa Johannes Stumpf, Gemeiner loblicher eydgnoschafft [...]beschreybung [...], Zürich (Christoph Froschauer d. Ä.) 1547 (BZD C 376), Bd. I, f. 262r und 273r. Vadian meint hier die Waadt.
83 ins Wallis.
84 Solothurner.
85 Vgl. auch die Beschreibung von Johannes Stumpf (Stumpf, aaO, Bd. I, f. 279v.): "wirt noch von Uechtland herab biß an die Murg, den obgenennten bach, genennt Bürgenden". Ebenso ebd., Bd. I, f. 284v.
86 Rhenanus, aaO, S. 134 (zu "Nuithlandia"). Vadian selbst bietet in seiner größeren Abtechronik (Joachim von Watt [Vadiani, Deutsche historische Schriften, hg. v. Ernst Götzinger, Bd. 1, St. Gallen 1875, S. 249) eine Etymologie zu "Nüchtland".


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regia, cui hodie subiacet oppidum perclarum ditionis Bernensium, quod vulgo Burgdorf nominatur, "und ist alle landtschaft hie disset 87 demm Läbern" (sic enim eo tractu ab accolis Iura mons vocatur 88 )"umb Bern und Soloturn bey der Aren und den Nüwenburgersee uf biß an Walliß und den Genfersee hin etc. in Burgunden gelägen"89 . hs

De ht praefectura autem illa Thuregiensi, cuius ipse in literis suis a me translatis meminit, 90 pluscula annotavit Otto Frisingensis 91 in opere suo chronico, 92 quod tibi ad manum esse novimus hu 93 .

ht-hu In G De praefectura autem illa Thuregica Berchtoldi multa scripsit Otto Frisingensis in opere suo chronico, quod vulgo est noturn.
87 diesseits.
88 Vgl. auch Stumpf, aaO, Bd. I, f. 262r: "Dannenhin hat Helvetia den berg luram oder lurassum, den Läberberg [...]".
89 Auf welche Quelle sich Vadian genau stützt, bleibt unklar. Die Lokalisierung Burgunds bzw. von "Burgundia minor" mit Hilfe der Grenzen Jura und Alpen findet sich unter Berufung auf frühmittelalterliche Quellen auch in zeitgenössischen Chroniken, vgl. etwa Stumpf, aaO, Bd. I, f. 297v.: "Anno domini 888 hat Rudolphus, ein sun Conradi, des obberñrten Burgundischen fürsten und regierers, die Helvetisch landschafft sampt Wallisserland zwüschend dem berg Iura oder Läberberg und dem Peninischen Alpgebirg, das ist S. Bernharts berg, gelegenn, eyngenommen und hat sich als bald durch etliche bischoff, priester und edlesten des volcks zu S. Mauritzen im closter lassen bekrönen und einen künig zu Burgundia nennen."
90 "quod kastfoget dicitur", ZUB I, Nr. 343, S. 219.
91 Otto von Freising, geb. um 1112, gest. 1158. Um 1126 wurde Otto Enkel Kaiser Heinrichs IV. und Onkel Kaiser Friedrichs I. Barbarossa - Propst des Chorherrenstifts Klosterneuburg, das er kurze Zeit später zugunsten eines sechsjährigen Studienaufenthalts in Paris verließ. 1132 erfolgte der Eintritt in die Zisterzienserabtei Morimund, zu deren Abt er 1138 gewählt wurde. Noch im selben Jahr übernahm er das Bischofsamt in Freising. Vornehmlich
mit der Betreuung seines Bistums beschäftigt, war Otto als Teilnehmer an Reichstagen und Synoden auch in die Reichspolitik involviert, wie er auch Ausgleichsverhandlungen mit der Kurie führte und am 2. Kreuzzug, der ihn bis nach Jerusalem führte, teilnahm. Herausragende und bleibende Bedeutung erlangte Otto von Freising als Verfasser der "Chronica sive Historia de duabus civitatibus", einer in kreativer Anlehnung an Augustin in den Jahren 1132-1146 gefertigten, von der Schöpfung bis zum Weltende reichenden Universalgeschichte, die große Wirkung entfaltete. Die Zeitgeschichte behandeln Ottos "Gesta Friderici", eine Darstellung des Aufstiegs der Staufer und der frühen Regierungszeit seines Auftraggebers Friedrich I. Barbarossa, die eine Fortsetzung aus der Feder seines Schülers Rahewin fand. — Lit.: Hans-Werner Goetz, Das Geschichtsbild Ottos von Freising. Ein Beitrag zur historischen Vorstellungswelt und zur Geschichte des 12. Jahrhunderts, Köln-Wien 1984; Werner Goez, Gestalten des Hochmittelalters. Personengeschichtliche Essays im allgemeinhistorischen Kontext, Darmstadt 1983, S. 219-237: Josef Maß, Das Bistum Freising im Mittelalter, München 1986. — Geschichte des Erzbistums München und Freising 1, S. 157-175; Cornelia Kirchner-Feyerabend, Otto von Freising als Diözesan- und Reichsbischof, Frankfurt a. M. u. a. 1990. — Europäische Hochschulschriften III/413; Karl Schnith, in: LMA VI 1581-1583; Ulrich Schmidt, in: BBKL VI 1373-1375 (Lit.).
92 Gemeint ist nicht Otto von Freisings Weltchronik, sondern dessen "Gesta Friderici"


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Iam hv quod in Ludovici iunioris, qui Pii filius fuit, dona- || 7r. (21r.))tione legitur vocabulum redibitionis, 95 admonendum duxi Francos ne dum et Alemannos non suis tantum, quae ad vulgus modo coercendum statutae videbantur, sed Romanis etiam legibus usos, iis inprimis, q[uae] lustiniano authore invectae fuerant, quod sane omnibus in tabulis liqu[ido] constat, atque inde legum voces plusculae illorum tabulis insertae hw .

Redib[itio] hx autem Ulpiano definiente emptionis erat solutio; 96 wann ain kouff a[uf]gehept oder abkendt ward und der verkoüffer gehayssen oder [mit] recht gewisen ward, dasjenig, so er verkoufft hatt, wider zu e[m]pfachen hy Ea in re miris fraudibus agebatur ab emptoribus, presert[im] in mancipiis reddendis ceu viciosis aut talibus, ut horum gratia emp[tio]nem ratam hz esse non posse iudicabant ia . Saepe ib enim empta mancipia ic ve[l] in pignus dabantur id vel sciente domino furtum patrarant ie , quarum rerum actiones postea in servum redditum if redundabant et ex consequen[ti] in domini

