Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3161]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz,
zwischen Montag, dem 12. und Montag, dem 26. März 1548]1

Autograph: Zürich StA, E II 357, 553f (Siegelabdruck) a Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 690-692, Nr. 1516

[1]Es gibt keine Neuigkeiten. Georg Frölich schreibt eine kurze Nachricht in Geheimschrift: Frömmigkeit wird Lin Augsburg]als Laster angesehen. Er und die Seinen leben in schlimmster Knechtschaft. Kaiser Karl V. wird in diesem Jahr niemanden bekriegen, es sei denn, er werde dazu gezwungen. [Sein Sohn]Philipp II. von Spanien wird bald in Augsburg oder Straßburg [zum römisch-deutschen König]gekrönt werden. [Soweit Frölichs Nachricht]. -[2]Zwei [kaiserliche]Regimenter wurden von Nördlingen nach Heilbronn verlegt. Vor ihrer Abreise steckten die [spanischen]Landsknechte jedoch das Spital in Brand und verhinderten die Löscharbeiten. Dabei gingen Güter im Wert von bis zu 15'000 Gulden in Flammen auf! So hat es ein frommer, zuverlässiger Bürger [N.N.] aus Augsburg berichtet. -[3]Der Konstanzer Bischof Johann von Weeze spielt der Stadt Konstanz übel mit. Er verbietet allen Konstanzern den Weinbau auf der Reichenau. Zudem erlaubt er weder die Weingärten [anderen] zu verpachten, noch kümmert er sich selbst um deren Pflege, obwohl die Konstanzer darum gebeten haben. Er schert sich nicht um seine künftigen finanziellen Einbußen bei den Einnahmen der Zehntsteuer, sondern nimmt sie gern in Kauf solange nur die Konstanzer einen noch größeren Nachteil haben. Hilf Gott! Was sind das für schlimme Menschen! -[4]König Ferdinand I. hat kein Interesse an einem [Schlichtungs]abkommen mit Herzog Ulrich von Württemberg. Er erhebt Anspruch auf das Herzogtum, als hätte Ulrich dieses verwirkt. Das von ihm geforderte Gerichtsverfahren wird bereits [unter dem Vorsitz]des Kölner Erzbischofs Adolf III. von Schaumburg ausgetragen. Es ist zu befürchten, dass Ulrich sein Herzogtum erneut verlieren wird. -[5]Die Landsknechte und spanischen Söldner, die zuvor in Ravensburg gelagert hatten, befinden sich jetzt in Reutlingen und bedrücken die Bevölkerung sehr. Zudem erlegen die Kriegsleute im besten herzoglichen Jagdgebiet, dem Schönbuch, täglich viel Jagdwild, häuten die Tiere und lassen das Wildbret einfach liegen. Herzog Ulrich, der vielen [vermeintlichen Wilderern]die Augen ausstechen ließ, muss nun (wie jedermann) seine göttliche Strafe ertragen! -[6]Karl V. hat ein sogenanntes Interim angeordnet. Neue Erfindungen müssen ja immer neue Namen bekommen! Dazu wurden ein Kölner Mönch [Eberhard Billick], [der kaiserliche Kommissar]Heinrich Has, Jakob Sturm

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren
1 Blarer berichtet in seinem Schreiben vom 12. März 1548 vom Abzug des spanischen Regiments (Nr. 3160,12-14), nicht aber von der Brandstiftung (s. unten Z. 5-8). Somit ist anzunehmen, dass dieser Brief nach dem 12. März verfasst worden ist. Da Blarer sich in seinem Brief an Bullinger vom 30. März 1548 (Nr. 3173,17-19) auf Bullingers Antwort [nicht erhalten] bezüglich der im vorliegenden
Brief gestellten Frage nach einem neuen Lindauer Stadtpfarrer bezieht (unten Z. 61-67) und zudem seinen Bericht über den Rechtsstreit zwischen Herzog Ulrich von Württemberg und König Ferdinand I (unten Z. 34-37) korrigieren kann, ist der vorliegende Brief folglich spätestens auf den 26. März 1548 anzusetzen.


