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Autograph: Zürich StA, E II 360, 427f; [Beilage:] E II 360, 419f (Siegelspur) Ungedruckt
[1]Bullinger tadelte in seinem letzten Schreiben [nicht erhalten]Kilchmeyer für seine Nachlässigkeit
im Briefaustausch. Er hätte recht, wenn Kilchmeyers große Arbeitslast und die
unerwarteten bzw. raschen Abreisen etwaiger sich nach Zürich begebender Boten nicht erklären
würden, dass dieser so selten schreibt. Bullinger soll ihm dies also nicht übelnehmen,
sondern weiterschreiben und ihn dabei ermahnen, trösten und anleiten! Bullinger ist ja dafür
verantwortlich, dass Kilchmeyer, als bereits erschöpfter Greis, sich so sehr abrackern muss,
während er ihn früher nie einer noch so kleinen Anstellung innerhalb der Stadtmauern von
Zürich für würdig hielt! Bullinger entschuldige den Unmut von Kilchmeyer. Dieser weiß
schon, dass der Weg zur Ruhe und zum Ruhm mühsam ist, dass schwierige und gefährliche
Aufgaben nichts für Faule sind, und dass Bullinger das Gemeinwohl vor Augen hat, und zwar
nicht jenes, das sich Kilchmeyer vorstellen kann, sondern jenes, das dem Heil der gemeinsamen
Heimat dient. Doch genug damit! -[2]Als Kilchmeyer [Ende Oktober 1546] sich anschickte,
nach Bern abzureisen, beteuerte er vor dem Zürcher Rat, dass er vorhabe zurückzukehren,
außer Gott habe anderes mit ihm vor. Er beschloss auch bei sich, schon im darauffolgenden
Sommer Bern wieder zu verlassen. Als er kürzlich, mit einigen Bernern ein paar Tage
in Zürich weilte, unterhielt er sich mit den Bürgermeistern Johannes Haab und Hans Rudolf
Lavater ausführlich darüber. Er eröffnete Letzterem, dass Johannes Haller ihn in Bern ersetzen
sollte, weil dieser dafür höchst geeignet wäre, zumal er gelehrt, stark, fromm und ausdauernd
ist. -[3]Desgleichen empfahl Kilchmeyer Haller einigen Berner Amtsträgern so sehr
(wobei er ihnen seine Absicht, Bern zu verlassen, verschwieg), dass dieser nun im Berner Rat
zum Thema wurde. Kilchmeyer hat zudem vor, auch künftig eine Berufung Hallers nach Bern
zu erwirken, es sei denn, man gebe ihm klar zu verstehen, dass dies aussichtslos sei. Kilchmeyer
setzt große Hoffnungen auf Haller, und dies schon seit dessen Kindheit. Oft prophezeite
er ihm, er werde sein Nachfolger in Küsnacht. Was aber, wenn diese [ihm von Gott eingeflößte]
Hoffnung sich auf Bern bezog? -[4]Kilchmeyer weiß allerdings nicht, ob Haller noch
in Augsburg oder schon in Zürich ist, ob er tot oder noch am Leben ist. Bullinger möge dies in
seinem nächsten Brief [nicht erhalten]mitteilen und sich für Hallers Berufung nach Bern, in
dessen Heimat, und für Kilchmeyers Rückberufung nach Zürich starkmachen. Kilchmeyer
wurde sich auch mit einem geringen Posten und Lohn (und warum nicht in der Stadt?) zufriedengeben.