hv-hw In G Est autem in donatione Ludowici, qua monasterio sanctimonialium Thuregi providit, vocabulum redibitionis, quod quanquam e re non videbatur, tamen libebat obiter indicare.
hx-hy In G Redibitionem constat, Ulpia[no] definiente, emptionis solutionem esse, wann ain kouf aufgehebt oder abkendt wird unnd der verkoüffer ghaissen oder mit recht gewisen wird, dasjenig, so er verkoufft, wider zunemmen.
hz In der Vorlage rata.
ia aut talibus, ut horum gratia emp[tio]nem ratam esse non posse iudicabantfehlt in G.
ib Nach Saepe gestrichener Buchstabe.
ic mancipia fehlt in G.
id In G data erant.
ie In G fecerant.
if In G ipsum.
(vgl. oben Anm. 91), s. Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica - Gesta Frederici seu rectius Cronica, übers. von Adolf Schmidt, hg. v. Franz-Josef Schmale, 4. Aufl. Darmstadt 2000. —Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 17, S. 146f; s. auch Verena Pliha, Nobile Turegum. Die Erwähnung Zürichs in den "Gesta Friderici"Ottos von Freising (1157/58), in: Turicensia Latina. Lateinische Texte zur Geschichte Zürichs aus Altertum, Mittelalter und Neuzeit, hg. v. Peter Stotz, Zürich 2003, S. 68-72.
93 Ein Handexemplar Bullingers der "Gesta Friderici"Ottos von Freising hat sich nicht erhalten (vgl. HBBibl III), ebenso wenig erscheint das Werk in Konrad Pellikans Katalog der Stiftsbibliothek am Großmünster, s. Martin Germann, Die reformierte Stiftsbibliothek am Großmünster Zürich im 16. Jahrhundert und die Anfänge der neuzeitlichen Bibliographie, Wiesbaden 1994. — Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 34. Eine von Johannes Cuspinian herausgegebene Druckausgabe war im Jahre 1515 in Straßburg bei Matthias Schürer erschienen (VD 160 1434).
94 Ludwig II. der Deutsche, Sohn Kaiser Ludwigs des Frommen.
95 "cum universis censibus et diversis redibitionibus"; "aut ullas redibitiones vel freda aut bannos exigendo", ZUB I, Nr. 68, S. 23.
96 Corpus iuris civilis, D. 41, 2, 13, 2: "venditionis est resolutio redhibitio", vgl. auch 21, 1, 21 pr. Die "actio redhibitoria" gestattete dem Käufer im römischen Recht, insbesondere beim Skiavenkauf, die Rückgabe seines Kaufes und zwang den Verkäufer zur Rückerstattung im Falle von Sachmängeln, die er anzuzeigen verpflichtet gewesen wäre, s. Kaser, aaO, S. 559f.


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et proprietatis detrimentum. Extat titulus libro dige[sto]rum 21. "De aedilitio aedicto et redhibitoria", 97 in ig quo de fraude ill[a] multiplici multa mentio fit ih , praesertim in leg. "Redhibere" eodem titu[lo]98 .

Idem dolus et in tollendis fideiussoribus accidebat, cuius eadem illa tabula meminit. 99 Tollebantur autem, ut coniicio ii fideiussor[es], quum legitima fideiussio ceu iniqua et contra legem postulata diss[ol]vebatur. sicut in redhibitoria iusta interdum et legitima emptio d[— — — ]ik tanquam iniqua il dissolvebatur.

Et quoniam Berchtoldi confirmatio cap[el]larum meminit 100 , quarum im reditus parocho debebantur, non in de urbicis capellis, quae tum aut nullae aut paucae erant, sed de iis, quae in parochia et ||7v. (21v.) agro Thuregiensi propinquo extructae passim ac deinde ius parochiale, ut vocant, indeptae fuerint io .

Mitto ip vero inter postre[ma] ad te Hiltegardae 101 , primae illius sanctimonialium Thuregiensium monasterii abbatissae, epitaphium a monacho quodam coenobii nostri 102 scriptum, quod nescio an Thuregum olim missum et isthic scriptum sculptum ullo loco visatur an minus, quod in codice quodam bibliothecae nostrae 103 in haec verba scripturn legi iq : 104

ig in in der Vorlage über gestrichenem Buchstaben; ex G.
ih In G (a qua suos liberos esse Hludewicus cupit) plene cognosces statt multiplici multa mentio fit.
ii In G iudicio.
ik d[— — —— ] fehlt in G.
il In G fraudulenta.
im In der Vorlage quorum.
in-io In G de capellis in agro Thuregiensi passim extructis intelligere videtur, quae postea auctae et amplius extructç parochiae factç fuerint.
ip-iq In G Hiltgardae abbatissae meminere monachi veteres coenobii urbis nostrae. Epitaphion enim reperi Hiltgardae, Ludewici filiae, in bibliotheca monasterii nostri in haec verba.
97 Corpus iuris civilis, D. 21. 1: "De aedilicio edicto et redhibitione et quanti minons".
98 Corpus iuris civilis, D. 21, 1, 21.
99 "nec fideiussores tollendos", ZUB I, Nr. 68, S. 23.
100 Vgl. unten Z. 402.
101 Hildegard, Tochter Ludwigs II. des Deutschen, geb. um 828, gest. 856, amtete von 844 bis 853 als Vorsteherin des Klosters Münsterschwarzach am Main, ehe ihr Vater ihr am 21. Juli 853 seine mit Ländereien ausgestattete Stiftung Zürich übergab.
Unter Hildegard als Laienäbtissin lebten 17 Nonnen in der Abtei. Die Vollendung der Abteikirche erlebte Hildegard nicht mehr, sie starb bereits am 23. Dezember 856 (evtl. erst 857). 1272 wurden ihre Gebeine unter der Äbtissin Elisabeth von Wetzikon neu beigesetzt. — Lit.: Judith Steinmann, in: Helvetia Sacra III/1 1994f; Peter Vogelsanger, Zürich und sein Fraumünster. Eine elfhundertjährige Geschichte (853-1956), Zürich 1994, S. 55-59.
102 Die beiden Gedichte wurden ursprünglich anonym überliefert. Melchior Goldast wies 1606 die Verfasserschaft in seinen "Alamannicarum rerum scriptores" (Bd. II, S. 85) ohne Angabe von Gründen Ratpert von St. Gallen (geb. 840/850, gest. um 900), dem Verfasser der "Casus sancti Galli", zu. Ob die Zuschreibung durch Goldast selbst erfolgte oder ob er diese bereits in Vadians Briefentwurf, seiner Vorlage (s. oben Anm. a), vorfand, bleibt offen. Vgl. Peter Stotz, Die bisher Ratpert zugeschriebenen Verse über Bau und Weihung von Bertas Fraumünsterkirche in Zürich, Lizentiatsarbeit Zürich 1966 (Typoskript), S. 91-93.
103 Die beiden Gedichte sind samt Nekrolog in zwei Handschriften der St. Galler Stiftsbibliothek überliefert: Ms 397 (Mitte 9.


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10. kalendas ianuarii 105 Hildigarda, virgo Christi et domini Hludowici 106 regis filia, de hoc saeculo migravit ad Christum et humata est in ecciesia S. Regulae et Felicis 107 , martyrum Christi, in castello Turego ir .

Hic is iacet in tumulo Christi dignissima virgo
Hildigarda nitens moribus egregiis.
Haec fuit eximii Hludowici flua regis
Mentem sponte sua it voverat illa deo
Bis denos octo vitae compleverat annos
Migrans ad sponsum virgo beata suum.