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aus Straßburg und Georg Besserer aus Ulm sowie weitere Ausschussmitglieder beauftragt, einen Vorschlag auszuarbeiten, wie es ein jeder Tim Reich]bis zum allgemeinen Konzil mit der Religionsangelegenheit zu halten habe. Letztendlich soll aber der Kaiser das letzte Wort über den Inhalt des Interims haben. -[7] Wie man gerade erfährt, haben die Fürsten und Kurfürsten bei Karl V bewirken können, dass sich dieser der Schlichtung des Rechtsstreites zwischen Ferdinand I und Ulrich von Württemberg annimmt. Der Kaiser soll schon versprochen haben, den Herzog nicht abzusetzen. Dieser soll das Herzogtum jedoch von Ferdinand I für sehr viel Gold freikaufen müssen, als ob er seinen Anspruch auf das Land verloren hätte. -[8]Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel verlangt von den Reichsständen 26 Tonnen Gold. -[9]Die Augsburger müssen ihrem Bischof [Kardinal Otto Truchsess von Waldburg] eine Entschädigung von 19'000 Gulden zahlen. Außerdem macht dieser noch hohe Ansprüche an die Reichsstädte geltend. Allein schon von der Stadt Kempten verlangt er [weitere] 30'000 Gulden! Im besten Fall wird er wohl 10'000 oder 12'000 Gulden erhalten. -[10]Derzeit ist auf dem Augsburger Reichstag das wichtigste Thema, dass die Geistlichen all ihre Kirchengüter und Rechte zurückfordern. Danach könne man dann auf einem allgemeinen Konzil über [die Religionsangelegenheiten]beraten. Man geht fest davon aus, dass Karl V [den Reichsständen]diese Restitution als eine so dringend erforderliche Maßnahme vorschlagen wird, dass die [weltlichen]Stände darin einwilligen müssen. Danach wird man den Konstanzern ein für alle Mal vorschreiben, wie sie sich zu verhalten haben, und insbesondere, wie sie mit den Pfaffen umgehen müssen. Sollten sie sich dem Beschluss der Reichsstände widersetzen, werden sie bei allen anderen Ständen in Ungnade fallen. Und sie werden keine Unterstützung erhalten, weil es niemand mit dem Kaiser und den Reichsständen aufnehmen will. Daher werden sie bald als [abschreckendes] Beispiel für alle Ungehorsamen vernichtet werden. -[11]Laut einem vornehmen Mann [NN], der freien Zugang beim Kaiser hat, wird es Konstanz schlecht ergehen. Hierfür nannte er jedoch neben vielen anderen Gründen auch einige, die völlig unberechtigt sind! Doch Gott ist ein mächtiger Rächer und Retter! Unter den Konstanzern herrscht große Eintracht, und viele von ihnen wenden sich ernstlich zu Gott hin. Möge ihr gutes Beispiel auch den anderen von Nutzen sein! Bullinger und alle frommen [Zürcher]sollen für die Konstanzer beten. -[12]Alle lassen grüßen, besonders Blarers Bruder [Thomas Blarer]und Konrad Zwick. Grüße an Bullingers Familie und Kollegen. -[13]Bullinger möge Marcell Dietrich von Schankwitz den beiliegenden, an ihn adressierten Brief so schnell wie möglich übermitteln. -[14]Die Lindauer Kirche wünscht nach dem Tod des frommen Thomas Gaßners nun einen neuen Pfarrer. Blarer soll sich auf die dringliche Bitte des Lindauer Rats hin um diesen Nachfolger kümmern, kennt jedoch keinen [geeigneten Kandidaten]. Sollte Bullinger einen Pfarrer für diese Stelle vorschlagen können, möge er dies so schnell wie möglich tun. Auch soll Blarer die Zürcher auf Veranlassung eines ehrenwerten Mannes [NN](der eigens dafür zu ihm geschickt wurde) dazu bewegen, Johannes Haller der Lindauer Kirche für ein oder zwei Jahre zu überlassen. [Die Berufung eines Zürchers]wäre für die Lindauer ungefährlich, da der Kaiser den Eidgenossen gegenüber nicht feindselig erscheinen will. Da es die Lindauer Kirche verdient, dass man sich für sie um einen frommen und wohlgebildeten Vorsteher bemüht, hat Blarer versprochen, sich darum zu kümmern. Bullinger soll ihn rasch wissen lassen, ob die Berufung Hallers aussichtsreich wäre. Der Lindauer Rat würde [dann ein entsprechendes Schreiben] an den Zürcher Rat schicken. -[15] Weiteres hat Blarer leider nicht zu berichten.