Er hatte nie große Ansprüche und war stets mit Wenigem zufrieden! Kurzum:
Auch wenn Gott seine Predigttätigkeit gesegnet hat, so wird doch der stärkere und gelehrtere
Haller die Stelle, die Kilchmeyer nur ungern besetzt, viel besser versehen. - [5] VorhergehendesBriefe_Vol_20-591 arpa
wurde am 25. Oktober geschrieben. Kilchmeyer zählte damals auf einen Boten
[Luzius Tscharner?], der schließlich nicht aufbrach. So ließ er den Brief unvollendet. Dann
erschien ganz unerwartet am 30. Oktober ein Zürcher Bote [Melchior Schlosser], dem er den
Brief gerne hätte mitgeben wollen, doch konnte er ihn nicht fertigstellen, da er die Predigt
halten musste. Am Tag darauf konnte er dann den Brief in größerer Ruhe vollenden und hat
ihn dein Bündner Luzius Tscharner anvertraut, ohne aber die Steile über Haller zu ändern,
auch wenn er unterdessen vom Zürcher Boten erfahren hatte, dass Haller gottlob noch am
Leben und wieder heimgekehrt sei. Dies erfreut ihn umso mehr, als er nun hoffen darf von
Haller abgelöst und in der Stadt Zürich angestellt zu werden, zumal er auch vom Tode Heinrich
Buchters erfuhr! Demnach hofft er nun, mit der Unterstützung von Bullinger, Theodor
Bibliander und anderen problemlos irgendeine kleine Steile zu bekommen. -[6] Gruß, auch
an Johannes Fries. Dieser soll wissen, dass die Berner Bibliothek seine zum Kauf angebotenen
Bücher nicht anschaffen wird. Bullinger soll übrigens Lorenz Meyer (Agricola) mitteilen, dass
seine Schrift "De bellicis rebus"Kilchmeyer gut übermittelt wurde. -[7] Dem vorliegenden
Schreiben sind zwei weitere Briefe beigelegt. Der eine Brief [Nr. 3049] ist von einem frommen
und belesenen Franzosen [Jean Hotot], der sich derzeit in Bern aufhält, nachdem er einige
Monate in Zürich bei Georg Rubli verbracht hat. Rubli hätte ihm seine Sachen nachschicken
sollen, doch sind diese immer noch nicht in Bern eingetroffen. Bullinger soll dafür sorgen,
dass der Franzose sobald wie möglich sein Gepäck erhält. Der andere Brief [nicht erhalten]
ist von einem in der Berner Landschaft wirkenden Pfarrer [Kaspar Seidensticker], der Bullinger
darum bittet, das seinem Brief beigelegte Geld nach Konstanz an [Ambrosius Blarer
und Konrad Zwick] sicher zu übermitteln. -[8]Grüße, u.a. an Rudolf Gwalther, Bibliander,
Konrad Pellikan, Johann Jakob Ammann, Rudolf Collin, sowie an Bullingers Gattin Anna
[geb. Adlischwyler] und Bullingers Bruder Johannes. -[9][P.S.:] Der vorliegende Brief war
fertig, als Tscharner die von ihm geplante Reise vertagte. Demnach hat Kilchmeyer nicht den
oben angekündigten Brief mit der für Konstanz bestimmten Geldsendung seinem vorliegenden
Schreiben beigelegt. Diese Sendung wird Tscharner erst später übermitteln, da er vom Prädikanten
[Seidensticker] beauftragt wurde, sich ,für ihn bei Bullinger einzusetzen.
-[10]Noch Folgendes zu dem sich seit einigen Tagen in Bern aufhaltenden Franzosen: Am 1.
November wurde dieser brieflich benachrichtigt, dass sein Gepäck sich schon seit fast drei
Wochen in Solothurn befände. Er bedankt sich bei den Zürchern für die Mühe. Er wird nun
dafür sorgen, dass seine Sachen ihm von dort nach Bern zugeführt werden.
Salutem et pacem. Reprehendis me, doctissime vir et confrater charissime,
in literis tuis novissimis 4 velut in rescribendo admodum negligentem, in quo
sane rectius ageres, si non cum negotiorum moles tumque tabellionum me
absolveret festinata ac repentina abitio. Ut igitur tuum erit omnia boni consulere
inque melius declinare, ita te obsecro, ne uspiam a scribendo, monendo,
confortando ac denique instituendo me cesses, neque tarditatem
meam remorari te atque deterrere sinas, negligentiae, quod plane occupationum
est, adscribens. Hoc autem ne facias, arbitror tanto magis esse tuarum
parcium 5 , quanto darius constet tua me opera et studio in illos, quos nunc
sustineo, sudores, senem iam 6 et ferme corporis viribus exhaustum, compulsum
esse, 7 cum antea nunquam tibi visus fuerim dignus intra moenia
Tigurina vel infimam occupare condictionem. 8 Vide, quo me rapiat impacienciaBriefe_Vol_20-592 arpa
senem! Sed parce, quaeso. Scio enim per labores ad requiem et
gloriam veram iter esse, 9 nec ingnavis 10 ardua et periculosa committi, teque
omnia nimio zaelo, promovenda publicae salutis gratia fecisse, non quantum
possum perpendens, sed quantum patriae nostrae salus exigat. Verum de hoc
satis.
Ut Bernam abiturus, 11 in inclyto senatu Tigurino contestatus sum me rediturum quoque, nisi dominus exercituum 12 aliud iusserit. Ita et constitui mecum ad imminentem aestatem 13 Bernam relinquere ac Tigurum applicare; id quod nuper 14 (in urbe Tigurina cum quibusdam Bernatibus aliquot dies agens) a consulibus 15 aperui atque propositum meum ab imo ad summum usque exposui. Tractavi eciam cum Lavatero nonnihil de d. banne Hallero, ut is in locum meum collocaretur, quem scimus omnes doctum esse, fortem, pium atque constantem et ad huiusmodi onera ferenda maxime idoneum.
Pariter et Berne quibusdam primatibus d. Hallerum ita commendavi (tacito tamen meo proposito), ut in senatu super eo quaestio facta sit, nec desistam negotium hoc movere, donec vocetur, 16 aut ipse intelligam planis verbis frustra me causam illam agitare. Ita enim mihi vel a cunabulis magne spei futurus visus est, 17 ut sepe ei in faciem dixerim, successorem meum fore in Kußnach. Quid, si spem Bernam intellexisset?