Eodem libro et hoc elogium extabat iu

Condidit hoc sanctum stabili fundamine templum
Cum genitore pio Hludewico, principe terrae,
Hildigarda potens, Christi clarissima virgo,
Cui deus aeternae concedat gaudia vitae.

||8r. (22r.) Sic quondam iv monachi nostri numeris et carmine ludebant, literis iw videlicet et musis, ut in ludo publico et celebri dediti, quum nostri hodie in

ir Zusatz cui Ratpertus hoc epitaphium posuit G, mit der Marginalie alii Hartmuoto tribuunt.
is Die St. Galler Codices schreiben hoc, s. Stotz, Verse über Bau und Weihung, S. 92; ebenso G.
it Die St. Galler Codices schreiben suam, s. ebd., S. 92 und 95; ebenso G.
iu Die Überschrift lautet bei G: Sed et elogium iisdem numeris scriptum super eo ipso templo, cui donatio illa facta est, quod in haec verba habebat.
iv In G Si quidem statt Sic quondam.
iw-ix In G litteris et musis dediti et dura quidem in religione, cum hodiernis summo in ocio saginatis haec una sit cura, ut et musas et literas quanta possunt invidia, in aetate literarum tam felici, persequantur et fastuoso etiam supercilio damnent.
Jahrhundert) und Ms 899 (10. Jahrhundert) (vgl. Gustav Scherrer, Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, Halle 1875 [Nachdruck: Hildesheim-New York 1975], S. 135f und 315f); der Nekrolog entstammt dem ältesten St. Galler Totengedenkbuch (ebd., Ms 914). Vgl. Stotz, Verse über Bau und Weihung, S. 88f.
104 Druck der beiden Hildegard-Epigramme in Stotz, Verse über Bau und Weihung, S. 90f, mit Kommentar ebd., S. 93-98, und Verweis auf weitere Drucke ebd., S. 90; Poetae Latini aevi Carolini (IV), hg. v. Paul von Winterfeld, Berlin 1899. — MGH. PL4/1, S. 335; eingeleitet und übersetzt in Peter Stotz, Die erste Äbtissin des Fraumünsters. Zwei Inschriften-Gedichte zu Hildegard, Tochter Ludwigs des Deutschen (um 853/856), in: ders., Turicensia Latina, S. 40-43. Bullinger hielt diese ihm von Vadian übermittelten Gedichte in seiner Tigurinerchronik (Zürich ZB, Ms Car C 43, f. 159v.-160r.) fest, mit der Begleitnotiz: "Und ir epitaphium, welchs zu Sangallen im kloster uß der libery abgeschriben mittgeteylt hat min lieber herr und guter fründ h. Jochim von Wadt hochloblicher und seliger gedächtnuß."
105 23. Dezember [856, evtl. 857].
106 Ludwig II. der Deutsche.
107 Fraumünsterkirche.


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otio saginati longe alias colant musas et nihil minus ament quam literas ix . 108 Sed de his satis.

Quae iy utcunque perscripta ad te mitto, ne non gratificarer tibi optimo viro, cui debere me multis nominibus dudum fassus sum iz . Nihil enim dubito, quin perspectiora sint tibi mediae illius aetatis saecula 109 Francica et Alemannica, quam mihi hactenus ullis ex observationibus ka esse potuerint. Quare kb peto, ut obiter exarata boni consulas et ut Latinum exemplum kc fundationis Augiensis monasterii 110 ad me mittas; coniicio enim et Latinum penes te esse, cum Germanicum a te, arbitror, translatum ad me miseris kd 111 . Contracti 112 Chronicon, si aliunde non possum assequi, de tua bibliotheca petam. 113

iy-iz Fehlt in G.
ka ullis ex observationibus fehlt in G.
kb-kd In G quare peto, ut boni consulas, quae in tuam gratiam, te maxime flagitante, obiter congessi. Peto autem, ut exemplum Carolinae fundationis de Augiae monasterio Latinum ad me mittas.
kc In der Vorlage exemplus.
108 Zu Vadians negativer Beurteilung der Entwicklung der monastischen Bildung und Gelehrsamkeit vgl. u. a. dessen "Farrago" (Goldast, aaO, Bd. III, S. 2f).
109 Vgl. oben Anm. 53.
110 Kloster Reichenau, Kr. Konstanz, Baden-Württemberg.
111 Von einer solchen Übersendung ist nichts bekannt. Eine deutsche Übersetzung der Reichenauer Gründungsurkunde von Bullingers Hand in Zürich StA, E II 437, 164r.-165v.
112 Hermann von Reichenau, gen. der Lahme (Contractus), geb. 1013, gest. 1054. Der mit sieben Jahren dem Kloster Reichenau übergebene und seit seiner Kindheit gelähmte Hermann empfing 1043 die Priesterweihe und entfaltete eine beeindruckende wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit auf den Gebieten der Mathematik, Astronomie, Komputistik, Chronistik und Musiktheorie, die ihn zu einem der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit werden ließ. Daneben verfasste er hagiographische und liturgische Schriften, überarbeitete das Martyrologium des Notker Balbulus und betätigte sich als Dichter. Lit.: Anna Dorothee von den Brincken,
Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeitalter Ottos von Freising, Düsseldorf 1957, S. 150-159, 219-222 und 233f; Arno Borst, Mönche am Bodensee. 610-1525, 3. Aufl. Sigmaringen 1991. — Bodensee-Bibliothek 5, S. 102-118; Herbert Grundmann, Geschichtsschreibung im Mittelalter, 3. Aufl. Göttingen 1978; Tillmann Struve, in: LMA IV 2167-2169; Franz-Josef Schmale, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 3, Berlin-New York 1981, A. 1082-1090; Egon Boshof in: LThK 3 IV 1443.
113 Ein Handexemplar Bullingers der von Christi Geburt bis 1054 reichenden Weltchronik Hermanns von Reichenau (Ausgabe in: Annales et chronica aevi Salici, hg. v. Georg Heinrich Pertz u. a., Hannover 1844. — MGH.SS 5, S. 74-133) hat sich nicht erhalten (s. HBBibl III), zweifellos war das Werk aber Bullinger bekannt, da er es als Quelle im Vorspann zu seiner ungedruckt gebliebenen Papstvitensammlung (vgl. dazu Christian Moser, "Papam esse Antichristum". Grundzüge von Heinrich Bullingers Antichristkonzeption, in: Zwa XXX, 2003, S. 65-101, hier 94-97) anführte. Bullinger benützte die Chronik wohl in der von Johann Sichard herausgegebenen und 1529 bei Heinrich Petri in Basel erschienenen Chroniksammlung "Chronicon divinum plane opus eruditissimorum autorum, repetitum ab ipso mundi initio ad annum usque salutis MDXI"(VD 16 E 4266).


Briefe_Vol_11_063arpa

Tuas ke vero literas 114 4 pridie cum elegantissimo Grynaei 115 nostri hecatosticho 116 accepimus, et sum miratus tantum te ocii nancisci posse, ut tua etiam manu nobis inservias.

Novi apud nos nihil, nisi quod Carolum kf caesarem 117 praeterita Heidelberga proximare Norimbergae ferunt multo varioque comitatu pergentem. 118 In hoc autem esse papistas omnes, ne pax nostris ulla concedatur kg . At nose kh optima quaeque nobis de principe illo nobili et miti multis quidem ki aculeatis consiliorum oestris agitato, sed kk in hunc usque diem ab armis intestinis alieno magna cum spe kl pollicemur. Quod si pax saeculi nostris obtingere nequit, sufficiat nobis km pax Christi, prora et puppis"19 salutis nostrae.