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Nichts news. Letus schreibt obscuris characteribus 2 et paucis pietatem illic 3 piaculum esse, se suosque in asperrima esse servitute, 4 caesarem 5 non (nisi coactum) b belligeraturum hoc anno cum quoquam, principem 6 Hispanorum vel Augustarn vel Argentoratum venturum imperiique coronam suscepturum idque brevi.

Die zway regiment sind von Nördlingen uff Halbrün zogen. 7 Eh aber die zu Nördlingen abgezogen, habend sy den spytal angezundt und die burger laut irer 8 ordnung 9 nitt dorffen züloffen 10 . Sind die knecht 11 allso 12 by dem für gestanden. Biss 13 15'000 fl. aert verbrunnen 14 . Allso 15 hat aim frommer erbarer bruger 16 von Augsburg gesagt

b Klammer ergänzt
2 obscuris characteribus: in Geheimschrift. - Siehe hierzu HBBW XVII 12; BKS- Geheimschrift. -Zuletzt hatte Georg Frölich (Laetus) das Geheimalphabet in seinem Brief an Bullinger vom 18. Januar 1548 verwendet; s. Nr. 3111,9f. - Dass sich Frölich auch in seinem Briefwechsel mit Blarer der Geheimschrift bediente, war bisher unbekannt.
3 Gemeint: in Augsburg.
4 Von der erdrückenden Lage hatte Frölich bereits in seinem vorletzten Brief an Bullinger vom 18. Januar 1548 berichtet; s. Nr. 3111,12.
5 Karl V. - Zu den Berichten und Gerüchten über kaiserliche Kriegsvorbereitungen s. zuletzt Nr. 3162,16-18.
6 Philipp II., Sohn von Karl V. - Zu den Gerüchten bezüglich seiner seiner Reise nach Deutschland über Genua, s. Nr. 3115,5-7 mit Anm. 6; zu den Gerüchten um die Bestrebung Karls V., seinen Sohn zu Ungunsten seines Bruders Ferdinand I zum Römischen König und später zu seinem Nachfolger als Kaiser wählen zu lassen, s. zuletzt Nr. 3148, 14-16. -In Genua sollte Philipp II. allerdings erst im Oktober 1548, in Augsburg sogar erst am 21. Januar 1549 ankommen. Straßburg als mögliches Ziel Philipps II. taucht hier erstmals im Briefwechsel auf; s. Nr. 3115, Anm. 6; Nr. 3157, Anm. 10.
7 Fin spanisches Regiment wurde von Nördlingen nach Heilbronn verlegt. Möglicherweise handelt es sich bei zweiten genannten Regiment um jenes, das von Dinkelsbühl nach Heilbronn gezogen ist; s. hierzu Nr. 3160, 12-14. -Durch die neuzeitliche, nach 1789
abgeschlossene "Nördlingische Chronick, Erster Theil, Von Anfang biß Anno 1629 ..." von Georg Heinrich Weng und Johann Marcell Rollwagen ist gegen Ende 1547 ein Brand in der Stadt belegt: Er hatte sich von der Wohnstätte des Stadtfischers Ziegler bis hin zur reich gefüllten Scheune des Heilig-Geist-Spitals ausgebreitet und war wohl aus Fahrlässigkeit eines Spaniers verursacht worden. Die spanischen Söldner hielten die Nördlinger Bevölkerung jedoch nicht von den Löscharbeiten ab, sondern leisteten ihr "vortrefflichen beystand". Dennoch soll es bei dem Unglück auch vereinzelt zu Plünderungen durch Spanier gekommen sein; s. StadtA Nördlingen, Chro. 8 (Chronik Weng-Rollwagen, Bd. 1). Wilfried Sponsel und Susanne Faul vom StadtA Nördlingen sei für den wertvollen Hinweis auf die Nördlinger Stadtchronik und die Fotoaufnahmen der entsprechenden Stellen freundlich gedankt. -Bullinger erhielt zuletzt durch den Brief von Joachim Vadian vom 23. Januar 1548 Nachrichten über das Verhalten der kaiserlichen Truppen; s. Nr. 3118, 23-25.
8 Gemeint sind die spanischen Söldner.
9 Anordnung.
10 Gemeint: zu Hilfe kommen; s. Grimm XXXII 509 s.v. zulaufen.
11 Landsknechte.
12 daher; s. SI I 201.
13 Bis zu.
14 verbrannten.
15 So.
16 Unbekannt.