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Ubi nunc sit, ignoro: Augustae vel Tiguri, inter vivos vel inferos? 18 Verum ubicunque tandem existat, optime ei praecatum esse volo, teque oro, ut proximis literis 19 cerciorem me facias de illo, operam tuam in hoc impensurus, ut ipse Bernam mittatur, patriam suam 20 (ut vin boni est) exculturus, me vero Tigurum recipiat, ubi nihil exopto, quod claris et magnis ingeniis debetur, sed tantum minimam (quae intra civitatis muros esse potest) conditionem. Parvo salario contentus ero, et ob hoc ditissimus. 21 Nunquam magna quaesivi, sed (ut de me sancte iactem)22 possidens abieci maxima hilarique animo reliqui; 23 neque propter hoc quicquam mihi defuit, quod vitae huius necessitas atque dignitas eciam requirit. Summa: licet dominus per me, servum suum inutilem, 24 sermonem vitae 25 quamplurimum foecundet, tamen fortioris erit 26 atque doctioris, qui, quam nunc invitus sustineo, subeat functionem.
Scripsi hec 25. octobris putans tunc, quem nactus fueram, nuncium 27 abiturum; quod ubi factum non est, literas infectas reliqui, alia vice, ubi se obtulisset occasio, paratus ilias conficere tibique mittere. Atque ita demum 30. die octobris inopinato apparuit tabellarius Tigurinus 28 , cui libentissime eas dedissem, sed tum conficere quidem ilias propter conciones publicas minime licuit. 29 Distuli ergo in sequentem diem, quo factus quietior paulo illas confeci tibique ferendas eximio viro Lucio Tscharnero Rheto 30 commisi, ita tamen ut de Hallero nihil mutarim in eis 31 , cuius condictionem
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supra me ignorare dixeram. Nunc vero et vivere et in ||[428]patria b esse (laus deo!) tabellarius me edocuit et certificavit; id quod plane mihi tanto gratius fuit, quanto nunc spero facilius me voti compotem fieri, ut videlicet in locum meum surrogetur, mihi vero aliqua caedat intra Tiguri muros condictio. Quod ob id commodius posse fieri arbitror, quod eciam audio d. Buchterum terre valedixisse, 32 meque posse c opera tua, Bibliandri et aliorum citra negotium in angulum aliquem promoveri ex animo spero.
Vale in domino et Frisio nostro dic nomine meo salutes plurimas, deinde apud nos spem quidem nullam esse, ut libri eius vendibiles in bibliothecam nostram recipiantur. 33 praeterea libellum d. Lorencii Agricolae De bellicis rebus 34 summa fide mihi allatum esse.
Literis meis alit duae coniunctae sunt, quarum unae Galli cuiusdam 35 est 36 nunc apud nos morantis, qui superioribus mensibus Tiguri fuit apud Georgium
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Rubli 37 , cui sarcinas suas commendavit, quo per illum post discessum suum Bernam mitterentur, quas tamen hactenus non vidit, ut a me petiit, hec tibi significarem. Ita nomine Galli (pius enim et doctus vir est) oro, ut cures sarcinas suas, quamprimum fieri potest, habeat. 38 Alterae literae cuiusdam sunt apud nos in agro concionatoris 39 , qui operam tuam propriis literis 40 implorat, ut pecuniam inclusam literis Constantiam pertinentibus 41 in suum iocum, quomodo te docebit manus eius, perferri cures.
Iterum vale. Datum Berne, 31. octobris. Salutabis nomine meo d. Gwaltherum, Bibliandrum, Pellicanum, Ammianumd 42 , Collinum 43 fratresque omnes una cum uxore tua fratre tuo d. Joanne et familia omnis. 1547.
I. Kilchmeyer, tuus semper. |
||419 [Beilage:]
Confectis literis et paratis omnibus noluit Lucius Tscharnerus, ut constituerat, proficisci, quapropter literas pecuniam continentes et ad Constanciam pertinentes non mitto, ut litterae meae sonant, 45 sed paenes me retinui, donec Lucius descendat, idque hac causa, quod concionator ille, qui pecunias mittit Constanciam, Lucio Tscharnero rem suam apud te exequendam commendavit.
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Quod de Gallo illo scripsi, 47 qui nuper apud vos, nunc per aliquot dies Berne egit, de sarcinis eius mittendis cura Rubli, civis Tigurini, primo die novembris frustra scriptum esse apparuit, propterea quod eo die Gallus literas accepit sarcinas suas Solodori esse (idque iam in terciam septimanam), unde ilias ad se vehi curabit actis vobis omnibus gratiis f .
[Adresse auf S. 420:] Celeberrimo atque doctissimo viro d. m. Heinricho Bullingero, Tiguri apud praeposituram 48 pastori vigilantissimo, suo in domino confratri et simmystae perpetuo colendo.