Vale cum uxor 120 et liberis 121 cumque collegio fratrum in kn domino colendissimorum ko .

Sangalli, 8. die februarii anno 1541.

Ioach. Vadianus. kp

[Adresse auf f. 8v. (22v.):] Domino Henrycho Bullingero, ecclesiae Tigurinae antistiti, suo.

ke-kg In G Novarum rerum in praesentia non habemus, quod relatu dignum sit. Tuas literas accepimus cum Grynaei nostri elegantissimo hecatostycho. Patientia longa in libertatem erumpet, libertas ad arma, quae sane, ut hodie res habent, juste sument magistratus vel innocentissimi, duntaxat ut acquis legibus locus esse et arceri libidinosissima quorundam et per omnia probra perfricta tyrannis queat. Caesarem Carolum ferunt Norinbergam advolare magno comitatu et in hoc esse papistas omnes, ne pax nostris detur.
kf Carolum in der Vorlage in Versalien.
kh In G Sed statt At nos.
ki In G nobilissimo utcunque statt nobili et miti multis quidem.
kk-kl Fehlt in G.
km nobis fehlt in G.
kn In G mihi in.
ko In G colendissimorum et me barbare de saeculis barbarissimis locutum aequo animo ferto.
kp Datierung und Unterschrift fehlt in G.
114 Nicht erhalten.
115 Simon Grynäus.
116 Gedicht in hundert Versen. Das Gedicht des Simon Grynäus ist an Jakob Sturm gerichtet und datiert vom 1. Januar 1541. Eine Abschrift von der Hand Theodor Biblianders (,,Ad clarissimum virum lacobum Sturmium Simonis Grynaei somnium sive libertas carmen hecatostichon") findet sich in Zürich ZB, Ms Car 193 (ohne Paginierung oder Nummerierung).
117 Kaiser Karl V.
118 Zur Ankunft Kaiser Karis V. in Nürnberg vgl. unten Nr. 1472, 63-101.
119 Vgl. Adagia, 1, 1, 8 (LB II 28f).
120 Anna, geb. Adlischwyler.
121 Von Bullingers Kindern lebten zu diesem Zeitpunkt Anna (geb. 1530), Margaretha (1531), Elisabeth (1532), Heinrich (1534), Hans Rudolf (1536), Christoph (1537), Johannes (1539) und Diethelm (1541); vgl. Pestalozzi 314.


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||E II 440, 49 [Beilage: Drei Urkundenübersetzungen Vadians.]

1. Donatio Carolina. kq122
In dem namen der haylgen und onzerteylbarlichen drifaltikhait. Ich, Carolus
123 , uss göttlicher erbärmd romischer kayser, merer dess rychs, mit radt
meiner bischöfen und anderer meiner fürsten und kr uff ernstlich ansuchen
und begeren ettlicher frommer christen, so mit iren aygnen gütern, die sy
jetz erkondiget 124 oder noch erkondigen möchtend, an vilen und mancherlay
ordten gelägen, mit unser verwilgung, damit sy ire seelen von den sünden
endtbinden möchtend, an die kirchen und begrepnuss der haylgen ks zu geben
und zu verschaffen willens sind, diß unser instrument und geschäftz brief ze
kq Daneben von anderer Hand Vadiani manus.
kr und von Vadian am Rande nachgetragen.
ks Nach haylgen von Bullinger über der Zeile nachgetragen marteren zu Zürych.
122 Übersetzung der Urkunde ZUB I, Nr. 37/Umarbeitung. Lateinische Abschriften der Urkunde aus Bullingers Besitz in Zürich StA, E 11451, 17f (Autograph Bullingers) und E II 440, 45. Eine weitere deutsche Übersetzung, die von Vadians Versuch leicht differiert, ist überliefert von Bullingers Hand in Zürich StA, E II 451, 1f (Teilübersetzung ebd., E II 440, 45). Bullingers Verarbeitung dieser Urkunde in seiner Tigurinerchronik: Zürich ZB, Ms Car C 43, 140v.-142r. (lat. Urkunde), 142v.-144r. (Vadians Ubersetzung) und 155r.-159r. (Kommentar). Zur Arbeit Vadians an den Urkunden hielt Bullinger ebd., 142r. fest: "Dises instrument sampt andern zweien, königen Ludwigen des jüngern und hertzog Berchtoldts von Zäringen, hab ich zugeschickt dem wytverrümpten herren doctorn Jochimen von Watt, der zyt burgermeister zu Sangallen, mit pitt, das er die ins tütsch wöllte verdolmetschen. Das er gethan, doch mitt nachvolgender andingung und entschuldigung: [es folgt ein Auszug aus Vadians Brief, oben Z. 3-13]." Eine weitere Erwähnung des diesbezüglichen Briefwechsels
mit Vadian samt Briefauszug (oben Z. 13-19) ebd., 153v. Bei der lat. Vorlage der Urkunde, die Bullinger und Vadian zur Verfügung hatten, handelt es sich um eine Umarbeitung von zwei Händen (Mitte des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts) der ersten Urkunde des Großmünster-Rotulus (ZUB I, Nr. 37 [mit neuer Einleitung und Datierung in ZUB XIII, Nr. 121b/130a]), die die Urkunde durch Transponierung vom objektiven Stil des Rotulus in den subjektiven Stil eines Herrschererlasses sowie eine neue, urkundenkonforme Intitulatio zu einer angeblichen Urkunde Kaiser Karis des Großen werden ließ. Druck der Abweichungen der Umarbeitung mit Einleitung in ZUB I, S. 11f. Zum Großmünster-Rotulus grundlegend Hannes Steiner, Alte Rotuli neu aufgerollt. Quellenkritische und landesgeschichtliche Untersuchungen zum spätkarolingischen und ottonischen Zürich, Freiburg i. Br.-München 1998. —Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 42, bes. S. 136-139. Für freundliche Hinweise danken wir Dr. Hannes Steiner, Frauenfeld.
123 Die ursprüngliche Urkunde nahm wohl auf den fränkischen König und Kaiser Karl (III.) den Dicken Bezug, s. ZUB XIII, Nr. 121b/130a. Vadians Vorlage führt die Urkunde durch die Datierung auf Karl den Großen zurück.
124 Wohl: abgegrenzt, festgelegt haben.