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Unser bischoff 17 hellt sich gantz ubel mitt uns. Wie vyl unserer burger wingarten habend in der Ow 18 , die mussend allso wüsst ligen. Er wills die unsern nitt lassen buwen, wills nitt lassen verdingen ze büwen, wills selbs ouch nitt büwen uff der unseren beger 19 uff amen kunfftigen fal 20 , etc. Und hat danecht 21 er von allem wyn den zechenden 22 ! Des 23 will er gern ouch manglen 24 und ainögg 25 sein, nun das 26 wir gar nichts habind und blynd seyen. Hilff gott! Was ellender leut sind das!

Der könig 27 will kam vertrag 28 noch teding 29 mitt hertzog Ulrichen annemen, sonder spricht 30 das land gar 31 an alls verwirckt 32 und begert des rechten 33 . Ist lis yetzund contestata 34 vor dem ertzbischoff von Cöln 35 und ubel zu besorgen 36 , er 37 müsß widerum um land und leut kommen.

Die knecht und Spanier, so zu Ravenspurg gelegen, 38 lygend noch zu Rütlingen. Sind die guten leut sehr ubel beschwert. 5y 39 schiessend dem hertzogen 40 teglich vyl

17 Johann von Weeze, Bischof von Konstanz; s. HBBW XX, Nr. 2948, Anm. 33.
18 Reichenau. - Seit 1540 war die Reichenau in das Hochstift des Konstanzer Bischofs inkorporiert; s. HBBW XIV, Nr. 1917, Anm. 17.
19 Bitte.
20 uff ainen kunfftigen fal: im Hinblick auf die künftigen Abgaben; vgl. DRW III 396f.
21 trotzdem.
22 Zehnten.
23 Darauf. - Gemeint: Am Zehnten.
24 verzichten; vgl. SI IV 327.
25 einäugig; vgl. Fischer II 588 s.v. einäug; vgl. auch Wander I 780, Nr. 2: "Es ist besser einäugig, dann gar blind."
26 nun das: nur damit.
27 Ferdinand I - Zu dessen Rechtsstreit mit Ulrich von Württemberg um den Besitz des Herzogtums Württemberg, der vor einem eigens für diesen Fall eingesetzten Richtergremium unter dem Vorsitz des Kölner Erzbischofs Adolf III. von Schaumburg ausgetragen wurde, s. zuletzt Nr. 3162,9-11.
28 Schlichtung; s. SI XIV 425.
29 Abkommen; s. SI XII 435.
30 spricht ... an: erhebt Anspruch auf; s. SI X 769.
31 ganz; s. SI II 395.
32 Gemeint: als hätte Ulrich das Herzogtum durch eigene Schuld verloren; s. SI XVI 1484.
33 begert des rechten: verlangt ein Gerichtsverfahren;
s. SI VI 259f s.v. Recht; Fischer I 761 s.v. begeren.
34 Ist lis yetzund contestata: Nun ist das Rechtsverfahren eröffnet; vgl. MLW II 1708 s.v. contestor.
35 Adolf III. von Schaumburg; s. schon oben Anm. 27.
36 ubel zu besorgen: (es ist) sehr zu befürchten; s. SI I 55 s.v. übel; VII 1313 s.v. besorgen.
37 Ulrich von Württemberg. -Dieser hatte bereits nach seiner 1519 erfolgten Vertreibung aus dem Herzogtum Württemberg bis 1534 einige Jahre im Exil verbracht. Das Herzogtum stand in dieser Zeit zunächst kurz unter der Herrschaft des Schwäbischen Bundes, bis Habsburg-Österreich schließlich 1520 die Regierung übernahm; s. HBBW III, Nr. 203, Anm. 25.
38 Die Reichsstadt Ravensburg hatte sich nach der Niederlage der Schmalkalder entschieden, Anfang November 1547 spanisches Kriegsvolk einzuquartieren, um eine Entschädigungszahlung von 30'000 Gulden an den Kaiser zu vermeiden. Dort blieben die spanischen Truppen etwa 15 Wochen, bis sie nach Reutlingen abzogen, um dort wohl die Ankunft des kaiserlichen Trosses im etwa 40 Kilometer entfernten Cannstatt abzuwarten; s. HBBW XX, Nr. 3040, Anm. 6; Nr. 3160, Anm. 20.
39 Das Kriegsvolk.
40 Ulrich von Württemberg.


