Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2235]

Bullinger an
Ambrosius Blarer
Zürich,
5. September 1545

Autographa: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 55 (Siegelabdruck) Teildruck-und zusammenfassende Übersetzung Blarer BW 386f, Nr. 1214

Selbstverständlich hat Bullinger [Matthäus Molckenpur] nichts [über Blarers Brief zu Molckenpurs Werbung und über die Verhandlungen zu Konrad Zwicks Kriegskunst]eröffnet. Die [Zürcher] haben dem Anliegen [Molckenpurs im Auftrag des Schmalkaldischen Bundes] zugestimmt. Bullinger hofft, dass [Molckenpur]freundlich [behandelt worden ist]. Auch [Johannes

b Teilweise auf das nicht mehr vorhandene Verschlussband geschrieben.
1031; Pietro Merbelli aus Mailand an Beatus Rhenanus vom 22. Juli 1545 (Rhenanus BW 534, Nr. 395): "XVI milia peditum, equitum vero 500 conscribit pontifex, quibus Octavium [Ottavio Farnese] nepotem, Camerti [Camerino, Prov. Macerata, Italien] ducem, prefecit, Allexandrum (sic) Vitellum [Alessandro Vitelli]peditibus, Baptistam vero Savellum [Giovanni Battista Savelli] equitibus preposuit. Ex urbe [Rom] palam scribitur Caesari huiusmodi auxiliares copias in Germaniam contra Lutheranos velle mittere et cardinalem Farnesium denuo ob rem bene gestam legatum missurum in Germaniam."
23 Das Zweite Regensburger Religionsgespräch.
24 Unbekannt.
25 Zu ergänzen: via. —Geradewegs, direkt.
26 Theodor Bibliander.
a Mit Randbemerkung und Anstreichung von Johann Heinrich Hottinger.


Briefe_Vol_15_509arpa

Haab und Hans Rudolf Lavater] haben [Zwicks]Kriegskunst Molckenpur gegenüber nicht erwähnt. Haab hat ferner an [Zwick]geschrieben. Der neue Vogt im Thurgau, Leonhard Holzhalb, war vorher Vogt im Freiamt und hat das Amt dort so gut versehen, dass er dies bestimmt auch künftig tun wird. Die Zürcher dürfen von Fürsten, Herren oder Prälaten keine Geschenke annehmen. Präsente von Eidgenossen, wie sie von alters her üblich sind, dürfen sie aber empfangen. So dürfen z.B. die [Zürcher] Vögte kein Geschenk vom Konstanzer Bischof oder von Domherren annehmen. Auch im Falle eines Rechtsstreits ist ihnen dies untersagt. Der Vogt darf jedoch bei seinem Einzug Willkommensgeschenke von Eidgenossen erhalten. Die Idee eines [zweiten]Religionsgesprächs [zu Regensburg]missfällt Bullinger. Hoffentlich werden dadurch die [Evangelischen] nicht entzweit. Möge Bucer ein für alle Mal schweigen! Bullinger konnte von den Buchdruckern nichts erfahren. Blarer soll aber sein Anliegen auch den [Druck]aufsehern mitteilen. Bibliander wird unterdessen die Mühlen[skizze] von Gerhard Westerburg, der 14 Tage bei Bullinger wohnte und ihm auch einen Druck davon schenkte, an Blarer geschickt haben. Bullinger glaubt nicht, dass das Projekt ausgeführt werden kann. Vadian geschieht es recht, wenn er vertrauensselig Leuten schreibt, die dann mehr daraus machen, als er geschrieben hat. Bullinger hat [Johannes] a Lascos Brief [an Bucer vom 23. Juni 1545] [zurück]erhalten und erwartet Blarers Urteil darüber, zusammen mit [a Lascos Defensio verae doctrinae"]. Er sendet seinen Markus[kommentar].

Gnad und frid.

Alles, das jr begärt der stille und verschwigens halb, lieber herr und bruder, sollend jr wüssen, das jr sy gewäret sind, und darff deßhalb der worten und so vil nitt 1 ; wenn ich weiß, das ich schwygen sol, so hat es wyter kein nodt. 2