Briefe_Vol_11_065arpa

stellen und uf ze richten verorndt und gehayssen hab, namlich kt umb erlüterung und erdurung 125 willen der güter (der kirchen Zürich), da die haylgen marterer ire höupter, durch ghayß dess wütrichs Decius inen abgeschlagen, von dem fluss, die Lindmagt 126 genandt, vierzig ellenbogen weyt ku biß uff die ebny dess nächstgelägnen büchells 127 mit iren henden getragen und alda sampt iren körpern durch die hilf Christi, genad und fürsechen gottes zu verbesserung aller christglöubigen in langwirige ruh bestattet habend. 128 Daruf nun wir von wegen der eer gottes und umb liebe willen, so wir zu den kv haylgen marterer, geschwüstertig Felix kw und Regula tragend kx , den chorbrüdern ky daselbs kz zu verbesserung ireß leybs narung und endthaltung 129 (wie sy dann nach orndenlicher regel wandlend und tag und nacht zu syben ||50 malen gott dem herren lob verjechend 130 ) und das sy fürohin la zu jemer werenden zeyten dester baß 131 on mangell und abgang verharren und bleyben mögind, so hab ich h[ie] uß kayserlicher macht gebotten und angesechen, das obg[emelte] gotzgaben sampt den gütern und gaben, so unser voralt lb132 an gemelte muter und kirchen geben, der selben kirch hinnen hin 133 und allweg 134 on menklichs intrag und ierr 135 gehören und bleyben söllind sampt den gaben, so unser [bi]schof säliger gedachtnuss Theodorus
kt Vor namlich gestrichenes umb. ku Darüber von Bullingers Hand hoch.
kv Über den von Bullinger über der Zeile nachgetragen dem lyden der. Vgl. ZUB I, Nr. 37, S. 8: "vero pro dei amore et dilectione passionis germanorum ipsorum martyrum
kw Felix in der Vorlage korrigiert aus Felixen.
kx Nach tragend von Bullinger am Rande nachgetragen ouch uß andacht und lieplichem guten willen. Vgl. ZUB I, Nr. 37, S. 8: "devotis et caritativis perfecerunt voluntatibus".
ky Darüber von Bullingers Hand canoniken chorherren. Vgl. ZUB I, Nr. 37, S. 12: "ad incrementum canonicorum".
kz Nach daselbs von Bullinger am Rande nachgetragen von jetzund biß in eewikeyten. Vgl. ZUB I, Nr. 37, S. 12: "a primordio et usque in evum".
la Vor fürohin von Bullinger über der Zeile nachgetragen von jetzund.
lb Von Bullinger über der letzten Silbe ergänzt [vor-]far.
125 Ergründung, Erforschung.
126 Limmat.
127 Anhöhe.
128 Die beiden Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula flohen der Legende nach aus der in Saint-Maurice (Acaunum) stationierten Thebäischen Legion über Glarus nach Zürich, wo sie unter dem römischen Statthalter Decius den Märtyrertod erlitten und nach ihrer Enthauptung ihre Köpfe selbst bis zu ihrer Grabstätte trugen, über der das Zürcher Großmünster errichtet wurde. Die früheste "Passio" der beiden Märtyrer wurde Ende des 8. Jahrhunderts aufgezeichnet. — Lit.: Die Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula. Legenden, Reliquien, Geschichte und ihre Botschaft im Licht moderner Forschung, hg. v. Hansueli F. Etter u. a., Zürich 1988; Iso Müller, Die frühkarolingische Passio der Zürcher Heiligen, in: ZSKG 65, 1971, S. 132-187.
129 Unterhalt.
130 bekennen, verkündigen.
131 umso besser.
132 Vorfahren.
133 von nun an.
134 immer.
135 ohne Einsprache und Hinderung durch irgendjemanden.


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136 zu der zeyt, als kirchen geweycht, wie er die vormals von uns empfan[gen], an gedachte kirchen geben hat, namlich das dörflin R[ie]den lc137 amm Albiss gelagen mit lüt und gut ld in berg und tal, so darzu gehörig sind. Item le zu Höngg 138 zwen lehen hö[f] und ain halben hof lf usserhalb dess frygen lehen lg franke[n]gutz 139 wie er die uss meiner hand lh in sein han[d] (als gebreuchlich ist) empfangen hat. Zu dem Zurch geläge li ettlich sonderbare 140 güter lk mit reben und fisch, sampt den mülinen und demm zechenden, so wir uss unser gerichten und vogtyen der frygen lehen guter an den ti[sch] der chorherren verorndt und verschafft haben, namlich ab Stadelhofen 141 , ab Wibicheta 142 ab Östen 143 ab Illingen 144 , Velland 145 ab , Mur 146 , ab Hövstetten 147 , ab Meylen 48 ab Boswil 149 Den zechenden aber, so uns ll ab aller gegin und barc[hy]lm150 || daselbst 51 gath, hab ich obgemelter
lc R[ie]den in der Vorlage korrigiert aus R[ie]deren.
ld lüt und gut unterstrichen, darüber von Bullingers Hand hußgsind und eignen lüthen. Vgl. ZUB I, Nr. 37, S. 12: "cum familiis et mancipiis omnibusque".
le Item unterstrichen, darüber von Bullingers Hand und darüber. Vgl. ZUB I, Nr. 37, S. 9 bzw. 12: "atque insuper in Hoinca".
lf Von Bullinger am Rande in Klammern angemerkt 2 ½huben. Vgl. ZUB I, Nr. 37, S. 12: "duas mansas et dimidiam".
lg Darüber von Bullingers Hand one das widenn erterych. Vgl. ZUB I, Nr. 37, S. 12: "preter salicam terram".
lh Vor meiner hand gestrichenes unser hand.
li Zurch gelagen in der Vorlage mit Pfeil an diese Stelle verschoben.
lk güter unterstrichen, darüber von Bullingers Hand abgesunderete oder aheetevlte ort. Vgl. ZUB I, Nr.37, S. 9: "et in Turego segregata loca".
ll Vor uns gestrichenes wir.
lm uns ab aller gegin und hard h\I unterstrichen, darunter von Bullingers Hand uß zugehörig pfarr der muter der kylchen zukumpt.
136 Die Identifizierung des "episcopus Theodorus" (ZUB I, Nr. 37, S. 12) ist umstritten, s. ZUB ebd., S. 9, Anm. 1; Helmut Maurer, "Bischof"Theodor "von Zürich". Über das Verhältnis von Bischof und Chorbischof im Bistum Konstanz der Karolingerzeit,
in: Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Gerd Althoff u. a., Sigmaringen 1988, S. 199-210 identifiziert ihn mit dem Konstanzer Chorbischof Theoto (Thioto). Vgl. Steiner, aaO, S. 22, 55 und 339 (Lit.).
137 Albisrieden, heute Stadtteil von Zürich. Zur Lokalisierung von Albisrieden und der nachfolgend genannten Orte s. die Karte "Zinse und Zehnten der drei kirchlichen Institutionen Zürichs bis 1220", in: Hedwig Wicker, St. Peter in Zürich, Zürich 1955. — Wirtschaft, Gesellschaft, Staat. Zürcher Studien zur allgemeinen Geschichte 12, S. 92.
138 Höngg. heute Stadtteil von Zürich.
139 Hier Übersetzung für "terra salica", vgl. ZUB I, Nr. 37, S. 12.
140 einzelne, abgesonderte.
141 Zum Stadelhof vgl. Wicker, aaO, S. 26-32, und Steiner, aaO, S. 154.
142 Wipkingen, heute Stadtteil von Zürich.
143 Aeugst am Albis, Kt. Zürich.
144 Lokalisierung unsicher, möglicherweise Illinger Mühle bei Embrach, Kt. Zürich. Vgl. ZUB I, Nr. 37,5. 9, Anm. 7.
145 Fällanden, Kt. Zürich.
146 Maur, Kt. Zürich.
147 Hofstetten, Dorfteil von Meilen, Kt. Zürich. Vgl. ZUB I, Nr. 37, S. 9, Anm. 10.
148 Meilen, Kt. Zürich.
149 Boswil, Kt. Aargau.
150 Pfarrei.