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wildpret 41 im Schainbach 42 , da 43 er die besten wildfür 44 hat. Ziechend im 45 nun 46 die haut ab, lassend dann das wildpret ligen. Das muß er 47 yetz lyden von den frombden 48 , darum 49 er die sinen 50 alls hart gestraufft und vylen darum die ougen hat ausstechen lassen. Ita sunt iudicia domini. Und müsß yederman das messerle wider geben. 51

Der kaiser hatt ain interim c,52 angesechen 53 . Allso nennend sy es yetzund. Dann 54 new fünd 55 new nammen haben. Zu disem interim hat er verordnet ain cölnischen mynck 56 , item doctor Hainrich Hasen, ouch den Jacob Stürm von Strassburg und Jörgen Besserer von Ulm und noch ain oder zwen. Die sollend beratschlagen, wie es interim (das ist: hiezwyschen 57 dem gmainen concilio) d gehalten solle werden von yederman. Allso habend sy ir sach gestellt und das interim aller ding 58 dem kaiser haimgesetzt 59 . By dem soll die resolution stohn des interims.

c In der Vorlage ist das ganze Wort in Versahen geschrieben. -
d Klammern ergänzt.
41 Jagdwild; s. Fischer VI 817.
42 Schönbuch, ein nordwestlich von Reutlingen gelegenes Jagdgebiet Herzog Ulrichs. - Dort hatte dieser 1515 seinen Rittmeister Hans von Hutten ermordet; s. HBBW III, Nr. 203, Anm. 25; Franz Brendle, Dynastie, Reich und Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich, Stuttgart 1998, S. 35f 200, Anm. 152.
43 wo.
44 Jagdreviere; s. Fischer VI 821.
45 dem Jagdwild.
46 nur.
47 Ulrich von Württemberg.
48 Fremden.
49 Hier: weil.
50 die sinen: seine Untertanen. - Aus Furcht vor einem ihm angedrohten Attentat bei der Jagd hatte Herzog Ulrich 1517 das Jagdverbot verschärft und erlassen, dass "jedem, wer der sey, der mit Büchsen, Armbrust, oder dergleichen Geschoß in des Herzogs Gejägden und Wildbännen in den Wäldern oder sonst zu Feld, an Orten zum Weidwerk geschickt, außerhalb rechter Straße oder sonst, verdächtig gehen oder wandeln würde, ob er gleich nicht schieße, beyde Augen ausgestochen werden sollen". Diese harte Bestrafung wurde Ulrich auch von Ferdinand I in seiner Anklageschrift vorgeworfen; s. Johann
Gottlieb Schmidlin, Handbuch der württembergischen Forst-Gesetzgebung, oder systematische Zusammenstellung aller über das Jagd-Fischerey- und Holz-Wesen [..], Erster Theil, Stuttgart 1822, S. 234; Heyd, Ulrich von Württ. III 498. - Zum Rechtsstreit zwischen Ferdinand I und Ulrich s. oben Z. 16-19.
51 das messerle wider geben: seine Strafe ertragen; vgl. Wander III 646, Nr. 2.
52 Zur angestrebten Übergangslösung in der strittigen Religionsangelegenheit, die als Interim bekannt wurde, s. zuletzt Nr. 3135, 36-38 mit Anm. 16.
53 angeordnet; s. SI VII 555.
54 Denn.
55 Erfindungen.
56 Mönch. - Gemeint ist der Karmelit und Generalvikar der oberdeutschen Ordensprovinz Eberhard Billick (Steinberger, Lapidica); s. HBBW XV, Nr. 2113, Anm. 15. -Neben diesem waren u.a. auch der kaiserliche Kommissar Heinrich Has und die Bürgermeister Jakob Sturm von Straßburg und Georg Besserer von Ulm Mitglieder des Interimsausschusses. Zur vollständigen Liste der Ausschussmitglieder s. Nr. 3135, Anm. 16.
57 zwischen jetzt [und]; s. Fischer III 1581.
58 aller ding: vollständig; s. SI XIII 497.
59 überlassen; s. SI VII 1690f.