Ir habend uns mitt üwerm anzeigen gar ein grossen dienst gethan, und der werbung halb, wie sy von h. Mattheo 3 gethan ist, habend die unsern bewilligt, wie ir baaß 4 von imm verstan werdint; dann er fürnemlich geworben, so sich krieg zutrüge, das wir unser lüt wider üch nitt louffen lassen", etc. 5 Ich acht und hoff, der bott 6 sye früntlich und wol gehallten. So hab ich fürsähen, das mine herren 7 der kunst 8 halb nüt redtind mitt h. Mattheo c . Mm h. Hab hatt mir gesagt, er habe üwerm vettern 9 geschriben; dann ich hub an ze

b In der Vorlage lasse.
c In der Vorlage Matthe.
1 darff deßhalb der worten und so vil nitt: es bedarf deshalb nicht so vieler Worte.
2 Blarer hatte Bullinger gebeten, Matthäus Molckenpur nicht zu sagen, dass er dessen Mission in Zürich bereits angekündigt hatte, und diesem gegenüber die Verhandlungen über Konrad Zwicks Kriegskunst zu verschweigen; s. oben Nr. 2227, 22-38.
3 Matthäus Molckenpur.
4 besser.
5 Zur Werbung Molckenpurs in der Eidgenossenschaft im Auftrag des Schmalkaldischen Bundes s. oben Nr. 2227, 1-21 und Anm. 4.
6 Damit ist Molckenpur gemeint, der nachweislich mit der Antwort des Zürcher Rats wieder nach Konstanz ritt, von wo er wie-dem zu weiteren eidgenössischen Orten entsandt wurde; s. EA IV/Id 529, Nr. 3 (Zürich StA, A 205/1, Nr. 196); und unten Nr. 2240, 4. —Demzufolge ist der Satz wie folgt zu verstehen: Bullinger hofft, dass der Bote freundlich und gut [empfangen worden] sei.
7 Die Bürgermeister Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater.
8 Konrad Zwicks Kriegskunst; s. zuletzt oben Nr. 2227, 39-49.
9 Zwick.


Briefe_Vol_15_510arpa

vragen von fernuß 10 , ob die handlung mitt der kunst gar ersässen 11 sye, etc. Daruff er geantwort: Nein, er wolle schriben und habe geschriben, etc. 12

Mitt dem nüwen Vogt in dem Durgöw, Lienhart Holtzhalben, stat es also: Er ist vorhin Vogt gewäsen in dem Fryen Ampt 13 und hat seer wol regiert, das man truwt, er werde ouch da sin bests thun. Und alls mitt imm ouch andere amptlüt hinus verordnet, 14 hat man ein vrag gehept, wie sy sich aller dingen halben haltind. Da ist ouch anzogen Von schenckungen 15 , und erkendt 16 , das es solle blyben by unserm geschwornen brieff 17 , der vermag, das unser keiner gaben noch schenckinen von keinem fürsten, herren noch prelaten nemmen solle, etc. Doch wenn ein Eignoß, ein d guter herr und fründ, ungfarlicher 18 wys, wie von alter har gebrucht ist, und uß sinem eignen gut yemants ützid 19 gibt oder schenckt, das möge wol sin etc. Dorumb sollend unsere vogt keine schenckinen nemmen vom bischofs von Constanz, dumherren, usseren 20 prelaten, herren, etc., ouch sunst in rächthändlen, sachen und spenen 21 von niemans überal. So aber der vogt uffryt 22 und denn yemandts innet der eydgnoschafft selbs gutwillige uoß dem

d ein über unlesbar gemachten Wörtern ergänzt.
e selbs gütwillig über der Zeile nachgetragen.
10 vragen von fernuß: aus der Ferne fragen, hintenherum fragen.
11 gestockt.
12 Siehe dazu oben Nr. 2227, 40-43; unten Nr. 2237, 2f.
13 Nämlich in der Vogtei Knonau; s. HBBW III 104, Anm. 2. —Zu Holzhalbs Amtsführung im Thurgau s. oben Nr. 2227, 50-59 und Anm. 26.
14 Möglicherweise noch vor dem 21. August 1545. Das Rechnungsbuch 1545/46, f. 47 (Zürich StA, Seckelamt Rechnungen F III 32), verzeichnet nämlich eine Abordnung von Zürcher Amtsträgern, unter denen sich auch der neue Landvogt befunden haben könnte: "Herren Bürgermeyster Laffatern unnd m. Wägman [Hans Weg-mann] als sy den Eydt zu Stamen ingenommen und demnach sampt andern verordneten gan Diessenhofen gerithen
15 Da ist ouch anzogen von schenckungen: Dort ist auch die Frage von Geschenken aufgegriffen worden.
16 beschlossen.
17 Am 15. November 1522 hatte der Kleine und Große Rat eine "Satzung wider die Pensionen" erlassen, die am 13. Dezember
1526 erneuert wurde; s. Urs Leu, schenkungen zu nemen verbotten haben ...". Kritische Überlegungen zum Bulunger-Pokal von Königin Elisabeth I, Zürich 2004, S. 8; A Zürcher Ref 103-105, Nr. 293; 519-521, Nr. 1084.—Das Verbot, Geschenke anzunehmen, geht-auf eine im Juli 1513 verabschiedete Satzung zurück, die im Januar 1516 in einem Abkommen zwischen Stadt und Landschaft Zürich bekräftigt wurde. Die Satzung vom Jahre 1522 bzw. 1526 wurde wahrscheinlich der Stadtverfassung Zürichs (dem 5. "Geschworenen Brief") von 1498 (ediert in: Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte. 13. Jh. bis 1798, hg. v. Werner Schnyder, Bd. 1, Zürich 1936, S. 132-141, Nr. 166) beigelegt, in welcher betreffend Geschenke nichts verfügt war. Laut Pellikan mussten alle Zürcher Bürger zweimal jährlich den Eid, keine Geschenke anzunehmen, ablegen; s. Leo Weisz, Verfassung und Stände des alten Zürich, Zürich 1938, S. 108; Kaspar Hauser, Die Herren Rümlang zu Alt-Wülflingen, in: JSG 32, 1907,76; Pellikan, Chronikon 153; Z X 154, Anm. 12. Siehe ferner HBBW XII 245, Anm. 14.
18 ohne böse Absicht.
19 etwas.
20 auswärtigen.
21 Zerwürfnissen.
22 feierlich einzieht.