Briefe_Vol_11_067arpa

muter und kirchen zu freiger besitzung bestädt und haimgeben. Zu demm allemm so hat Picho, der son Ertilonis 151 , in unser und der unseren gägenwirtikhait umb seiner seel und seiner vordem hayl willen eegemelten 152 chorbrüdern zu aygnem geschenkt zu jemerwerender erhaltung übergeben alles das, so er zu Schwamendingen 153 und in umbligender march in berg und tal gehept hat. Dessgleychen Isenbert 154 zu erledigung und vergeltung seiner prebend 155 amen hof zu Wollisseld 156 geben. Item Comolt, der priester, hat geschenkt der kirchen und den brüdern alles das, so er zu Flobotisrein 157 und in der selben march umb besessen hat. Gleycher maß der cleric genandt Helfrych, sich den brüdern und der versamlung zu empfelhen, der kirchen und den brüdern geschenkt alles, so er zu Rüty 158 und in der selben mark umb besessen hat. Ferrer so hat der jüngling Frieso 159 , fro 160 Perchta 161 son 162 , den brüdern alles das geschenkt, das er zu Meyla 163 und in der selben mark umb innghon 164 hat. Item Peringhart der lay 165 hat geben den brüdern all sin hab in Fenkhland 166 und der selben mark, was er darinnen besessen. Ainer ouch von den brüdern hat amen hof zu Boßwil gelägen mit lüt und gut der kirchen übergeben. Und sind diß gaben und genandte güter alle an die
151 Über den Donator Picho, der auch in ZUB I, Nr. 145 (4. Feb. 883) erscheint, und dessen Vater Ertilo ist nichts Weiteres bekannt, s. Steiner, aaO, S. 334.
152 oben erwähnten.
153 Schwamendingen, heute Stadtteil von Zürich.
154 Die drei genannten Priester Isinpert(us), Comolt und Helfirich erscheinen auch in ZUB I, Nr. 139, s. Steiner, aaO, S. 327, 317 und 324; Martin Gabathuler, Die Kanoniker am Grossmünster und Fraumünster in Zürich. Eine Prosopographie von den Anfängen bis 1316, Bern u. a. 1998. — Europäische Hochschulschriften III/774, S. 194, Nr. 126, S. 130, Nr. 28 und S. 172, Nr. 91.
155 Pfründe.
156 Wallisellen, Kt. Zürich.
157 Fluntern, Stadtteil von Zürich.
158 ZUB I, Nr. 37, S. 10, Anm. 1 lokalisiert das in den Urkunden des Großmünster-Rotulus vorkommende "Riutin"bzw. "Samilinis Riutin" bei Riesbach, Kt. Zürich; in Frage käme auch der Rütihof beim "Fallenden Brunnen"auf dem Milchbuck (Zürich) (so Steiner, aaO, S. 310).
159 Über Frieso ist nichts Weiteres bekannt, s. Steiner, aaO, S. 323.
160 Frau.
161 Berta, gest. 877. Jüngste Tochter Ludwigs (II.) des Deutschen, 853-857 Nachfolgerin Hildegards (s. oben Anm. 101) als Vorsteherin der Abtei Münsterschwarzach am Main, 857-877 als Äbtissin der Fraumünsterabtei. Unter Berta, die umfangreiche elsässische Besitzungen in die Abtei einbrachte, wurde die Abteikirche fertiggestellt, wobei die Reliquien von Felix und Regula in das neue Gebäude transferiert wurden. Bertas Gebeine wurden 1272 zusammen mit denjenigen ihrer Schwester Hildegard umgebettet. —Lit.: Judith Steinmann, in: Helvetia Sacra III/1 1995f; Vogelsanger, aaO, S. 59-69.
162 "Insuper Frieso puer dominae Perichtae", ZUB I, Nr. S. 10. "Puer"ist wohl nicht im Sinne von Vadians Übersetzung als "Sohn", sondern als "Vasall"zu verstehen, s. Steiner, aaO, S. 333.
163 Meilen, Kt. Zürich.
164 innegehabt.
165 Über den Laien (laicus) Perinhart ist nichts Weiteres bekannt, s. Steiner, aaO, S. 334.
166 Fällanden, Kt. Zürich.


Briefe_Vol_11_068arpa

kirchen geben und geschenkt mit leüten, mit gebüw ln mit , grund und gradt 167 , mit achern, matten, wisen, weyden, mit holtz in berg und talen, mit 52 || wasser, wasserflüssen, mit gebuwnen und ungebuwnen, eß sy jetz erkondiget oder man erkondige eß noch, mit eingang, usgang und aller zu ghörd, mit hayterem 168 dess kayser Carols befelch und gebott, das den brüderen, so jetz in leben sind oder in künfftiger zeyt da syn werdend, obgedacht gaben und güter on menklich ierrung und intrag bestädt sein und bleyben, und sölle nieman macht noch gwalt haben, ainichen tayl oberzelter güter der kirchen ab ze ziechen oder jemand anderemm eingeben und zu lehen verleychen, oder gedachte brüder der gemelten güter halb mit ainicher beschwerd oder neuwerung zw[in]genlichen zu beladen, in dhain 169 wyß noch weg. Disß alles ist geschechen und geben zu Zürich im zechenden jar unsers kayserthumbs, der römer zinß zal 170 13, gezelt nach der geburdt Christi achthunderundzechen. 171
2. Literae Berchtoldi, ducis de Zeringen, de plebanatu Tigurino
monasterii maioris. 172
Imm namen der haylgen und unzertaylbarlichen drifalt[i]khait. Ich, Berchtold
von Zeringen, hertzog und regierer in Bürgünden, uss gottes und kayserlichen
gnaden erwelter und eingesetzter kastvogt 173 dess münsters Zürich,
de[m] erwirdigen herren Walthern 174 , gedachts münsters propst, u[nd] 53 ||
den andern seynen mitbrüdern lo Damitt die ding, so mit guter vorbetrachtung
175 umb viler hayl willen zü endt pracht werdend, 176 mit gebürlichen
freyhaiten bestädt und in dehain vergesslikhait noch gefar ainicher iertumb
ln gebüw in der Vorlage aus gebüwen korrigiert.
lo Vor mitbrüdern über der Zeile von Bullinger nachgetragen heiligen frommen, Vgl. ZUB I, Nr. 343, S. 219: "sanctisque confratribus eius".
167 mit dem gesamten Grundbesitz.
168 klarem.
169 keinerlei.
170 Indiktion.
171 Die Indiktion stimmt nicht mit Herrscher- und Inkarnationsjahr überein. ZUB XIII, Nr. 121b/130a datiert die ursprüngliche Urkunde auf den 12. September 874 oder 876-887. Zur Datierungsproblematik vgl. ebd. und Steiner, aaO, S. 53-57. Bullinger erörtert die Datierung im Anschluss an seine Abschrift der lateinischen Urkunde in Zürich StA, EH II 451, 17f.
172 Übersetzung der Urkunde ZUB I, Nr. 343.
Bullingers Verarbeitung dieser Urkunde in seiner Tigurinerchronik: Zürich ZB, Ms Car C 43, 237v.-238v. (lat. Urkunde), 238v.-240r. (Vadians Übersetzung) und 240r.-243r. (Kommentar).
173 Kastvogt bezeichnete insbesondere in süddeutschen Urkunden den obersten Schirmherr einer Kirche, der die hohe Gerichtsbarkeit ausübt, s. Heinz Dopsch, in: LMA V 1053.
174 Walter ist über den Zeitraum 1185-1187 als Propst am Großmünster nachweisbar, gest. Ende 1187 oder Anfang 1188. —Lit.: Gabathuler, aaO, Nr. 199, S. 234.
175 Erwägung der Umstände.
176 Berthold spielt auf die langwierigen Auseinandersetzungen seines Vaters Berthold IV. von Zähringen mit den Zürcher Chorherren an, die mit dessen Einwilligung in die freie Leutpriesterwahl endete (ZUB I, Nr. 329), vgl. Gabathuler, aaO, S. 293f.