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Yetzund zögt man an, 60 das der kaiser die wirtempergischen sach uff ernstlich anhalten der chur- und anderer fursten 61 zu seinen handen gezogen und den hertzogen 62 der entsetzung des landes gesicheret 63 . Aber das land soll er von dem könig lösen 64 alls verfallen 65 . Wirt ettlich tunnen gold kosten!

Der hertzog von Brünschwyg 66 fordert an die 67 stend 26 tünnen gold.

Die von Augsburg erlegenden 68 irem bischoff 69 19'000 fl und hat der bischof noch groß ansprach 70 an die anderen stend 71 . Er fordert an die von Kempten allain 30'000 fi. Wans gleich wol grat 72 , maint man, er nem 10'000 oder 12'000 fl. 73

60 Da Blarer hier seine oben in Z. 16-19 gemachten Angaben zum Rechtsstreit um das Herzogtum Württemberg ergänzt, dürfte er den Brief über eine längere Zeit hinweg geschrieben haben.
61 Joachim II. von Brandenburg, Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz, Herzog Ernst von Bayern, Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg sowie auch Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken; s. PC IV/2 893, Nr. 741; Heyd, Ulrich von Württ. III 501.
62 Ulrich von Württemberg.
63 der entsetzung ... gesicheret: von der Absetzung verschont hat; s. SI VII 1671 s.v. Entsetzung. 179f s.v. sicheren. -Ein falsches Gerücht. Der Rechtsstreit sollte erst am 10. August 1552 durch eine von Herzog Christoph, Ulrichs Sohn, an den König gezahlte Strafe beigelegt werden; s. Nr. 3145, Anm. 83.
64 freikaufen; s. SI III 1441.
65 alls verfallen: gleichwie verwirkt. -Gemeint ist, dass Ulrich den Anspruch auf das Herzogtum verloren habe, dieses aber vom König wieder freikaufen dürfe; s. SI I 755.
66 Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel. -Möglicherweise forderte er von den Reichsständen finanzielle Mittel ein, um gegen die Stadt Braunschweig militärisch vorgehen zu können. Nach seiner Inhaftierung durch Landgraf Philipp von Hessen vom 21. Oktober 1545 bis zum 18. Juni 1547 und seiner anschließenden Wiedereinsetzung als Regent im Herzogtum sah er sich dem Widerstand der protestantischen Stadt ausgesetzt. Von Karl V. erhielt er schließlich jene Geschütze, die Braunschweig dem Kaiser im Zuge des Aussöhnungsvertrages vom 6. Januar 1548 hatte überlassen müssen; s. HBBW IX,
Nr. 1243, Anm. 6; XX, Nr. 2920, Anm. 20; Nr. 2967,33f; Nr. 2985, Anm. 13; Gustav Hassebrauk, Heinrich der Jüngere und die Stadt Braunschweig 1514-1568, in: Jb. des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig 5, 1906, S. 45-48; Wilhelm Havemann, Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg, Bd. 2, Göttingen 1855, S. 260; Otto von Heinemann, Geschichte von Braunschweig und Hannover, Bd. 2, Gotha 1886, S 378.
67 an die: von den; s. Fischer II 1648 s.v. fo(r)dern 2.
68 bezahlen; s. SI III 1187.
69 Kardinal Otto Truchsess von Waldburg. - Dessen ursprüngliche Forderungen an die Stadt Augsburg beliefen sich auf 400000 Gulden. Augsburg hatte mit ihm hierüber bereits ab September 1547 bis in den Januar 1548 vor Herzog Wilhelm IV. von Bayern als Schiedsrichter verhandelt. Der eigentliche Restitutionsvertrag zwischen den beiden Parteien sollte jedoch erst am 2. August 1548 abgeschlossen werden. Insgesamt sollte der Bischof 170'000 Gulden Schadensersatz von Augsburg, weiteren oberdeutschen Städten und aus Württemberg erhalten; s. Roth, Augsburg IV 60-64 mit Anm. 64f. 170-177.
70 Forderungen; s. SI X 722.
71 Reichsstädte; vgl. SI XI 966 s.v. Stand.
72 Wans gleich wohl grat: Wenn es wider Erwarten gut geht.
73 Tatsächlich konnte die Stadt Kempten jedoch an Ostern 1548 aushandeln, dem Bischof im Jahr 1548 lediglich 3000 Gulden sowie mehrere Geschütze zu übergeben und im Folgejahr weitere 4000 Gulden Schadenersatz zu zahlen; s. Johann Baptist Haggenmüller, Geschichte