Briefe_Vol_15_511arpa

sinen ungfarlicher wys, wie mans nemmpt, ein wilkumb gäb, möge er nemmen. So vil ist darvon gehandlet.

Das colloquium 23 gfallt mir gar nit. Gott wolle, das üch sölichs nitt zu einer zertrennung geradt! Ich wolt gern, das Bucer gnug colloquia angericht und gnug geredt hätte, etc.

Mitt den buchtruckern kan ich gar nüt erfaren; sy mussendts neißwan hinder mir thun 24 . Dorumb mögend ir wol ouch an andere werben, die ein uffsähen 25 habind. Was ich erwerren 26 konde, wolt ich than oder üch berichten. 27

||55v. Theodorum 28 hab ich an die müly 29 gemanet. Acht wol, ir habints hie 30 . Doctor Erharten 31 Westerburg, der 14 tag hie by mir ze herberg gelagen, hat mir ouch eine gaben getruckt. Acht nitt, das es müglich sye ze machen und ins werch ze bringen. Malen ists nitt schwerr, etc.

Vadiano beschicht 32 rächt in einen wag 33 , das er ettlichen vertruwt und schribt; die dann mee darus machend, dann an imm selbs ist, etc.

Epistolam d. a Lasco recepi, 35 sed iudicium tuum de ea expecto adhuc, una cum libello contra Menonem anabaptistam 36 .

Valebis. lam non plura potui. Munusculum hic mitto labores nostros in Marcum 37 .

Tiguri, 5. septembris 1545. Saluta tuos.

Bullingerus tuus.

[Adresse darunter:] Praestantissimo viro d. Ambrosio Blaurero, fratri suo incomparabilis.

f Darunter Empfangsvermerk von Blarers Hand: 8. septembris 1545 per lacobum im Schulhof. —Zu denken wäre hieran Jakob
23 Das ursprünglich für den 14. Dezember 1545 angesetzte Zweite Regensburger Religionsgespräch; s. oben Nr. 2227, 65-71.
24 neißwan hinder mir thun: irgendwann/irgendwie hinter meinem Rücken tun.
25 Aufsichtsfunktion. — Bullinger bezieht sich auf die Zensurbehörde, die am 3. Januar 1523 vom Rat eingesetzt worden war; s. Bächtold, Bullinger vor dem Rat 87-112; Um Leu, Die Zürcher Buch- und Lesekultur 1520 bis 1575, in: Zwa 31, 2004, 88-90.
26 abwehren.
27 Blarer hatte Bullinger gebeten, bei den Zürcher Druckern zu erreichen, dass diese die von Balthasar Romätsch geplanten Werke nicht ebenfalls druckten; s. oben Nr. 2227, 83-95.
28 Theodor Bibliander.
29 Zur Mühlenskizze Gerhard Westerburgs s. zuletzt oben Nr. 2229, 31 und unten Nr. 2240, Anm. 30.
30 jetzt.
31 Gerhard.
32 geschieht.
33 in einen wag: in gewisser Weise.
34 Siehe oben Nr. 2227, 106-110.
35 Johannes a Lascos Brief an Bucer vom 23. Juni 1545, den Blarer durch Matthäus Molckenpur oder Katharina von Zimmern an Bullinger zurückgeschickt hatte; s. oben Nr. 2229,2-8.
36 A Lascos "Defensio verae doctrinae", die Bullinger auch an Blarer übermittelt hatte; s. zuletzt oben Nr. 2229, 6-8.
37 Heinrich Bullinger, In evangelium secundum Marcum commentariorum libri VI, Zürich, Christoph Froschauer, August 1545 (HBBibl 1170; BZD C 342). Der Kommentar wurde Christoph Froschauer gewidmet (oben Nr. 2206).