Briefe_Vol_11_069arpa

177 khomen mögind, so thund wir hiemit kundt allermenklichen 178 der christgloübigen: Demnach und die pfarr der propstey Zürich vom ursprung har irer stiftung von den brüdern der kirchen der gstalt versechen worden, das alle chorherren ire gebürlich und empsig dienst gemaynem volk der kirchhöre' 179 mit sonderem fleyß (wie trüwen hirten gepürdt) gelaistet und mittaylt, so hat sich doch nachgender louffender lp zeyt zutragen, daß das gemain volk der kirchhöre umb amen sonderbaren 180 pfarrer angelangt und gebetten und den ouch in sonderen schutz und schirm ze setzen begerdt habend. Hieharumb wir in ansechen, das söllich pitt und begär demm propst und den brüdern nit widerwillig und mit vergünstigungen ireß bischoffs nit zu gegen noch überlegen ist und wir ouch uss kayserlichem befelch darzu verwilget habend 181 , gedachte chorherren amen uss inen zu pfarer erwelt und dabey ainhellig aufgenomen, dehainen ziel künftiger zeyt ziel söllichem ampt zü erwellen, dann allain den, der uss der zal und gmainsamme der chorherren und brüdern syge. Und die weyl (wie die geschrifft meldt lr182 ) der, so demm altar diendt, ouch von dem altar sein narung haben sol, ist gedachtem erweitem pfarrer umb khomlikhait willen 183 seiner narung ain sonderba-||54 ren eingang uss gemaynen obgemelten kirchen gütern in maß, wie harnach volgt und geschriben stadt, beschayden 184 und abgezaychnett worden. Namlich und von erst ls die stiftungen aller capelen der barchy und der zechenden deß gantzen lt dorfs Witlichen 185 , dessgleychen der halb tayl opffer und dess almusens, so die kranken in sterbenden nöten umb irer seel hayl willen darheraychen und zu verschaffen gewon sind. Mitt diser massung 186 und erlüterung, das ain recht erwelter pfarrer, demm nach und 187 er von demm probst zuglassen 188 und in besitzung khommen ist, allwegen zwen priester bey imm haben und die pfarrliche recht sampt den selben mit allem fleyß vollziechen und versechen sölle etc. Die weyl nun wir söllich lu ordnung und zu vor das gedacht chorherren nu hinnen hin und lv niemand anderst die wal und den insatz aineß pfarrers haben und dabey geschützt werden möchtend lw mit unsern brief und , siglen ufzerichten und zu bestäten, gebätten und angerüfft word[en] sind, so habend wir, angesechen das zimlich
lp Vor louffender gestrichenes zeyt.
lq Vor vergünstigung gestrichener Buchstabe.
lr Vor meldt gestrichenes redt[?].
ls Vor erst gestrichenes, unlesbares Wort.
lt Vor gantzen gestrichenes, unlesbares Wort.
lu Die weyl nun wir söllich von Vadian am Rande statt gestrichenem wellich nachgetragen.
lv und am Rande von Vadian nachgetragen.
lw Vor möchtend gestrichenes mögind, wir mit unsern brief und siglen.
177 Hinderung.
178 jedem, allen.
179 Kirchgemeinde.
180 eigenen.
181 "habend" ist auch zum nachfolgenden Satzteil zu ziehen (Apokoinou).
182 1Kor 9, 13.
183 zugunsten.
184 zugewiesen.
185 Witellikon, Pfarrei Zollikon (Kt. Zürich).
186 Bestimmung.
187 nachdem.
188 anerkannt, aufgenommen.


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189 pitt der brüdern, inen die fryge wal, und das ain probst allain de[n] erwelten pfarrer einzesetzen und zebestäten habe, mit dis[er] unser gegebnen fryhait verwilget, zugeben lx und bestädt mitt urkund und in krafft diss briefs, verwilgend ouch und bestädten das uss kaysserlicher verwilgung, dero wir uns in diser unser vogtey getröstend 190 , zum höchsten ge || 55 bietende, das niemand unserer nachkhomen ainichs gwaltz söllich unser bestätung anzefechten, zehindern oder ze ierren dhains wegs undernemmen sölle. Darum wir ouch zu merer sicherhait bewilget habend, das diß fürgenomen ordnung mit kayserlichen und bäpstlichen instrumenten ferrer confirmiert und bestätett werden möge ly 191 . Geben und beschechen in nachgeschribner zeugen gegenwirtkhait, Walthers, deß propsts, und aller seiner brüder (etc. sicut in literis 192 ).
3. Donatio Hludevici iunioris 193 , qui Caroli Crassi 194 fuit pater. 195
Im namen der haylgen und onzertaylbarlichen drifaltikhait, Ludwig von
gottes gnaden künig. Die weyl offenbar und menklichen 196 der glöubigen
wissend ist, das denen lz , so uss künglicher miltikhait die irdischen güter, die
inen uss fürsechen der gütikhait gottes mittgetaylt und zugestelt sind, an die
haylgen stett zu pryß und eer gottes gebend ma und verordnend, gedachte
güter und gaben in jenem läben mit himelschen güter und ewiger vergeltung
bezalt und reychlich widerlegt 197 werdend, so thünd wir hieharumb kundt
und ze wissen allermenklichen gegenwirtigen und zukünftigen christglöubigen,
das wir umb vergeltung willen ewiger sälikhait dess durchlüchtigen
kayser Carols 198 , unsers lieben anherren, und herrnn Ludwigs 199 , kaysers und
merers dess reychs, unsers lieben herren und vatter säligen mb 56
|| und unser
selbs sampt unsern kinden und eegemachlen 200 eewige belonung und sälikhait
lx Vor zugeben gestrichenes z.
ly möge am Rande von Vadian nachgetragen.
lz denen von Vadian aus gestrichenem die korrigiert.
ma Vor gebend gestrichenes ze.
mb säugen unterstrichen.
189 angemessene, billige, zulässige.
190 auf die wir uns stützen, verlassen.
191 Eine päpstliche Bestätigung erfolgte 1188 (ZUB I, Nr. 346), eine kaiserliche Bestätigung ist nicht überliefert.
192 In ZUB I, Nr. 343, S. 220f folgt eine Zeugenliste und Datierung auf den 29. August 1187.
193 Ludwig II. der Deutsche.
194 Karl (III.) der Dicke.
195 Übersetzung der Urkunde ZUB I, Nr. 68. Lateinische Abschriften der Urkunde aus Bullingers Besitz in Zürich StA, E II 451, 20f (Autograph Bullingers) und E 11440, 8. Bullingers Verarbeitung dieser Urkunde in seiner Tigurinerchronik: Zürich ZB, Ms Car C 43, 152r.-153r. (lat. Urkunde), 153v.-155r. (Vadians Übersetzung) und 155r.-159r. (Kommentar). Zur Schenkung Ludwigs des Deutschen vgl. Vogelsanger, aaO, S. 35-54.
196 allen, jedem.
197 entgolten.
198 Karl der Große.
199 Ludwig (I.) der Fromme.
200 Ehegemahlen (des Kaisers und seiner Kinder).