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Die grösst sach, so yetz vorhanden zu Augspurg, das die gaistlichen allerding begerend, allenthalb restituiert ze werden. 74 Darnach sölle durch ain gmain concilium irenhalb erörteret werden, was recht seye. Und acht 75 man gentzlich, der kaiser werde sölich restitution als ernstlich 76 fürnemmen 77 , das die anderen 78 stend all darein 79 gehellen werdind. Allsdann wirt man unß 80 semel pro semper fürhalten 81 , was wir thain 82 müssind, sonderlich ouch der pfaffen halb. Thuen wirs nitt, was ander leut 82 ze thain bewilligt, so habind wir || 554 vor allen anderen stenden den unglympff 84 . Nemme sich etwar 85 unser an, so muss der selbig ouch den kaiser und den gantz rych uff sich laden 86 . Nemme sich nieman unser an, so 87 habe man uns bald usgemachet 88 und zu ainem exempel allen ungehorsamen furzestellen 89 .

Wie sich dann 90 ain fürnemer mann 91 , der ain freyen zü - und vongang bym kaiser hat, vernemmen lassen: Es werd diser statt 92 ubel gohn uss vyl ursachen. Hat ettlich erzellt, deren wir aber gantz unbillich 93 geschuldiget werden. Sed vindex et servator est dominus, 94 cuius brachium non est abbreviatum. 95 Est non mediocris inter nostros concordia, deinde apud multos seria ad dominum conversio. Quorum bonitas, spero, etiam aliis proderit. Tu ora pro nobis diligenter cum omnibus pus.

Salutem tibi dicunt mei omnes, cumprimis germanus 96 frater 97 et Conradus Zviccius. Saluta tuam domum cum omnibus fratribus.

Literas Marcello 98 inscriptas rogo, ut illi quamprimum mittendas cures.

der Stadt und der gefürsteten Grafschaft Kempten, Bd. 2: Von Beendigung des Bauernkriegs bis zur Einverleibung in den baierischen Staat, Kempten 1847, S 39.
74 Da die altgläubigen Stände und Mitglieder des Interimsausschusses nach dem unfreundlichen Empfang des kaiserlichen Gesandten Kardinal Cristoforo Madruzzo bei Papst Paul III. nicht auf eine Fortsetzung des Konzils von Trient hoffen konnten, forderten sie auf dem Reichstag die Restitution ihrer alten Besitzungen und Rechte, aber u.a. auch die Verfolgung der zwinglischen Lehre; s. Nr. 3108,5-8 mit Anm. 4; Nr. 3160,6-8 mit Anm. 9; RTA-JR XVIII/1 85; XVIII/2, 1735, Nr. 178. 1738-1742, Nr. 179.
75 vermutet.
76 als ernstlich: so eifrig; s. FNHDW V/2 3567 s.v. ernstlich.
77 in Angriff nehmen; s. 811V 745f.
78 Gemeint: die weltlichen.
79 einwilligen; s. SI II 1141.
80 Gemeint sind die Konstanzer.
81 vorgeben.
82 tun.
83 Gemeint sind die Reichsstände sowie auch deren Abgeordnete auf dem Augsburger Reichstag.
84 Schaden.
85 jemand; s. Fischer II 894 s.v. etwer.
86 ouch den kaiser und den gantz rych uff sich laden: es auch mit dem Kaiser und dem ganzen Reich aufnehmen.
87 dann.
88 vernichtet; s. Fischer I 489.
89 hinzustellen.
90 ferner; s. SI XIII 22.
91 Unbekannt.
92 Konstanz.
93 zu Unrecht.
94 Vgl. Ps iS (Vulg. 17), 48.
95 Vgl. Jes 50, 2. 59, 1.
96 mein leiblicher.
97 Thomas Blarer.
98 Marcell Dietrich von Schankwitz, der sich zuvor einige Zeit in Zürich aufgehalten hatte, scheint die Stadt zu dieser Zeit schon wieder verlassen zu haben. Begründet wird diese Annahme


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Lindaviensis ecclesia 99 pastorem nunc desiderat, quum non pridem pientissimus ille Thomas Gasnerus mortem vita commutans hinc ad superos migrant. Petit senatus et per omnia me obtestatur, ut hic ipsis invigilem et de successore dispiciam. Ego vero nusquam quemquam scio. Tu si quem forte nosti, per Christum te obsecro, ut quamprimum indices. Fuit mecum bonus quidam et solide pius vir 100 ad me hoc nomine missus, ut apud Tigurinos efficerem, quo Lindaviensibus Hallerum 101 uno aut altero anno permitterent. Hoc enim ipsis tutissimum fore, quandoquidem caesar Helvetiis hoc quidem tempore iratus videri nolit. Recepi me nonnihil hic tentaturum. Est enim dignissima ea ecclesia, cui provideatur de bono, pio eruditoque episcopo. Si quid igitur sperari hic potest, age fac quamprimum sciam. Scribet enim Lindaviensis senatus vestro, 102 etc.

Nequeo plura. Ignosce. [Ohne Unterschrift.]

[Adresse darunter:] An maister Hainrich Bullinger zu Zurich.

mit dem Umstand, dass ihm Bullinger den hier genannten Brief zuschicken, nicht aber übergeben sollte. Möglicherweise hatte sich Schankwitz zu dieser Zeit bereits zum Gut (Weiherhaus) Rohr bei Kloten begeben, das seine Frau am 30. März 1548 erwerben sollte; s. dazu Nr. 3110, Anm. 37; HBBW XIX, Nr. 2762, Anm. 98.
99 Lindavensis ecclesia: Die Lindauer Kirche. - Blarer hatte Bullinger über den Tod des Lindauer Pfarrers Thomas Gaßner (13. Februar 1548) bereits mit seinem Schreiben vom 18. Februar 1548 berichtet; s. Nr. 3142,92f.
100 Unbekannt.
101 Johannes Haller. - Er versah zu dieser Zeit
das Amt des 1. Archidiakons am Großmünster, bevor ihn der Zürcher Rat im Mai 1548 auf Bitten des Berner Rats nach Bern schicken sollte; s. Nr. 3104, Anm. 5; Nr. 3159, Anm. 35. -Am 9. Oktober 1547 hatte er auf seiner Heimreise von Augsburg nach Zürich in Lindau gepredigt. Dabei muss er wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben; s. Bähler, Haller 68. -Tatsächlich aber sollte der seit 1545 in Lindau als Prediger wirkende Matthäus Roth die Nachfolge Gaßners antreten; s. Pf-Schwaben 173, Nr. 1017; 306f.
102 Ein Schreiben des Lindauer Rates an jenen von Zürich wurde wohl nicht geschrieben.