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unser gericht und vogtey zu Zürich im hertzogthum Schwaben (oder Allemanniae) und mc in dem crayss 201 ' dess Turgöuws 202 gelegen mit aller aygenschafft, gerechtikait und zu gehörd sampt anderen verwaltungen diser vogtey zu gehörig, namlich mit dem ländlin zu Ure 203 mit den kirchensatzen , 204 mit hüser, gebüw, so daselbs stadt, sampt der aygenschafft der leüten, manß und frowen geschlecht, jung und alt, mit grond und ertrich, eß sey gebuwen oder ungebuwen, mit wald, mit feld, mit md wunn 205 und wayd, mit wasser, mit wasserflüssen, mit zu gehörungen, straßen, ingengen und ußgengen, sy sigend jetz erkondigot oder man erkondige sy noch, sampt allen zinsen, rendten und gülten, darzu ouch den forst, so man nendt das Albiss 206 , sampt allemm demm, so desselben ordtz unsere me verwaltung, besitzung und aygenschafft ist, nützit ußgenomen noch hindan gesetzt, an das frowen münster mf in dem fläken Zürich mg gelegen, da die hayligen marterer s. Felix und Regula rubend mh , geschenkt, verschafft und übergeben habend, söllicher maß und gestalt, das nun furohin zu jemer werenden zeyten allwegen daselbst gaystlich frowen mi , die der regel und closterzucht und andern gaistlichen wandell underwo[rfen] sygind mk , ufgenomen und endthalten werden ml söllind, damit der 57 || gotzdienst und vereerung gedachter marterer an jetzgemelter statt mitt meererem andacht vollzogen und erstattet und die barmhertzikhait gottes für unser und der unseren schuld dester empsiger und rychlicher erbetten werden möge. Wellend also hiemit menklichem kondt und zewissen thun haben, das wir von jetzgemelter ursach halb uss vätterlichem
mc Vor und gestrichenes gelagen.
md mit in der Vorlage irrtümlich wiederholt.
me Zweites e von Vadian über der Zeile nachgetragen.
mf an das frowen münster unterstrichen, darüber von Bullingers Hand unser münster oder kloster, vgl. ZUB I, Nr. 68, S. 23: totum et integrum ad monasterium nostrum tradimus".
mg Darüber von Bullingers Hand die entsprechende Passage der lateinischen Urkunde in eodem vico. Vgl. ZUB I, Nr. 68, S. 23.
mh Darüber von Bullingers Hand der wieder gestrichene Zusatz mit irem lib. Daneben Bullingers Korrektur seines eigenen Zusatzes: liplich. Vgl. ZUB I, Nr. 68, S. 23: corpore quiescunt".
mi Darüber von Bullingers Hand, den entsprechenden Passus der lateinischen Urkunde aufnehmend: sanctimoniales, vgl. ZUB I, Nr. 68, S. 23.
mk Darüber von Bullingers Hand der entsprechende
Passus der lateinischen Urkunde: sub regulari forma[!] [ZUB: norma] degentium vita conversatioque monasterialis monachico cultu instituta, s. ZUB I, Nr. 68, S. 23.
ml werden in der Vorlage korrigiert aus werdind.
201 Gau (lat. pagus).
202 Thurgau. Zur frühmittelalterlichen Ausdehnung des Gaus Thurgau vgl. Erwin Eugster, in: LMA VIII 746.
203 Uri.
204 mit dem Recht der Kirchenstellenbesetzung (ius patronatus).
205 Wiese.
206 Der Albisforst umfasste "das ganze mittlere Albis- und Sihlgebiet bis nach Hirzel" (Paul Kläui, Die Anfänge des Klosters Luzern und ihre politische Bedeutung, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 25, 1945, S. 4).


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gemüt bewegt, gedacht münster mm mit allen zughörd und begabungen unser aller liebsten tochter Hiltgarden zu aygnem haimgestelt und ubergeben habend, uff das sy gedachten frowen vorstan, die selben under ir zucht und regel und orden halten und also durch hilf und genad gottes dem herren dienen, soldnen 207 und leben und die gaistlich closterzucht mit täglichem zu nemen, so vil got gnad gibt, erhalten, meeren und verbesseren möge. Hieharumb so gebietend wir mit ernst und wellend, das khain gemainer richter noch graf noch jemands anderer mn ain[!]vorgedachten enden und stetten uss gerichtz gwalt ainiche der gemelten güter oder leuten, sy sigind aygen oder frey, anfechten noch bekümmern noch für ainiche mo frömbde gericht laden und sy ufrechter bürgschaft zu endtziechen oder mit mp ufsag mq redlicher keüffen beschedigen noch ainich vergeltungen, bußen und hochstrafen von inen zu erzwingen noch mit ainicher gwaltsammen zu belestigen undernemmen, sonder in unserm schutz und schirm und gegebnen fryhaiten und in verwaltung der kastvögten, so der enden 208 dem münster geben sind, ||58 rübig und on angefochten zu allen zeyten bleyben lassen wellind und Und damit söllicher unser gab und verordnung werende 209 kraft und bestendikhait, ouch in gegenwirtiger und künftiger zeyt so vil mer ansechens und glauben ha[be], so hand wir disen brief mit unser hand underschriben und mit unserm sigell bewaren 210 lassen, der geben ist uff 19. tag Ougs[ten]211 unsers dess ostfrankischen reychs imm 20. jar 212 zu Regenspurg in der statt, in gottes namen säliklich mr . Amen.
mm minister unterstrichen. Am Rande von Bullinger Hand closter.
mn anderer in der Vorlage korrigiert aus anderere.
mo Nach ainiche gestrichene Buchstaben.
mp Vor mit gestrichenes zeschedigen.
mq ufsag am Rande von Vadian aus gestrichenem abschlag korrigiert.
mr In der Vorlage sälikhich.
207 ihre Pflicht erfüllen.
208 dort.
209 bleibende.
210 bestätigen, befestigen.
211 ZUB I, Nr.68 datiert "XII. kal. Aug."(21. Juli).
212 853 n. Chr.